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Sterne (fm:Romantisch, 22571 Wörter)

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Veröffentlicht: Jan 25 2022 Gesehen / Gelesen: 19420 / 14213 [73%] Bewertung Geschichte: 9.80 (392 Stimmen)
Das Wiedererwachen einer alten und einer neuen Liebe.

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"Das war schwer genug, Mann. Du bist echt abgetaucht, oder? Hättest dich ruhig mal melden können, oder was."

Ja, ich war nicht gut darin, Kontakte aufrechtzuerhalten. Und unsere gemeinsame Zeit in der Band lag auch fast fünfundzwanzig Jahre zurück. So, wie er aussah, hatte er sich nicht aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Ich machte uns einen Kaffee, während er mein Teleskop bewunderte.

"Das ist ja ein Hammerteil. Und was machst du damit? Geile Frauen anspannen oder was? Da siehst du doch bestimmt jedes einzelne Schamhaar deiner geilen Nachbarinnen."

"Du Vogel, immer noch nur Sex and Drugs and Rock'n'Roll im Kopp, was? Du wirst echt nie erwachsen. Aber nein, ich fotografiere Galaxien, Nebel und sowas. Wenn das scheiß Wetter es mal zulässt, heißt das. Nimmst du Milch? Habe ich vergessen. Alles schon büschen her, wa?"

"Nee, Zucker. Hast du Zucker?"

"Stimmt, du warst immer schon pervers. Jetzt fällt's mir wieder ein. Ja, irgendwo hab ich welchen. Moment."

Ich hatte nicht einmal gewusst, dass er ebenfalls in Berlin lebte. Wir kamen beide ursprünglich aus Hannover, wo unsere Band mal eine lokale Größe gewesen war. Wir lange dem tatsächlichen Durchbruch nachgejagt waren. Und als wir an dessen Schwelle standen...

"Was machst du denn hier? Du lebst jetzt auch in Berlin? Seit wann denn?"

Helge rührte tatsächlich fünf Löffel Zucker in seinen Kaffee. Ich verzog mein Gesicht. Das war damals wie heute abartig.

"Schon zehn Jahre, Alter. Der Musi wegen, was sonst. Verschiedene Projekte, eine ganze Zeit Studiomusiker, aber das war zu ätzend. Keine Lust mehr, Jingles für MacDonalds aufzunehmen. Back to the roots, Mann. Ich bin wieder in einer guten Band. Einer mit echtem Potential."

"Das freut mich. Ich hab seit damals kein Instrument mehr angefasst. Obwohl die Möglichkeiten hier natürlich andere sind."

"Aber deine Klampfe hast du noch?"

Hm. Was wurde das? Die Frage hatte eine besondere Bedeutung, das war klar. Was wollte er hier, von mir?

"Ja, ich habe sie noch. Kann sein, dass sie mittlerweile nicht mal mehr bundrein ist, keine Ahnung. Was führt dich zu mir? Jetzt, nachdem du schon zehn Jahre hier bist? Und woher hast du meine Adresse? Ich stehe nicht im Telefonbuch."

"Ja, das war eine scheiß Detektivarbeit, darauf kannst du einen lassen. Am Ende habe ich Ralle ausfindig gemacht. Und der hatte sie."

Ralf, mein sechs Jahre älterer Bruder. Der immer noch in Hannover lebte. Den hatte ich auch schon fünf Jahre nicht mehr gesehen, aber wir schickten uns jedes Jahr zum Geburtstag gegenseitig eine Karte.

"Okay. Und warum?"

"Ich habe diese Band. Geiler Drummer, guter Gitarrist, der Keyboarder so lala, aber für die Musi, die wir machen reicht's. Vier Jahre nur Dreck, kleine Gigs, die nirgendwohin führten, das alte Problem."

Das alte Problem. Einen Sänger oder eine Sängerin zu finden, mit einer Stimme, die die Leute nicht aus den Konzertsälen trieb. Du konntest noch so gute Musik machen, ohne guten Sänger hattest du schlechte Karten.

Erst gegen Ende unserer gemeinsamen Karriere hatten wir einen Sänger gehabt, der gut genug war, um eine erste Platte aufzunehmen. Bis dann aus anderen Gründen mein Leben, meine Träume und meine Band zerplatzte, an dunkelster Realität zerschellte.

"Das alte Problem... so, wie du jetzt grinst, würde ich sagen, ihr habt es nicht mehr."

Er wippte bestätigend und aufgeregt vor und zurück. Genau wie beim Bass-Spielen.

"Ja, Mann. Wir haben die Stimme. Die gottverdammte, wahnsinnige, fantastische, geile, absolute, Mega-Stimme. Eine Frau, eine Tusse aus den Staaten, Carol."

"Glückwunsch. Na, dann geht jetzt die Post richtig ab?"

Er seufzte und drehte sich eine Zigarette. Das sah nicht nach Durchbruch aus. Ich hatte mir das Rauchen schon vor zehn Jahren abgewöhnt, besorgte ihm schnell einen Aschenbecher und öffnete die Balkontür.

"Hä? Du rauchst nicht mehr?", gab er seiner Verblüffung Ausdruck.

"Nee, aber ist okay, du kannst hier drin rauchen. Also? Das Problem? Ich rieche ein Problem?"

"Ja, Alter. Das Problem ist, dass sie zu gut für uns ist. Dass die Songs, die wir geschrieben haben einfach nicht gut genug sind. Ich war ja nie so der Komponist, das machen bei uns Lippe, das ist der Gitarrist und David, das ist der Keyboarder, auch 'n Ami."

Hm. Das war ein Dilemma. Und was hatte ich damit zu tun?

"Sie sagt nichts, singt den Scheiß, den wir schreiben, aber lässt uns fühlen, dass es nicht gut genug ist. Und sie sich bald absetzt, wenn sich das nicht ändert."

"Das ist natürlich blöd."

"Das ist mehr als nur blöd. Ich bin fünfzig, Alter, was glaubst du, wie viele Gelegenheiten wie diese ich noch hab? Und es ist eine verdammte Gelegenheit, verflucht. Sie hat eine Stimme, die dir eine Gänsehaut macht, eine Bandbreite, die es eigentlich gar nicht geben dürfte."

Aha. Und nun? Was hab ich damit zu tun?

Er wippte weiter vor sich hin, drückte seine stinkende Zigarette aus und sah mich fest an.

"Nach einer der letzten Proben habe ich sie im Auto mitgenommen. Es ist ganz schwer zu sehen, was sie denkt und fühlt, aber an dem Abend schien sie kurz davor, in den Sack zu hauen. Sie spricht sehr gut Deutsch, aber sie spricht nicht viel. Ist vom Typ... könnte ich nicht mal sagen. Sie ist einzigartig. Egal, wir fahren also durch Berlin und mein USB-Stick läuft einfach durch, mit der Mucke, die drauf war."

Ich erinnerte mich nur zu gut an Fahrten mit Helge. Dass die gute Dame nicht viel sagte, lag vermutlich daran, dass er die Tendenz hatte, Musik im Auto so laut zu machen, dass man sie ohnehin nicht verstanden hätte.

"Dann lief "Fade away"."

Eines unserer alten Stücke. Von unserem ersten und einzigen Album.

"Ich erklärte ihr, dass es von unserer alten Band war, um überhaupt mal ein Gespräch in Gang zu bekommen. Und da blitzte es plötzlich in ihren Augen und sie war total interessiert."

Es war nicht einmal eines der besseren Stücke. Hm. Langsam wurde mir klar, in welche Richtung das ging.

"Das war das einzige von uns, was ich auf dem Stick hatte. Sie bestand darauf, dass ich ihr unser ganzes Album vorspielte. Also nahm ich sie mit zu mir. Das war scheiße peinlich, Mann. Ich war auf Damenbesuch gar nicht eingerichtet. Die Wohnung ein stinkendes Chaos. Überall Scheppel-Hefte und vollgewichste Taschentücher und so 'n Zeug."

Oh Helge. Du hast dich nicht verändert. Und die Ankunft des Internets vermutlich auch noch nicht mitbekommen. Wer las denn heutzutage noch Pornohefte?

"Aber sie war voll cool, sie wollte unbedingt die Platte hören."

Ja, wir hatten tatsächlich noch auf Vinyl gepresst, obwohl es schon CDs gab. Die Platte hatte ich selbstverständlich auch noch, aber nicht einmal mehr einen Plattenspieler.

"Und die hat ihr gefallen", warf ich in den Raum.

"Ja, Mann. Die hat ihr gefallen. Sie sagte, das wäre ungewöhnlich, einzigartig, geil."

Schlecht war sie nicht, das stimmte. Wir hatten aber noch viel bessere Stücke gehabt, die wir aufnehmen wollten, als alles den Bach runterging. Als Tilly starb. Scheiße. Wie lange war es mir gelungen, daran nicht mehr zu denken? Scheiße.

"Sie hat drei, vier Stücke ausgesucht, die ihr besonders gefallen hatten. Und gefragt, ob noch mehr von uns existierte."

"Du hast ihr doch wohl hoffentlich nicht die Probenmitschnitte vorgespielt?"

Er wusste genau, warum er das nie hätte tun dürfen. Wir hatten eine Vereinbarung getroffen.

"Alter, es tut mir leid. Ja, ich habe ihr das Material fürs zweite Album vorgespielt. Das hat ihr besser gefallen, vor allem..."

""Dawn"."

"Ja, "Dawn"."

Das Lied, das ich für Tilly geschrieben hatte. Meine Entschuldigung dafür, sie so oft alleine gelassen zu haben. Mit ihren Ängsten. Mit ihren Problemen. Ihren schweren Depressionen.

Das wir aufnahmen, als sie sich das Leben nahm. Während sie vier Tage mit dem Tode rang, bis ihr Körper und die Ärzte aufgaben. Und ich war nicht einmal dort gewesen. Träumte den Traum vom großen Durchbruch in dem Aufnahmestudio in München, während alles, was für mich je wirklich Bedeutung gehabt hatte, mit einer Flatline verklang.

Es war fünfundzwanzig Jahre her, ich hatte fast schon nicht mehr daran gedacht, doch jetzt stiegen Tränen in mir hoch.

"Eh, Alter, es tut mir leid. Ich wollte nicht dran rühren."

"Okay. Vergangenheit. Was willst du nun von mir? Wollt ihr den alten Scheiß covern? Nach fünfundzwanzig Jahren hab ich nicht mal mehr Rechte drauf und ihr habt meinen Segen. Ihr könnt alle Stücke nutzen. Nur von "Dawn" lasst bitte die Finger. Okay?"

"Ich hätte das niemals ohne dein Einverständnis gekonnt, das ist dir doch klar? Ich hab ihr "Dawn" nicht vorspielen wollen. Das war ganz seltsam, sie sagte von sich aus, da ist noch ein anderes Stück. Eines, was eine besondere Bedeutung hat. Und dass ich es spielen muss."

Was für ein querer Scheiß.

"Ich hab ihr natürlich auch gleich gesagt, dass wir das niemals covern dürfen. Komischerweise hat sie sofort gesagt, dass sie das versteht."

"Du hast ihr die Geschichte erzählt?"

"Ja, aber erst hinterher. Die Frau ist... anders, ich kann es dir nicht beschreiben. Du musst sie sehen. Und hören."

"Noch 'n Tässchen? Nee, muss ich nicht. Ihr könnt den Dreck haben, wenn ihr von "Dawn" die Finger lasst. Wenn euer Gitarrist so gut ist, wie du sagst, kriegt er das Meiste sicher hin. Ich hab irgendwo sogar noch die Noten. Die könnt ihr zusätzlich haben. Und wenn ihr euren ersten Gig habt, komme ich gerne rum, um zu hören, wie die Dinger mit einer richtig guten Stimme klingen. Deal?"

"Ja Alter, das ist schonmal geil. Aber..."

"Aber was?"

"Sie will dich unbedingt kennenlernen. Sie sagte: Er muss mich hören."

Wie war die denn drauf? Was sollte das alles?

"Warum, was soll das?"

"Ich weiß es auch nicht genau, ehrlich. Vielleicht will sie, dass du Stücke für uns schreibst. Speziell für sie."

"Ach, komm, hör auf, Helge. Das schmink dir ab. Ich habe meine Klampfe seit Tillys Beerdigung nicht mehr angefasst und ich habe nicht vor, das jemals wieder zu tun. Das weißt du."

"Ich habe ihr das gesagt. Hundertmal. Sie hat nur immer wieder dasselbe wiederholt. Er muss mich hören."

Aha, geile Stimme und "nen Lattenschuss. Musikindustrie-Standard. Vielleicht der einzige Weg zum Erfolg.

"Und ich hab dir gesagt, was ich darüber denke. Was ich bereit bin, zu eurem Erfolg beizusteuern. Sag ihr das. Ich wünsch euch Glück. Okay?"

Er seufzte.

"Ich versteh dich, Mann. Ich will dich nicht und weiß ich kann dich nicht überreden. Aber lass es dir auch von mir nochmal sagen: Du musst sie hören. Wenn dir Musik jemals etwas bedeutet hat, solltest du das wirklich tun."

"Musik hat mir mal was bedeutet. Viel zu viel bedeutet. Und Tilly ist jetzt tot. Deshalb. Deswegen. Fuck. Nein. Kommt nicht in Frage. Sag der komischen Punze das. Und nun... sorry, ich bin jetzt echt nicht gut drauf. Lass mich bitte allein. Halt."

Er war tatsächlich schon aufgesprungen.

"Die scheiß Noten. Ich hol sie dir."

"Das brauchst du nicht. Ich hab sie auch noch. Danke Mann, echt, danke. Ich versteh ja, dass dich die ganze Sache aufwühlt. Hier."

Er reichte mir einen USB-Stick.

"Was soll ich damit?"

"Das ist unser letztes Demo. Unsere eigenen Stücke. Mit ihrem Gesang. Du brauchst ja nicht gleich zur Probe kommen. Aber höre sie dir ruhig mal an."

"Scheiße. Wenn dich das glücklich macht, leg "s da ab."

"Gibst du mir deine Nummer? Du hast doch ein Handy, oder?"

"Na, so Old-School bin ich dann auch nicht."

Kopfschüttelnd schrieb ich ihm meine Nummer auf, und drängte ihn aus der Wohnung. Verflucht. Warum musste mich die Vergangenheit jetzt einholen? Ausgerechnet jetzt. ___

Musik. Damals war sie mein Leben gewesen. Hatte sie meine Gedanken und meine Träume bestimmt. Hatte sie mich blind gemacht, für die Tiefe der Ohnmacht, mit der Tilly ihr Leben mit ihrer schweren Krankheit verbrachte. Meist war sie ja auf irgendwas gewesen, Pillen vom Doktor, Pillen von der Straße, Kokain, Heroin. Nie abhängig. Fast nie nüchtern.

Mal überschäumend vor Freude und Glück. Mal in tiefster Hölle und Angst, den Verstand zu verlieren. Therapien, die nicht halfen. Ärzte, die ihr nicht zuhörten und immer neue Pillen verschrieben. Und ich, der ihr immer wieder nur von den eigenen Träumen erzählte, deren Erfüllung uns beide befreien sollte. Sie um Zeit bat, um Geduld. Um Stärke. Die sie niemals hatte. Niemals haben konnte.

Ich starrte auf den Bildschirm, wo der rote Kanal meines letzten Bildes zusammengerechnet wurde.

Musik. Auch nach Tillys Tod hatte sie mich nicht in Ruhe gelassen. Ich hörte ständig Musik. Nicht von der Konserve, ich hörte Musik in meinem Kopf. Vieles davon hatte ich als Stücke aufgeschrieben, als ich noch in der Band war. Sie hörte aber auch nicht auf, als alles schon vorbei war.

Ich verließ Deutschland nach Tillys Tod, lebte kurz in Amsterdam und dann lange in London. Lebte mit Musikern in WGs, aber ließ mich nie wieder zu einer Jam oder anderem überreden.

Lernte eine andere Art von Musik kennen, elektronische Tanzmusik, House, Trance, Techno. Und erst als ich einen Weg fand, mich mit Musik zu beschäftigen, ohne selbst welche zu machen, hörten die kreischenden Gitarren in meinem Kopf endlich auf.

Ich wurde ein DJ, nicht mal ein schlechter, erst auf Partys, später in Clubs. Verdiente ganz ordentlich zu dem Gehalt von meinem Bürojob dazu. Hatte Fans. Keinen Ruhm. Keinen Durchbruch. Kein Ziel. Nur Musik.

Und dann Verantwortung. Nicht mehr für Tilly, für meine Mutter. Die an Alzheimer erkrankte. Die Rückkehr nach Deutschland, um für sie da zu sein. Einmal für jemand wichtigem in meinem Leben da zu sein. Ich pflegte sie neun Jahre. Bis es nicht mehr ging, und wir sie in ein Altersheim brachten, wo sie ein halbes Jahr später starb. Ich saß bis zu ihrem letzten Atemzug an ihrem Bett.

Ging nach Berlin, weil die Firma, für die ich zu der Zeit noch arbeitete, ihren Hauptsitz dorthin verlegte. Und ein Jahr später pleiteging. Arbeitete als Sprachlehrer. Weil das nicht viel abwarf, fing ich dann mit Übersetzen an. Und etablierte mich ausreichend, um dies zu einer steten und völlig ausreichenden Einnahmequelle zu machen.

Mied Frauen. Nach Tilly hatte ich ohnehin nie wieder eine ernsthafte Beziehung gehabt. Viel Sex in England. Fast keinen in Deutschland. Vor drei Jahren eine kurze Affäre mit einer verheirateten Frau. Mied Clubs, fühlte mich auch bereits zu alt dafür. Wartete eigentlich nur noch auf das Verlöschen meines Lebens. Und das Verklingen der Musik.

Hörte immer noch Musik, wenn ich es nicht erwartete.

Das hörte erst auf, als ich die Sterne sah. Die Weite, die Größe des Weltraums, unseres Universums oder Multiversums, wie immer man das sehen will. Die Erhabenheit, die wahren Dimensionen von Zeit und Raum. Wie klein, wie bedeutungslos, ein Leben doch war, was für ein winziger Tropfen von Zeit und Gestalt in einem unfassbar großen Ozean.

Und Stille. Wunderbare, seligmachende Stille. Wenn ich mich nicht gerade ärgerte. Fuck. Ich hatte irgendwelche Einzelbilder übersehen, auf denen Flugzeuge durchs Bild flogen und wegen der Belichtungszeit lange Streifen zogen. Hatte ich sie nicht vorher durchgesehen? Die Erinnerungen an die Vergangenheit setzten mir zu. Hatten mich mehr aufgewühlt, als ich mir eingestehen wollte. Ich wusste nicht mehr wirklich, was ich tat.

Verflucht, lass es für heute. Mach dir irgendeinen Scheiß auf Netflix an. Trink ein paar Bier und komm runter. SMS von Helge. Damit auch ich seine Nummer habe.

Der Stick lag noch auf meinem Wohnzimmertisch. Na gut, dann hörte ich mir die Frau mal an. Was denn da so wahnsinnig besonders an ihrer Stimme sein sollte. Als symbolische Geste für mich selbst hatte ich bei meinem letzten Umzug meine Stereoanlage weggeschmissen. Hatte den Computer für Filme und selten hörte ich noch mal Musik, meist alte Mixe von mir und Freunden aus London, dafür reichten auch die Speaker vom PC.

Das erste Stück. Okay, klang nicht unprofessionell. Aber ich verstand schnell, was Helge gemeint hatte. Das war sauber. Nicht gut. Nicht schlecht. Nichts Besonderes halt. Bis sie anfing zu singen.

Scheiße.

Wie kann man Musik, eine Stimme beschreiben? Mit vielen, sinnlosen Worten. Das einzig Wesentliche, was man beschreiben kann und sollte, ist was sie in einem auslöst. Diese Stimme traf mich mitten drin. Es war unglaublich. Eine Wucht, eine Kraft, die mich völlig wegwehte. Von mir nichts übrig ließ. Mir unter die Haut ging. Mich direkt anging. Mich wegspülte, mich mitnahm.

Und doch, nur andeutete. Weil das, was ihr da vorgegeben wurde, ihrem Potential nicht annähernd gerecht wurde. Helge hatte völlig Recht. Diese Frau hatte Großes vor sich. Diese Band war es nicht. Konnte es nicht sein.

Kritisch hörte ich den Rest des Demos. Sie war einzigartig, brillant, unglaublich gut. Der Rest der Musiker in Ordnung, Helge hatte viel dazu gelernt, ragte aber nicht heraus. Der Drummer war hervorragend, der Keyboarder mittelmäßig. Der Gitarrist würde meine Stücke spielen können, meine Soli niemals. Das hatte weniger damit zu tun, dass er nicht fingerfertig genug war. Es lag vor allem an meiner Technik.

Im Gegensatz zu fast allen Gitarristen in Rockbands spielte ich nie mit Plektron, sondern meinen Fingernägeln, die ich lang wachsen ließ und mit Acryl verhärtete. Daraus ergaben sich andere Optionen, nämlich mehrere Saiten gleichzeitig anzureißen oder zu spielen, wobei ich mit dem Nagel meines Zeigefingers Geschwindigkeiten des Wechselschlages erreichte, die mit einem Plektron kaum hinzubekommen waren. Der resultierende Sound war organischer, natürlicher, dabei gleichzeitig schräger.

Und einzigartig. Niemand sonst spielte damals diese Technik, na ja schon, aber bei ganz anderer Musik. Das hatte uns den Plattenvertrag eingebracht. Das hatte mir den Traum von vollen Hallen, bewundernden Fans und Anerkennung in der Szene eingebracht. Und Tilly den Tod.

Ich schaffte es nicht einmal mehr, alle Stücke zu hören. Es war zu viel. Alles, was ich wollte war Stille. Und fand nur Leere. ___

Ich hörte mir das Demo kein zweites Mal an. Beruhigte mich wieder. Freute mich auf das gute Wetter, dass sie für den Folgetag angesagt hatten. Seit Helges Besuch waren vielleicht zwei Wochen vergangen. Mein Handy klingelte.

"Ja bitte?"

"Hallo."

Ich musste mich setzen, war vom Computer aufgestanden um das Handy vom Tisch zu nehmen. Das war sie, Carol. Ich war sprachlos. Eine unnatürliche lange Pause entstand.

"Du hast mich gehört?", kam es schließlich.

"Ja. Du bist Carol."

"Genau. Helge hat mir deine Nummer gegeben. Er traut sich nicht, dich anzurufen. Ich möchte, dass du uns hilfst."

Ihre Stimme war nicht weniger ausdrucksstark, wenn sie nicht sang. Voller feiner Nuancen und Vibrationen, voller Gefühl und voller Ruhe. Wenn sie ihre Gefühle nicht zeigte, in ihrer Stimme waren sie klar zu erkennen. Vielleicht sprach sie deshalb nicht viel.

"Ehm... womit?"

"Deine Stücke. Lippe kriegt nicht alles hin. Helge konnte ihm nicht erklären, wie du was machst."

"Verstehe. Aber er hat erklärt, wie das zustande kommt?"

"Ja."

"Und dass ich keine Gitarre mehr spiele?"

"Kommst du?"

"Was?"

"Wir proben morgen. Kommst du vorbei und hilfst uns? Helge textet dir die Details."

"Ich weiß nicht..."

"Das ist nicht wahr. Kommst du?"

"Okay. Ich weiß aber nicht..."

"Bis dann. Ich freue mich."

Und legte auf.

Fuck. Was war denn das?

Nun verstand ich, warum Helge ihr "Dawn" nicht verweigern konnte. Das war ja eine seltsame Frau. Die ich unbedingt sehen musste, das war mir völlig klar. Scheiße. Ich hatte nie einen Führerschein gemacht. Da ich mein Leben in Großstädten mit einem gut funktionierenden öffentlichen Transport zugebracht hatte, gab es nie einen Grund. Auch ihr Übungsraum war gut mit der U-Bahn zu erreichen.

Ich hatte mir die Lage der Adresse vorher auf Google Maps angesehen und den Weg grob eingeprägt. Ich erwischte aber den falschen Aufgang der U-Bahn und verlief mich prompt. So kam ich um einiges zu spät an. Der Raum war nicht schwer zu finden, denn sie probten bereits und man brauchte nur seinem Gehör folgen.

Als ich eintrat, fiedelte nur Lippe auf seiner Gitarre rum. Helge und Carol unterhielten sich mit dem Drummer und drehten mir den Rücken zu. Der Keyboarder sah mich als erster und nickte mir zu. Mein Besuch war offensichtlich angekündigt worden. Vor mir war Harro, ihr Techniker, der mit der großen Mische hantierte und irgendein Brummen versuchte wegzubekommen. Hinter ihm an der Wand waren ein paar Sessel, wohin ich mich vermutlich zurückziehen konnte.

Der Drummer zählte an und begann gleichzeitig mit Helge den knackigen Rhythmus von "The Edge". Das war mein Lieblingsstück von unserer Band gewesen. "Dawn" wäre es vermutlich geworden, wenn wir es wirklich weitergespielt hätten. Oh, Lippe hatte tatsächlich nicht begriffen, dass er leicht versetzt im Gegentakt spielen musste. Konnte er keine Noten lesen?

Der Keyboard-Part war neu, wir hatten kein Keyboard dabeigehabt. Das klang okay, machte es irgendwie runder und lenkte ein wenig von Lippes falschem Taktgefühl ab. Carol begann zu singen, immer noch dem Drummer zugewandt.

Gänsehaut wäre das falsche Wort, weil das nur die körperliche Reaktion beschreibt. Die Gänsehaut, die ich hier bekam, ging tiefer. Ich hatte Gänsehaut auf der Seele. Wow. Das war richtig, richtig gut. Und dann drehte sie sich um. Mein Herz blieb stehen. Ich hatte das eindeutige Gefühl, meinen Körper zu verlassen. Kurzes, platinblondes Haar. Ein verwirrendes, wie Schwingen aussehendes Tattoo auf ihrer Stirn. Und die hellsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Ich konnte nicht mal bestimmen, ob sie hell grau oder hell blau waren, vielleicht eine Mischung aus beidem.

Diese Augen. Dieser Blick. Der so tief in mich eindrang, dass ich mich völlig nackt und schutzlos vor ihr fand. Dazu die Stimme, die mich jetzt ansang. Mich noch umschmeichelte. Umwarb. Lockte. Das völlig ausdruckslose Gesicht, starr wie eine Puppe. Kein Engelsgesicht, aber schon das eines Wesens von ganz oben. Aus einer völlig anderen Welt. Weit über uns Sterblichen.

Herabgestiegen, um uns in ihrer grenzenlosen Güte das Privileg ihrer Gegenwart zu gewähren.

Oh Fuck. So wie sie es singt, macht es erst Sinn. Ich fass es nicht.

Sie blies mich einfach um. Ihre Augen lösten sich während des gesamten Songs nicht von mir. Sie bewegte sich ebenfalls nicht, nicht einmal die Arme. Was für eine Röhre von einer Stimme dazu. Erst zum Ende hin begann sie sich leicht, mit sparsamen Bewegungen zu öffnen und dem Finale noch eine andere Note zu geben. Abgefahren. Das war völlig geil. So gut hatte ich mein Stück noch nie gehört. Das passte.

"Hey, Alter, ist das geil, dass du gekommen bist", begrüßte mich Helge sofort, nachdem der letzte Ton gerade verklungen war.

"Sollte es so sein?", fragte Carol anstelle einer Begrüßung.

"Ja, das war brutal gut."

"Das meinte ich nicht, aber danke. Die Gitarre war falsch."

Lippe zog die Stirn kraus und wirkte angepisst. Verständlich.

"Ehm... ja, ich hatte mehr einen Gegentakt gespielt. Das macht es... Scheiße, mir fällt das deutsche Wort nicht ein... grittier... knackiger vielleicht."

"Ja, das ist es", gab sie zurück. "Mutiger."

"Ich verstehe nicht, wie ihr das meint", gab Lippe zurück.

Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er verstand es immer noch nicht.

"Du musst es ihm zeigen", trug mir Carol auf.

Nein. Ich rühre nie wieder eine Gitarre an. Das habe ich mir geschworen. Helge trat näher an sie heran, um ihr vielleicht noch einmal klar zu machen, was er ihr mit Sicherheit vorher bereits erzählt hatte.

"Bitte. Für mich."

Ich war wie in Trance, als ich mir die Gitarre vom verblüfften Lippe geben ließ. Das Plektron ausschlug. Er ist in diesem Moment wurde mir klar, dass ich mir eigentlich vor zwei Wochen die Fingernägel hatte schneiden wollen. Es aber nie getan hatte. Das Gefühl der von ihm angewärmten Stahlsaiten. Ein kurzer Blick auf die Gitarre selbst, eine mir unbekannte Marke, aber wohl etwas durchaus Edles.

Ein Nicken in Helges Richtung und der Drummer, Piet, ein Holländer, klopfte mit seinen Sticks den Takt an. Die Bass-line. Dann mein Einsatz. Fuck. Überhaupt kein Gefühl in den Händen. Und keine Kraft. Egal, für eine kurze Demonstration würde es reichen. Könnte Lippe sehen und hören, was ich meinte.

Es war wie ein Rausch. Plötzlich wieder Teil der Musik zu sein. In ihr. Von mir ausgehend.

Lippe machte immer noch eine leicht finstere Miene, aber folgte aufmerksam dem, was ich da tat. Dann nickte er. Ich hörte sofort auf zu spielen, erschrocken über das, was ich da gerade getan hatte. Ich hatte meinen Schwur gebrochen. War mir selbst untreu geworden. Für sie. Eilig gab ich ihm die Gitarre zurück.

Ihr Blick fing mich auf. Keine Dankbarkeit, nur die Rückversicherung, dass es so hatte kommen müssen. "Sollte es so sein?", hatte sie mich gefragt. Während Lippe still vor sich hin wippte und in Gedanken den Gegentakt nachvollzog, hatte ich ihre Stimme im Kopf. Den Satz in englischer Übersetzung. "Was it meant to be this way?"

Formte sich bereits zu einem Lied, was dann von dem erneuten Einsatz von Helge und Piet übertönt wurde. Lippe kam hinzu. Okay, er hatte es begriffen. Daumen hoch. Sein Gesichtsausdruck entspannte sich. Erschloss sich ihm auch der Sinn und das ganze Rhythmus-Gefüge. Und das Stück klang gleich noch einmal ein Tucken besser.

Ich zog mich zu den Sesseln zurück und lauschte andächtig diesem und den folgenden Versuchen, die immer und immer besser klangen. Und immer wieder in den Breaks hörte ich ihre Stimme, die sich um eine Melodie schlängelte. Und der Frage, die sie mir gestellt hatte.

"Alter, träumst du?"

Helge ließ sich auf den Sessel neben mir sinken.

"Sorry. War gerade in Gedanken woanders. Macht ihr Pause?"

"Zeigst du mir dein Solo?", fragte mich Lippe, der als einziger noch stand, alle anderen waren bereits in Bewegung, um sich abzusetzen. Inklusive ihr. Sie kam direkt auf mich zu. Es war völlig sinnlos, es ihm zu zeigen, aber ich konnte ihre Nähe nicht ertragen und floh zu ihm hin.

Was war das? Ich nahm sie nicht als Frau war, sie war etwas anderes. Fleisch gewordene Versuchung. Musik. Musik hatte sich einen Körper geschaffen, um mich nicht nur in Versuchung zu führen, sondern mich mit einem einfachen "Bitte" zu besiegen und mich wieder in sich hineinzuziehen. Völlig weggetreten nahm ich erneut die Gitarre.

Er hatte die Notenblätter vorgeholt.

"Ich hab das ja auch gehört, aber das kann doch gar nicht gehen. Hast du das mit mehreren Fingern gespielt?"

"Ja, dreien. Der Anfang ist Standard, nur mit einem, das kannst du mit dem Plektron auch. So."

Und spielte ihm die Einleitung vor. Die langsam genug war, um mich noch nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Seine Gitarre sang recht angenehm, also der Ton stand satt und weich nach dem Anschlag. Ich übertrieb die Bewegungen, so dass er genau nachvollziehen konnte, was ich wann einsetzte, um den eigentlich nicht ungewöhnlichen Lauf mit eigenwilligen Akzenten zu versehen.

Er nickte, und spielte es nah genug für einen ersten Versuch nach. Ich grinste ihn freundlich an. Das ging doch.

"Und dann?"

"Boah. Weiß nicht, ob ich das spielen kann, ich hab überhaupt keine Kraft in der Kralle und die nächste Sequenz ist auch schon für die Linke harsch."

Na ja, es reichte ja, wenn er verstand, dass da einiges mehr hinter stand. Ich brauchte drei Versuche, bis ich die nächsten vier Takte einigermaßen so wieder hinbekam, wie sie klingen mussten. Mir taten schon die Finger weh. Keine schützende Hornhaut. Das rächte sich sofort.

"Alter, du bist ja voll pervers. So kann man doch nicht Gitarre spielen."

Wie hatte ich Sprüche wie diesen vermisst. Er scheiterte schon an den Fingersätzen für die linke Hand.

"Lass doch. Mach es deins. Nimm die alte Einleitung und improvisier danach, finde deine eigene Lösung."

Er nickte.

"Okay. Ja, hast Recht. Bevor ich mir meine Finger verknote. Irgendwann musst du mir deine Technik mal zeigen."

Wir gingen gemeinsam zum Rest der Band. Carol saß auf meinem Sessel und rutschte auffordernd zur Seite, machte mir nicht nur Platz, sondern klar, wo mein Platz jetzt war. Es war eigenartig, ich war von mir selbst total distanziert, nahm mich in Handlung wahr, aber war mir überhaupt zugehörig. Ein reiner Beobachter meiner selbst.

Fühlte ihren Körper an meinem. Eine Verbundenheit, völlige Selbstverständlichkeit. Überhaupt nichts Sexuelles. So wie Geschwister. Was stellte sie mit mir an? Sah mich lange nur an. Mit diesen völlig irren, abgrundtiefen Augen, die mich vermutlich noch im Schlaf verfolgen würden.

"Danke", sagte sie schlicht.

"Du bist unglaublich", sprudelte mein wirkliches Empfinden aus mir heraus, bevor ich es erkennen und zensieren konnte.

Ein feines Lächeln war ihre einzige Reaktion.

"Du hast die ganzen Texte geschrieben?", wollte sie nach einer kurzen Pause wissen. Kein anderer wagte sich in das Gespräch einzumischen, obwohl Helge etwas unruhig hin und her wippte.

"Ja, das war aber bevor ich richtig Englisch konnte. Dementsprechend quer sind einige von ihnen. Ich hab gern lange, eindrucksvoll klingende Worte verwendet, ohne wirklich zu wissen, was sie bedeuteten und wie man sie tatsächlich einsetzt."

"Verstehe. Du hast in London gelebt?"

"Ja, fast zehn Jahre. Warum?"

"Ich auch."

Na, sicher nicht zu meiner Zeit. Mir fiel auf, dass ich ihr Alter gar nicht einschätzen konnte. Sie hätte Anfang oder Mitte zwanzig sein können. Diese Abgeklärtheit schien eher auf dreißig zu deuten. Was für eine ungewöhnliche Frau. Die mich immer mehr verwirrte.

"Können wir die Texte zusammen durchgehen?"

"Jetzt? Meinetwegen."

"Nein. Ein anderes Mal. Bei dir?"

"Warum?"

"Es ist besser so."

Das verrückte war, rational waren ihre Äußerungen überhaupt nicht verständlich. Emotional nahm ich alle Zwischentöne und Bedeutungsfelder in mich auf wie ein Schwamm. Und wusste ganz genau, was sie sagte. Sie spürte meine Zustimmung selbstverständlich. Trotzdem verbalisierte ich sie.

"Okay. Wann passt es dir?"

"Freitag. Ich komme zu dir. Ich habe deine Adresse." ___

Zwei enttäuschende Nächte. Von wegen klar. Wettervorhersage auf der Seite, die ich vornehmlich nutzte, praktisch in Echtzeit angepasst. Also nur bestätigt, was man tatsächlich am Himmel sah. Nämlich nichts. Wolken.

Neben meinem Teleskop stand seit gestern mein Gitarrenständer, auf dem meine Geliebte ruhte. Mit der ich Tilly um ihr Leben betrogen hatte.

Eine schwarze Schecter semi-acoustic, also eine E-Gitarre mit einem flachen Resonanzkörper, ein Hybrid, das Beste aus beiden Welten. Ein Einzelstück, für mich direkt vom Gitarrenbauer angefertigt. Seit dem Vortag mit neuen Saiten und immer noch absoluter Bundreinheit.

Daneben der kleine Übungsverstärker, den ich ebenfalls am Vortag angeschafft hatte. Und ein Multi-Effektgerät, dessen Möglichkeiten ich noch nicht einmal ansatzweise begriffen hatte, weil es einfach zu viele Optionen und Programmiermöglichkeiten gab.

Die Niederlage gegen die Musik und sie, als ihre Inkarnation, war ohnehin schon perfekt. Missmutig starrte ich auf die entzündeten Fingerkuppen meiner linken Hand. Es würde einige Zeit dauern, bis die Hornhaut sich bildete und ich dem Umfang spielen konnte, wie ich wollte. Noch länger, bis die Kraft und Geschmeidigkeit in beide Hände zurückkehrte.

Das Lied, das mir im Übungsraum eingefallen war und mich bis in den Schlaf verfolgt hatte, war so gut wie fertig. Die Phrase, der Aufhänger, war natürlich schon tausendmal in Songs verwendet worden. Das machte nichts. Mit ihrer Stimme, meiner Musik, würde es trotzdem etwas Einzigartiges werden. Trotzdem war ich mir unsicher, ob ich ihr das Stück schon jetzt vorspielen sollte.

Warten. Wir hatten keine Zeit ausgemacht, das war mir erst hinterher aufgefallen. Meine Adresse hatte sie sicher von Helge. Es war schon nach acht Uhr. Tatsächlich. Ausgerechnet heute schien es eine sternenklare Nacht zu werden. Ob ich sie anrufen sollte, um zu fragen? Immerhin hatte ich ihre Nummer natürlich nach ihrem Anruf abgespeichert.

Egal. Ich konnte ja mein Teleskop schon rausstellen, und alles soweit anschließen. Das würde mir dann die Wartezeit verkürzen. Ich öffnete beide Flügel der Balkontüre. Kühle Herbstluft wehte mir entgegen, als es klingelte. Schade. Endlich. Wie sie da steht. Wie eine Göttin.

Die schwarze Kleidung, ein schwarzer Lederrock und ein Bauchfrei-Top, trotz der relativen Kühle des Septemberabends und eine alte schwarze Fliegerjacke aus Leder darüber, stand ihr hervorragend. Das Gesicht absolut regungslos, wie bei unserer letzten Begegnung im Übungsraum.

"Hallo", kompensierte sie wieder mit ihrer Stimme für diesen Umstand.

"Komm rein."

Sie folgte mir in die Wohnung und ins Wohnzimmer, setzte sich jedoch auf das angebotene Sofa, sondern baute sich stattdessen vor meiner Gitarre auf. Strich zärtlich über Hals und Korpus, drehte sich kurz zu mir um und lächelte mich an. Dankbar. Glücklich.

Ich musste grinsen, fühlte mich einerseits ertappt, wie ein Schuljunge, andererseits froh, dass ich diese emotionale Reaktion in ihr Gesicht gekitzelt hatte. Ihr Blick wanderte zum Teleskop.

"Du siehst dir die Sterne an?"

"Ja. Das war bis vor kurzem mein ganzer Lebensinhalt. Die einzige Quelle für Faszination und Frustration", erklärte ich ihr, in der Hoffnung, sie könne es richtig einordnen. Und, in einem Anfall von Leichtigkeit:

"Und von welchem stammst du?"

Eine berechtigte Frage, wie ich fand. Von diesem Planeten konnte sie unmöglich kommen. Erneut zauberte ich damit ein feines Lächeln in ihr bildschönes Gesicht.

"Das ist ein Geheimnis."

Langsam kam/schwebte sie zum Sofa. Ihre Bewegungen waren unfassbar flüssig und leicht. Zog ihre Stiefletten aus und machte es sich auf dem Sofa bequem.

"Magst du was trinken?"

Ich hatte Wein eingekauft. Bei der Probe hatte sie als einzige kein Bier mitgetrunken, sondern nur Wasser. Trank sie vielleicht gar keinen Alkohol?

"Ja. Ein Glas Wasser."

"Gern. Ich habe aber auch Wein eingekauft."

"Das ist schön. Nicht jetzt. Wir arbeiten gleich."

Zur Bestätigung holte sie bereits Notenblätter aus ihrer schwarzen Stofftasche, die sie mitgebracht hatte, während ich in die Küche lief, um Getränke zu holen. Eine Puristin. Es passte zu ihr. Sie sortierte die Notenblätter noch, als ich mit den Gläsern zurückkam. Was mir Gelegenheit verschaffte, sie mir anzusehen.

Um ihren freiliegenden Bauchnabel herum hatte sie eine dem Stirn-Tattoo ähnelnde Zeichnung, von ineinander verschlungenen Linien, die etwas Hypnotisches an sich hatten. Zwei funkelnde Steine im Bauchnabel selbst, es hätte mich nicht gewundert, wenn das echte Diamanten waren. Schmale Hüften, kleine Brüste, die zu ihrem eher zierlichen Rahmen perfekt passten.

"Das hier. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Text verstehe. Die Worte natürlich schon, aber nicht, was du damit sagen willst."

Ich rückte näher an sie heran, damit ich mit auf das Notenblatt schauen konnte. Das wunderte mich nicht. Der Text war völlig schwachsinnig. Nicht alles, was ich zu der Zeit geschrieben hatte, war gut, oder tief, oder bedeutsam. Ich gestand ihr das schnell ein.

"Dann können wir ja umbauen. Was hast du gefühlt, was wolltest du sagen?"

"Nun... Ganz sicher bin ich mir nicht mehr. Es ist verdammt lange her. Übrigens, wir können auch Englisch sprechen, wenn dir das lieber ist. Daran erinnere ich mich noch sehr gut."

"Nein. Ich will Deutsch beherrschen. Ich bin noch eine Weile hier."

"Bis dein Mutterschiff dich wieder abholt?"

Diesmal verzog sie keine Miene.

"Jeder findet, dass ich seltsam bin. Daran habe ich mich gewöhnt. Das liegt daran, dass mich niemand kennt."

"Lerne ich dich kennen?"

"Ja. Du und niemand sonst."

Eine Auszeichnung, die mich glücklich machte. Selig machte. Und irgendwie auch Angst hervorrief.

"Mir gefällt die Melodie. Wenn du willst, geben wir dem Lied eine neue Bedeutung, einen neuen Inhalt."

"Ja, vielleicht lässt es sich retten. Hast du eine Idee?"

"Vielleicht, wie du mich wahrnimmst? Uns?"

Sie betrachtete mich aufmerksam, als ich nicht gleich antwortete.

"Das hast du schon in ein anderes Stück gepackt. Du hast einen neuen Song", stellte sie als Faktum in den Raum. Woher konnte sie das wissen?

"Ja, ich habe einen neuen Song. Woher weißt du das?", gab ich mit einem gewissen Unbehagen zurück. "Woher kennst du mich so gut?"

"Auch das bleibt ein Geheimnis. Spiel ihn für mich."

"Wollen wir nicht erst mit dem hier weitermachen? Er ist noch nicht völlig fertig. Meine Hand will nicht so, wie ich will. Es fehlt noch was."

Keine Regung. Stumme Erwartung. Ich seufzte, schaltete den Verstärker an und kam mit meiner Gitarre zurück. Stellte sie zunächst ab, um dann die Notenblätter von meinem Schreibtisch zu holen. Auswendig kannte ich den Text zwar schon, aber das Ausmaß der Nervosität, die mich in diesen Momenten schüttelte, ließ es sicherer erscheinen, alle erdenklichen Hilfen einzusetzen.

"Ehm... okay, der Song heißt: "Be that way". Meine Stimme... nun, ich hoffe, die Melodie lässt sich trotzdem erahnen."

Sie zog einfach den Score zu sich heran.

"Spiel. Ich singe."

Verblüfft starrte ich sie noch ein paar Sekunden an. Ich war nicht an Vollblutmusiker gewöhnt, die ein völlig unbekanntes Stück einfach vom Blatt spielen oder singen konnten. Ich würde mich gerne daran gewöhnen. Das ersparte mir zumindest hier so einige Peinlichkeiten.

Okay. Dann los. Ich spielte den ersten Akkord, um sofort abzubrechen, aufzustehen und den richtigen Sound am Effektgerät einzustellen. Kurzes Testen - ja, so sollte es klingen. Sie sah nicht einmal auf die Noten. Sah nur mich an.

Erst als ich die ersten Takte angespielt hatte, zog sie die beiden Notenblätter heran und begann ihren Einsatz perfekt. Fast hätte ich vor Überraschung mit dem Spielen aufgehört. Sie brachte den Song exakt so, wie ich ihn in meinem Kopf gehört hatte, jede Intonation, jede Nuance. Nur beim Refrain, den sie in ähnlicher Weise begonnen hatte, setzte sie sogar noch einen drauf, spielte damit, spielte mit mir.

Mir war schon klar, dass mein Gesichtsausdruck nach dem Verklingen des Schlussakkords alles andere als intelligent gewirkt haben musste. Mein Mund stand immer noch offen. Und sie sah mich nur an. Völlig regungslos. Verunsicherte mich, erschütterte mich in meinem Wesen, wie das noch nie jemand gelungen war. Verwirrt stellte ich die Gitarre ab. Warum sagte sie nichts?

Kaum war ich auf das Sofa zurückgekehrt, schlang sie ihre Arme um mich. Presste ihre weichen Lippen auf meine, drang mit ihrer Zunge in meinem Mund ein. Küsste mich ruhig, zärtlich und löste sich nach wenigen Augenblicken schon wieder von mir. Als hätte sie einen Pfropfen gelöst, schäumte jetzt alles in mir hoch, was ich längst vergessen und verloren geglaubt hatte, griff ich nach ihrem Kopf, um sie wieder zu meinen Lippen zu führen.

Sie ließ es nicht zu, löste sich von mir und schüttelte den Kopf.

"Noch nicht jetzt. Es ist zu früh."

Ich verstand nicht was sie meinte. Ich verstand gar nichts mehr. Was sie dazu bewogen hatte, mich zu küssen, was da in ihr, aber auch und vor allem in mir gerade vorging. So verwirrt war ich meinem ganzen Leben noch nicht gewesen. Ich musste irgendeine greifbare Realität finden, an der ich mich festmachen konnte.

"Ich... es tut mir leid. Ich..."

"Das muss dir nicht leidtun. Einen Schritt nach dem anderen."

Was meinte sie? Es wurde mir nicht klarer.

"Ich begreife gerade nichts mehr, sorry, du bringst mich total ins Rotieren. Aber... der Song gefällt dir?"

"Ich liebe ihn, so wie ich noch nie ein Stück Musik auf dieser Welt geliebt habe. Das ist der Anfang unserer gemeinsamen Geschichte."

Das wiederum verstand ich genau. Weil das exakt meine Gefühle waren. Fassungslos starrte ich in das überirdisch schöne Gesicht dieser Frau. Und der Musik. Unserer gemeinsamen Zukunft.

"Spiel es nochmal. Vergiss alles, was vorher war. Gib mir unsere Musik."

Wir spielten ihn noch dreimal. Jedes Mal war er um eine weitere Nuance reicher, jedes Mal trotzdem in sich vollkommen. Das Gefühl hatte ich noch mit keinem meiner Songs gehabt. Schon beim zweiten Mal schaute sie kaum mehr auf das Notenblatt. Beim dritten sah sie mich durchgängig an.

Ich war verliebt. Nicht in sie, in uns. In unsere Musik. Meinte sie das? Eins nach dem anderen? Es fühlte sich so an. Da wuchs etwas Wunderbares, Reines, Tiefes, was in diesem Moment nichts, aber auch rein gar nichts anderes mehr brauchte.

"Jetzt kannst du mir einen Wein bringen."

Das war eine hervorragende Idee.

"Ich habe einen Rotwein, das ist ein Merlot und einen Weißwein, einen Chablis. Was möchtest du?"

"Den Chablis."

Ich hatte gehofft, sie würde da sagen. Nach dem war mir auch, und ich wollte keine zwei Flaschen öffnen. Ich brachte ihn und die Gläser aus der Küche. Sie wühlte kurz in ihrer Tasche.

"Wollen wir denn noch an dem anderen Stück arbeiten?", versuchte ich den weiteren Ablauf des Abends abzuschätzen.

"Nein. Das kann ich jetzt nicht mehr. Deine alten Songs... sind wahnsinnig gut. Aber das eben, das war unser Sound. Das war ein einziger, langer Orgasmus für mich. Oder vier davon."

Ihr Gesicht war völlig verändert, weich, offen, total tiefenentspannt. Ja, das mit dem Orgasmus kam hin. So ähnlich hatte sich das für mich auch angefühlt. Fehlte eigentlich nur...

Sie zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, mit dem Feuerzeug, was sie wohl nicht gleich gefunden hatte, zog zwei Kippen raus. Steckte die erste an und stopfte sie in meinen Mund. Bei der Probe hatte sie nicht geraucht.

"Kannst du Gedanken lesen?"

"Nicht direkt. Ich fühle manchmal, was andere fühlen. Wenn es sehr stark ist. Meine Mutter kann das auch. Sie versteht es als eine Form von Intuition, eine Sofortinterpretation von tausenden gleichzeitig ankommenden Körpersignalen des anderen. Ich bin mir nicht sicher, wie es zustande kommt. Ihre Erklärung könnte aber stimmen."

"Und deshalb zeigst du deine eigenen Gefühle nicht?"

"Ja, ich blende mich aus. Nicht nur wegen der Gefühle der anderen, sondern oft nur der Klarheit halber. Du verstehst, was ich meine?"

Ich nickte. Wieder, rational war das nicht auf zu bröseln. Und doch wusste ich exakt, wovon sie sprach.

Mir wurde etwas schwindelig. Das war die Zigarette. Die erste seit zehn Jahren. Ich zuckte innerlich mit den Schultern. Das konnte mich nun nicht im Mindesten tangieren. Normal war das alles nicht mehr.

"Wird Lippe das spielen können?", wollte sie wissen.

"Ja, sollte er ohne weiteres können. Ich achte drauf, es nicht mit meiner Technik zu komplizieren."

"Tu das nicht. Wenn er es nicht kann, spielst du es eben."

"Und wer spielt es dann on Stage?"

"Na du."

"Ich bin vierundfünfzig. Ich kehre nicht mehr auf die Bühne zurück."

"Doch, das wirst du."

Ja, wenn sie das wollte, würde ich das tun. Das war mir völlig klar. Es machte keinen Sinn, ihr zu widersprechen.

"Du kannst Lippe nicht einfach rausschmeißen. Es ist doch auch seine Band."

"Nein, das ist sie nicht. Nicht mehr. Und wir brauchen ihn nicht rauszuschmeißen. Er wird von selbst gehen."

Auch damit konnte sie Recht haben.

"Zeigst du mir die Sterne? Vorhin war der Himmel ganz klar."

Nichts lieber als das.

Ich erklärte ihr die Limitationen der visuellen Observation und zeigte ihr einige Objekte, die trotzdem beeindruckend genug aussahen, wie Kugelsternhaufen und den Saturn, der gerade ganz gut zu sehen war. Hinterher noch welche von meinen Fotos. Wie unglaublich gut es tat, auch das mit ihr teilen zu können. Ich fühlte mich so völlig und vollständig angenommen, wie noch nie in meinem Leben.

Ja, ich reagierte vor allem auf das hier beginnende Wir, was Musik betraf. Den wunderbaren Menschen, welchen ich mehr und mehr kennenlernte. Eine Persönlichkeit, die mich ehrlich gesagt, völlig überforderte, weil sie mich so wehrlos machte. Aber ich bemerkte ebenfalls sehr deutlich, dass ich auf sie als Frau reagierte. Ihre Nähe mich auflud. Dinge in mir freisetzte.

Es blieb ihr nicht verborgen. Sie reagierte einfach nicht darauf. Außer wissend zu lächeln und nachdenklich zu wirken. Der Abschied von ihr war grausam. Ich hätte sie am liebsten in meiner Wohnung eingesperrt, einfach nicht mehr wegegelassen. Wir umarmten uns noch einmal. Dann war sie verschwunden. ___

Bei der nächsten Probe war ich selbstverständlich dabei. Ich hatte am Gitarrenpart nichts geändert und Lippe damit keine Schwierigkeiten. Alle waren begeistert, Helge grinste während der gesamten Probe wie ein Honigkuchenpferd. Nur Lippe sah mich öfter prüfend an, was er schon getan hatte, als ich diesmal mitsamt meiner Geliebten auflief. Ganz wohl war ihm dabei offensichtlich nicht.

Zurecht. Ich hatte schon zwei weitere Stücke geschrieben. Die ich ihnen noch nicht vorspielte, weil ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich das wollte. Bei einem würde er Schwierigkeiten haben. Beim anderen scheitern. Es war mir nicht egal, was ich damit auslöste. Und doch zählte für mich vor allem und fast ausschließlich Carol.

Die mich gewähren ließ, nichts forcierte. Völlig regungslos unseren ersten Triumph mit ihrer, jetzt schon unserer Band, feierte. Wir beide schlugen alle Angebote, nachhause gefahren zu werden, ab und gingen gemeinsam zur U-Bahn.

"Ich hab zwei neue Stücke."

"Ich habe gehofft, dass du das sagen würdest. Jetzt brechen alle Dämme?"

"Vielleicht. Ich möchte, dass du sie vor den anderen hörst. Willst du?"

"Natürlich. Morgen?"

"Warum nicht jetzt?"

"Ich habe nicht alles dabei, was du brauchst. Denk nicht drüber nach. Ich komme morgen."

Mehr sprachen wir nicht. Auch nicht in der U-Bahn, wo sie allerdings schon nach zwei Stationen umsteigen mussten. Ich verstand sie noch nicht. Verstand mich selber nicht mehr, aber eines wurde mir klar: Ich war drauf und dran, mich in diese Frau zu verlieben, nicht nur in die Musik. Sie küsste mich zum Abschied auf die Wange.

Warten. Schon nach neun Uhr. Beim nächsten Mal sollten wir wirklich eine Zeit ausmachen. Dann endlich, das erlösende Klingeln an der Tür. Die Beschleunigung des Herzschlags, als ich ihre Stimme in der Gegensprechanlage hörte. Der Schock, als ich die Türe für sie öffnete.

Eine zweite Frau, vielleicht etwas älter, Mitte dreißig, verwegene blaue Frisur, stand kaugummikauend neben ihr und grinste mich freundlich an.

"Hallo. Das ist Josie, meine Freundin. Sie wollte gerne mit."

Ich beeilte mich, die beiden herein zu bitten. Zu allem Überfluss hatte sie wieder ihr Puppengesicht aufgesetzt, ließ absolut nicht erkennen, was in ihr vorging. Nur mühsam erholte ich mich von meinem Schock, erinnerte mich meiner Pflichten als Gastgeber und bot beiden Getränken an. Josie entpuppte sich als Selbstversorgerin und öffnete zischend eine Dose Bier, Carol war wieder im Arbeitsmodus und der verlangte nach Wasser.

Das Wort Freundin hallte durch meinen Kopf. War das die Erklärung? War sie lesbisch, und das war ihre Partnerin? Keine von beiden sah eine Veranlassung, mich über den Grund ihres Hierseins in Kenntnis zu setzen. Josie war auch nicht die Plaudertasche, gab nur bekannt, dass sie unser Stück, was während der gestrigen Probe mitgeschnitten worden war, völlig geil fand.

Sie hatte einen starken amerikanischen Akzent, wie mir auffiel, bei Carol hörte man den kaum. Carol ließ ein Gespräch auch gar nicht erst zu, las bereits die Texte der beiden Stücke vom Notenpapier ab, legte sie dann weg und schaute mich in ihrer typischen, stummen Aufforderung an.

Ich seufzte und machte Verstärker und Klampfe klar. Es irritierte mich erheblich, dass wir einen Zuschauer hatten, obwohl ich selbstverständlich vor tausenden von solchen gespielt hatte. Diese hier brach aber in meine kleine Welt ein, die ich gerade im Begriff war zu etablieren, in das frische und doch so machtvolle Wir. Zusätzlich irritierte mich, dass sie mich unentwegt anschaute, wie Carol auch.

Erst die ersten Klänge des ersten neuen Stücks befreiten mich aus der Anspannung, lösten die Verkrampfung in dem Moment, wo Carol mein Lied sang, als hätte sie es tausend Mal zuvor getan, nie etwas anderes getan, als die Stimme in meinem Kopf völlig und vollständig abzubilden. Wieder war es ein kleiner Orgasmus, das Bild passte so wunderbar für unser beider Gefühl und ich konnte fühlen, dass es auch bei ihr so war.

Das Stück war zudem noch ein Tucken besser als "Be that way", dessen war ich mir nicht ohne Stolz bewusst.

"Wow, this is fucking unreal", wagte Josie in die einsetzende Stille in ihrer Muttersprache zu verkünden. "You are fucking amazing", schloss sie an und machte mit einem schnellen Blick klar, dass sie damit uns beide meinte. Auch Carol zeigte für einen Moment, was sie fühlte, um sich dann sofort auf das nächste Stück zu konzentrieren.

"Wir spielen es hinterher noch weiter. Aber das hier sieht anders aus. Ich will es hören."

Das war kein Wunder. Obwohl ich selbstverständlich noch immer weit von meinen alten Fertigkeiten entfernt war, war es doch das erste Showpiece für meine besondere Technik. Das hatte sie aufgrund der Noten natürlich sofort durchblickt. Auch, welches Statement dahinterstand. Welche Bereitschaft dahinter stand. Also gut. Jetzt gibt es kein Zurück.

Das Stück begann mit einem längeren Gitarren-Intro, halb Rhythmus, aber immer wieder von schnellen, fetzigen, schrägen Läufen durchsetzt, bis der Gesang einsetzte, wie von einem anderen Stern, ein perfekter Gegenpol zu der aufwühlenden, rauschhaften Gitarre, eine unterkühlte, klare, reine Stimme. Natürlich exakt so, wie ich sie mir vorgestellt hatte.

Dennoch ist es etwas ganz anderes, das in der Realität zu hören, bekam ich von unserer eigenen Darbietung eine Gänsehaut. Das war jenseits von Gut. Rock reinvented. Das hatte es noch nie gegeben. Und zeigte an, was uns beiden möglich war.

Das Wechselspiel, mein Zurücknehmen im Refrain, während sie aus der Unterkühlung als Vulkan hervorbrach. Und wieder die Umkehrung. Refrain, Umkehrung, Refrain, Überleitung zum Finale, in dem wir beide uns in voller Hitze trafen. in dem selbst ihre Züge von der Verzückung kündeten, die das in uns auslöste.

Nicht ich durfte sie umarmen, als der letzte schwere Akkord verklungen war, sondern Josie tat das, schlang ihre Arme um Carols Hals und lachte und schüttelte immer wieder nur den Kopf, wobei sie uns mitteilte, dass wir gottverdammt berühmt werden würden.

Küsste Carol auf das Tattoo auf ihrer Stirn. Kriegte sich für Minuten nicht mehr ein. Erst, nachdem sie den Rest ihrer Bierdose auf Ex geleert hatte. Es war mir egal. Carols Blick, ihr seliges Lächeln war mir Belohnung genug. Sie war hart gekommen. Ich auch.

Das Erlebnis reproduzierte sich, auch wenn es trotz erweiterter Interpretation und Einfügen neuer Nuancen nicht ganz an das erste Gefecht heranreichte. An dem anderen neuen Stück arbeiteten wir, fügten eine Überleitung hinzu.

Nur kurz kam mir in den Sinn, dass meine Nachbarn den netten, stillen älteren Mann nun von einer Seite kennenlernten, die neu und laut war. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass irgendjemand das nicht als Bereicherung empfand.

Es war schon fast Mitternacht, als ich endlich meine Gitarre abstellte und den Verstärker abschaltete. Josie hatte mittlerweile ihren Sechserträger bis auf zwei Dosen herunterkämpft und ich hatte ebenfalls das Gefühl, mir und Carol nun etwas gönnen zu können. Sie überraschte mich allerdings erneut, indem sie von Josie die beiden verbliebenen Dosen einforderte und mir eine reichte.

Und mir dabei einen Arm um den Hals schlang und ihre Lippen auf meine presste, mich leidenschaftlich küsste. Sich wieder blitzartig zurückzog. Grinsend ihre Bierdose öffnete. Und einen kurzen Blick mit Josie wechselte.

Die genau wusste, was jetzt von ihr erwartet wurde. Der Einzige, der völlig von allem überrollt wurde, war ich. Ich schaffte es noch, ebenfalls meine Dose zu öffnen und einen tiefen Schluck zu nehmen.

Sah auf Josie, die mich zunächst mit einem Blick ansah, der mir die Nackenhaare sträubte. Sich dann ihr Top über den Kopf zog. Ihren BH mit einer schnellen Bewegung öffnete und zur Seite warf. Über Carol hinüber kletterte und mich auf das Sofa drückte.

Bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, fühlte ich die nächsten Lippen auf meinen, das Eindringen ihrer Zunge, das sich fremd und ungewöhnlich anfühlte, weil sie einen Stud auf der Zunge hatte. Da sie beide Arme um mich geschlungen hatte, musste es wohl Carol gewesen sein, die mir die Bierdose aus der Hand nahm.

Josie gab mir überhaupt keine Chance irgendwie zu reagieren, ihre Hände zogen und zerrten an meinem Langarm-T-Shirt, bis sie es mir über den Kopf gezogen hatte. Sie drückte mich sofort wieder auf den Rücken und erstickte jeden Laut des Protestes, den ich ohnehin nicht hätte formulieren können, mit ihrer gierigen Zunge. Die dann meinen nackten Oberkörper erforschte.

An meinen Brustwarzen leckte, tiefer glitt. Und neben ihr tauchte Carols Gesicht in meinem Blickfeld auf, mit einem entspannten, befriedigtem Gesichtsausdruck, der mir die Rückversicherung gab, dass dies alles in Ordnung war, dass sie es war, die mir das geben wollte, es ihre Reaktion auf mein Begehren war, das sie gespürt hatte.

Beruhigend war das trotzdem nicht, denn was Josie da mit ihrer Zunge auf meinem Bauch anstellte, hatte ich in dieser Form auch noch nicht erlebt. Gleichzeitig bestimmten ihre Hände den weiteren Weg, öffnete sie bereits meinen Gürtel und dann meine Jeans. Während sich ihre Zunge in meine Bauchdecke bohrte, zog sie meine Hose hinunter, gleich mit den Boxern in einem Stück.

Das Ganze war bis zu diesem Zeitpunkt zwar völlig überwältigend, aber eben deshalb nicht stark erregend gewesen. Das änderte sich schlagartig, als ihre Lippen sich um mein freigelegtes Glied schlossen. Sie rutschte vom Sofa und kniete zwischen meinen Beinen. Mit stummer Faszination sah Carol zu, wie ihre Freundin nun nicht nur meine Lebensgeister weckte, um dann wieder in meinen Augen zu versinken, mit einem entrückten Gesichtsausdruck folgte, was Josie in mir auslöste.

Die mich zunächst nur aufpumpte, das allerdings in kürzester Zeit vollbrachte. Und fortan demonstrierte, dass sie sehr wohl auch ein Instrument beherrschte, nämlich das, was sie nun mit allem, was sie hatte, in einer Art und Weise bearbeitete, die mich schon in nicht allzu weiter Ferne die Englein singen hören ließ.

Ich wagte trotzdem nicht, mir das Spektakel anzuschauen, denn weiterhin war dies nur die eine, körperliche Ebene, auf der sich das abspielte, die zweite, emotionale, die sich im Blickkontakt mit Carol manifestierte, hielt mich völlig gefangen.

Wenn sie tatsächlich meine Empfindungen auffangen oder nachfühlen konnte, wusste sie in diesem Moment, dass ich nicht nur vor Liebe zu ihr fast verging, sondern auch, dass ihre Freundin in kürzester Zeit den Mund vollbekommen würde.

Tatsächlich sah ich am Rande meines Gesichtsfelds ihre Hand kurz über Josies Kopf streichen, die innehielt und aufstand. Ich nutzte dies, um mich aufzurichten und zu versuchen, Carol näherzukommen, vielleicht noch einen weiteren Kuss von ihr zu bekommen. Sie zog ihre Lippen nicht zurück, aber ihre fehlende Reaktion zeigte mir, dass dies nicht das war, was sie sich vorgestellt hatte.

Was das war, bekam ich umgehend präsentiert. Die mittlerweile völlig nackte Josie kletterte auf meinen Schoß, eine Hand umfasste meinen Schwanz und dirigierte ihn dorthin, wo sein Auftritt nun gefordert wurde. Vehement gefordert wurde. Und nach kurzer Begrüßung in voller Länge gefeiert. Die beiden Frauen tauschten einen Blick und Sekunden später wurde ich aufgeklärt, in welchem Rhythmus hier die Musik spielte.

Und diese Frau hatte einen Rhythmus im Blut und Sinn, der sich schwer metallisch anfühlte. Zum ersten Mal gab ich den Blickkontakt mit Carol auf und schaute direkt in das Gesicht der Frau, die mir gerade so viel Freude bereitete. Sehr wohl ebenfalls größten Genuss empfand, jede Sekunde auskostete. Jeden Zentimeter nutzte, der ihr für ihre Darbietung zur Verfügung stand.

Kurz unterbrach, als ich mit meinen Händen ihre vollen Brüste ergriff und walkte, dann anfing, mit dem Becken zu rollen. Sie lehnte sich nach vorn und küsste mich, brachte mit ihrer Zungenverzierung das Metall auch wieder in meinen Mundraum. Es war ja nun wirklich alles eine Weile her, aber ich konnte mich nicht erinnern, jemals so intensiv und gleichzeitig völlig gelassen geritten worden zu sein.

Ich schloss die Augen, fand meinen Mund wieder verwaist, spürte aber Atem auf mir, wusste auch ohne sie zu sehen, dass das Gesicht, das leicht meins berührte, Carols war. War aber unfähig noch mehr wahrzunehmen, denn die Gefühle in meinem Schoß nahmen mich völlig ein. Da Josie nun auch den Rhythmus änderte, leicht beschleunigte und die Bewegungen länger und heftiger gestaltete.

Ich öffnete die Augen, sah in das vor Lust und Begeisterung verzerrte Gesicht mit dem metallisch blauen Haar und Carol, die nur wenige Zentimeter von meinem Kopf entfernt meine Lust in sich aufsaugte.

Ich suchte wieder ihre Lippen, stöhnte in ihren sich leicht öffnende Mund, zog mich selbst zurück, denn Josie kam zum Ende des Stücks. Quittierte ihren eigenen Höhepunkt mit einem kurzen "Yes" und arbeite sauber weiter an meinem.

Hatte ein besonderes Finale im Sinn, Metall geht auch mit Speed. Geht auch brutal. Geht völlig ab. Ja. Ja. Ja. Ja. Jaaaaaa...

Zigarette. Danke, Carol. Danke, Josie. Danke. Danke. Danke.

Carol strich mein verschwitztes Haar aus der Stirn, streichelte sanft meine Wange. Sah mich aufmerksam und liebevoll an. Josie blieb auf mir sitzen, rauchte und grinste.

"Du bist noch hart", wechselte sie nun wieder ins Deutsche. "Willst du nochmal? War's lange her?"

"Das ist genug", antwortete Carol für mich.

Ich war ihr dankbar und mit ihr einer Meinung. Josie fügte sich dem Verdikt und unterbrach ihre leichten Bewegungen, blieb aber weiter auf mir sitzen.

"Ja. Aber... warum?", verbalisierte ich die Frage, die mich trotz allem noch bewegte. "Weil du es gebraucht hast. Ist das so schwer zu verstehen? Ich gebe dir, was du brauchst. Du gibst mir, was ich will", meinte sie mit ruhiger, geduldiger Stimme, wie man mit einem kleinen Kind spricht.

Ja, Mädel. Das habe ich verstanden. Normal ist das trotzdem nicht. Normal ist das alles nicht. Vielleicht auf deinem Planeten, hier nicht.

"Komm Josie, Zeit zu gehen."

"Sorry", gab diese ihrem Bedauern Ausdruck und entzog mir die Wärme ihres Körpers.

Nahm sich einen letzten Schluck aus meiner Bierdose, und zog sich dann zügig an.

"Ich schaue, ob ich für morgen alle zusammentrommeln kann. Ich will die Stücke einstudieren", informierte mich Carol während Josie das tat.

"Du willst klare Verhältnisse."

"Ja."

Wohl war mir nicht dabei. Es war nicht richtig. Und doch der einzige Weg.

Josie fiel mir um den Hals.

"Ich hoffe, du wirst es noch oft brauchen. Ihr zwei seid unglaublich", gab sie bekannt und küsste mich noch einmal wild.

Carol betrachtete die Szene mit regungsloser Miene.

"Bis morgen." ___

"Zwei neue Stücke? Wir haben doch nicht mal die alten drin. Was wird das?", wollte Lippe wissen, als ich meine Gitarre einstöpselte.

"Man muss diese Schübe nutzen. So oft kommen die nach meiner Erfahrung nicht", antwortete ich vorsichtig, aber ehrlich. Es war so. Mal schrieb ich acht Songs in einer Woche, mal kriegte ich einen ganzen Monat nichts hin. Im Moment war ich in der ersten Phase. An diesem Morgen hatte ich einen weiteren Song begonnen.

Der sich auf die letzte Nacht bezog. War es das, wollte sie mir bestimmte Erfahrungen verschaffen, die beeinflussten, was ich schrieb? Wollte sie deswegen nicht selbst mit mir ins Bett, weil die daraus resultierenden Stücke noch nicht angesagt waren? War es dafür zu früh? Ich bildete mir ein, sie und ihr Denken langsam immer besser zu verstehen. Ich konnte aber genauso gut voll daneben liegen.

"Okay, Helge, du kannst den Bass ruhig ein bisschen funky gestalten. Probiere es aus. Ich kann es mir mit einem normalen Lauf aber auch vorstellen."

Lippe starrte abwechselnd vom Notenblatt zu mir und versuchte sich einzuprägen, was ich da machte. Es war das erste neue Stück, also das, wo er noch halbwegs das Vermögen dazu hatte. Bei einigen Passagen verfinsterte sich sein Blick deutlich. Es war klar, dass er das als Zumutung empfand. Er würde an seine Grenzen gehen müssen. Das tut keiner gern.

Der Rest der Band war völlig aus dem Häuschen.

"Mann, du steckst echt voll davon. Das ist völlig geil. Ihr zwei habt euch gesucht und gefunden", gab Helge seiner Begeisterung Ausdruck. Piet spielte einen Tusch. Carol sah mich unbewegt an. Doch ihre Augen sagten: "Jetzt."

"Okay, das war das erste. Das zweite ist etwas komplexer."

Lippe schaute nur kurz auf das Notenblatt. Und dann zu mir. Zu Carol. Er trennte seine Gitarre vom Stimmgerät und packte sie ein. Es wurde so still, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte.

"Sorry Mann", versuchte ich ihn mit meinem echten Bedauern zu verabschieden. Er schüttelte nur den Kopf, zog seine Jacke über und stürmte aus dem Übungsraum. Die anderen schienen sehr wohl zu verstehen, was gerade passiert war, aber noch nicht vollständig, warum. Fragende Blicke an Carol und mich.

"Spiel es", meinte sie einfach.

Vier Minuten später wussten sie alles. Und wir waren eine Band. ___

Am nächsten Morgen setzte ich meine alte Kamera und einige gute Okulare bei Ebay rein, ohne die neue auch nur einmal getestet zu haben. Es war nicht mehr so wichtig. Wichtig war, dass ich mir einen ordentlichen Verstärker leisten konnte.

Was ich für den Übungsverstärker und das Effektgerät ausgegeben hatte, hatte das letzte Guthaben auf meinem Konto verbraucht. Nachdem ich mit Schulden mal Probleme gehabt hatte, gönnte ich mir nicht einmal einen Dispo auf meinem Konto. Natürlich würde Lippe seinen Verstärker über kurz oder lang aus dem Übungsraum räumen. Mit meinem Übungsverstärker konnte ich bei entsprechender Verstärkung über die PA eine kurze Zeit überbrücken. Aber es ging um mehr. Ich wollte meinen eigenen Sound wiederhaben. Oder neu erfinden. Ein bisschen von beidem. Ich wollte den Sound, den ich auf der Bühne spielen würde.

Na, schau an. Halben Tag drin, und die Gebote sind schon fast bei den Preisen angekommen, die ich erzielen will. Klingeln an der Tür?

Carol. Alleine.

"Hallo."

Ich bat sie rein und wartete auf die Erklärung für ihren Besuch.

"Du hast ein neues Stück, nicht wahr?"

Wir spielten es gemeinsam. Es war ebenfalls etwas ganz Besonderes.

"Der Rhythmus ist exakt so, wie sie dich gefickt hat", verkündete sie, zeigte dabei, wie gut sie das Stück durchblickt hatte.

"Ja, gefällt es dir?"

"Ja und nein. Das Stück ist hervorragend. Ich wäre nur gerne an der Entstehung mehr beteiligt gewesen."

Oh mein Gott. Jetzt machte sie alle Schleusen auf. Ließ mich fühlen, was da in ihr vorging.

"Du weißt genau..."

"Ja, ich habe es so und nicht anders gewollt."

Ich seufzte. Und jetzt?

"Heute bist du allein gekommen."

Die Luft lud sich auf, ich meinte, sie knistern zu fühlen.

"Ja, heute bin ich allein."

Oh. Das ist... oh mein Gott. Du willst?

"Zieh dich aus."

Das Blut rauschte in meinen Ohren, mein Herz schlug bedrohlich hart und schnell. Warum legst du nicht deine Maske ab? Warum wird dein Gesicht wieder starr?

Auch sie entledigte sich ihrer Kleidung. Bis auf den Slip. Atemlos starrte ich auf diesen wunderbaren, zerbrechlich wirkenden Körper, die kleinen Brüste, die schmalen Hüften, das sanft geschwungene Becken, das den Eindruck von überirdischer Perfektion komplettierte. Ein Wesen von einem anderen Stern. Überwältigt war ich auch in diesem Moment. Aber diesmal brauchte ich keinerlei zusätzliche Stimulation. Das Blut pochte in meinem harten Schwanz.

"Vergib mir", begann sie mein Martyrium.

Unser Martyrium.

Sprengte jede Grenze sexueller Erfahrung, wie ich sie kannte. Ließ mich ihren Körper fühlen, immer wieder, aber immer nur wie zufällig, entzog sich allem, meinen Händen, meinem Mund, meinem pochenden Schwanz. Über dem sie knieend so dicht verharrte, dass ich schon fast den Stoff ihres winzigen Slips berührte, aber nur fast. Die Hitze, die sich darunter befand, kam an. Machte alles noch unerträglicher, noch unverständlicher, noch grausamer.

Waren wir in einem Zustand angekommen, wo wir vor Sehnsucht und Lust vergingen. Hauchte sie meinen zitternden und bebenden Körper mit ihrem heißen Atem an. Tat dies als Krönung aller Folter sogar meinem verzweifelten Schwanz an. Berührte ihn trotzdem nicht, ließ ihn nirgendwo ein. Tanzte mit mir einen unfassbaren Reigen sich immer weiter steigernder körperlicher Empfindungen, die nicht von Berührung ausgelöst wurden.

Hatte ich nach fast einer halben Stunde dieser Qual, das Gefühl, es nicht mehr ertragen zu können, ohne den Verstand zu verlieren. Gleichzeitig das Gefühl, ohne jedwede Berührung kommen zu können. Was trog.

Es gab keine Erlösung, keine Gnade, kein Mitleid. Keine Hoffnung. Wollten meine Hände all dem ein Ende bereiten, aber sie griff meine Handgelenke und wehrte alle verzweifelten Versuche von mir ab, völlig ohne Kraft, wie beim Tai-Chi, einfach nur ablenkend, einfach nur meine Bewegungsrichtung ändernd.

"Hör bitte auf, ich ertrag es nicht mehr", klagte meine Stimme sie und ihren Körper an.

"Ja. Ich fühle es."

Fasste sich in ihren Slip. Führte einen Finger mit ihrem Geschmack in meinen Mund. Zog ihn wieder zurück und näherte sich mit ihren Lippen. Küsste mich ganz leicht und zog die Lippen wieder zurück, strich leicht mit ihrer Wange über mein Gesicht und flüsterte mir ins Ohr.

"Bald. Wirst du in mir sein. So tief in mir sein. Werden wir eins sein. Für immer eins sein. Werden wir uns erfüllen. Werden wir Sterne sehen. Und Sterne sein. Bald. Bald. Bald."

Das konnte kein Mensch sein. Kein Mensch konnte so viel Verheißung und gleichzeitig so viel Grausamkeit einem anderen Menschen anbieten, so tief und heftig in der Seele eines anderen Menschen wühlen, so auf ein einziges Gefühl übermächtiger Sehnsucht reduzieren. Ich verging nach ihr, alles, was ich war, verging in dieser Sehnsucht.

Schwang auswärts und kehrte mit einer Melodie zurück. Die alles sprengte, alles reinigte, alles neu ordnete. Alles aus mir hervorholte. Allen Schmerz, alle Verzweiflung, Schuld, Angst, Hoffnung. Einsamkeit. Brach alles aus mir in einer nicht enden wollenden Tränenflut aus mir hervor. Liebe und Tod. Tilly. Tilly. Tilly. Verging in einer Supernova. Formte aus dem Sternenstaub Musik.

Ich sah nicht einmal, dass sie sich anzog, kam erst wieder zu mir, als sie mich ebenfalls mit Tränen in den Augen noch ein letztes Mal küsste und dann aus der Wohnung rannte. Mich zurückließ, im tiefsten Wesen erschüttert und doch nicht allein.

Denn da war nicht nur die Melodie, das Lied, was alle vorherigen an Bedeutung übertraf, sondern auch mit dieser Verheißung, dass Musik wieder alles wieder zusammenfügte, was hier zu Scherben gegangen war.

Eine Zukunft eröffnete, jenseits von allem und jedem, was ich mir hatte vorstellen können. Unsere Zukunft. Eine Liebe, jenseits von aller Lust und doch in dieser sich erfüllend. Bald. Und ein Lied. Unser Lied.

Unser Griff nach den Sternen. ___

Ich hielt es nur einen Tag aus. Das Stück war fertig. Ich hatte mir vorgenommen, es ihr nicht gleich vorzuspielen. Einen Tag lang leistete ich Widerstand. Am nächsten Tag würden wir uns bei der Probe sehen. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich rief sie an.

"Hallo?"

"Das Stück ist fertig."

"Ich komme. Bis gleich."

Zwanzig Minuten später stand sie vor meiner Tür. Stumm nahm ich sie in meine Arme.

"Vergib mir", bat sie mich erneut.

"Da ist nichts, was ich vergeben müsste."

"Ich hatte nicht das Recht, dir das anzutun."

"Doch das hast du. Ich liebe dich."

"Ich liebe dich auch."

Wir küssten uns zärtlich. Ihr Gesicht war völlig verwandelt. Weich und zart und verletzlich. Wie ein Wesen aus Fleisch und Blut. Ich löste mich von ihr und holte meine Gitarre. Sie schaute sich mit zitternden Händen das Notenblatt an. Den Score von "Soon".

Natürlich war mir klar, dass sie auf ihre eigenwillige Art immer wieder Teile des Textes und dessen Inhalt vorgab. Eine Struktur, die sich dann von selbst entfaltete. Sich ausrollte. Wir saßen stumm und warteten, bis es sich richtig anfühlte.

Zum ersten Mal das Lied zu spielen, das unser Leben verändern würde. Wie wir es bis zum Ende schafften, ist eigentlich nicht zu erklären. Das hatte nichts mehr mit einem Höhepunkt zu tun. Es war vom eigenen Tun mitten in diesem überwältigt zu sein. An zwei Stellen kriegte sie ihre aufwallenden Gefühle nicht unter Kontrolle und brach fast ab. Ich verspielte mich mindestens fünf Mal.

Und trotzdem war es die unglaublichste musikalische Erfahrung meines Lebens. Das Gefühl, einfach etwas unfassbar Schönes geschaffen zu haben, etwas, mit dem andere in Beziehung treten konnten. Woraus sie etwas ziehen konnten. Schuld und Vergebung. Angst und Hoffnung. Sehnsucht und Erfüllung. Licht im tiefsten Schatten. Gleichzeitig der Beginn eines intimen Dialogs zweier sich erfüllender Seelen. Liebe.

Die uns daran hinderte, es an diesem Abend das Stück noch ein zweites Mal zu spielen. Mich meine alte Geliebte ihrem neuen Status entsprechend auf dem Boden platzieren ließ. Um mich völlig und vollständig meiner neuen zu widmen, der eine Träne über ihre Wange lief. Ich küsste sie, vorsichtig, langsam, denn zum ersten Mal ließ sie das Verharren zu, endete der Kuss nicht.

Brach die Erkenntnis durch, dass sie sich mir diesmal nicht entziehen würde, dass alles Sehnen und Streben auf diesen Punkt zu, nun seine natürliche Erfüllung finden würde. Auch dies ein absolut überwältigendes Gefühl, das alle Handlung für einen Moment stoppte.

Ihren fragenden Blick beantwortete ich damit, dass ich sie anhob und ihren federleichten Körper in mein Schlafzimmer trug. Ich legte sie vorsichtig auf meinem Bett ab und mich zu ihr, suchte wieder ihre Lippen. Verband uns in zärtlichem, liebevollem Kuss. Alles Drängen, Sehnen, Krampfen aufgelöst in einem Gefühl tiefsten Friedens, exquisiter Zärtlichkeit.

Strich zärtlich mit den Fingerspitzen über ihr vor tiefem Glück glühendem Gesicht, verlor mich in ihren uferlosen Augen. Sah stumm und ergriffen zu, wie sie sich aufrichtete und begann, ihre Kleidung abzulegen. Folgte ihr in beispielloser Ruhe und ungekannter Geduld.

Fühle ihren nackten, weichen Körper an meinem, verband uns wieder in forschendem Kuss. Glitt mit meinen Händen über die zarte Haut ihres Rückens. Die sanfte Wölbung ihrer Wirbelsäule entlang bis zu ihrem festen, knabenhaften Po. Folgte ihrer Bewegung, als sie sich auf ihren Rücken legte und mich auf sich spüren wollte.

Stützte mich auf meine Arme, damit sie mein Gewicht nicht voll tragen musste. Schloss die Augen, als ihre Hände mit fließenden Bewegungen mein Gesicht und meinen Körper streichelte. Öffnete sie, um in ihren Augen den Wunsch zu sehen, den sie mir und uns bisher versagt hatte. Bemerkte verblüfft, dass sich dieser ohne vorher eine besondere Erregung gespürt zu haben, ohne Weiteres erfüllen ließ.

Die Vereinigung, die wie von selbst geschah, in stiller Selbstverständlichkeit. Bewegungen, so leicht und ruhig, wie das Gleiten auf wogendem Wasser. Ihre Augen, die sich für keine Sekunde von meinen lösten, mich tiefer in sie führte, als das körperlich geschehen konnte.

So schön, so einfach, so sicher und von selbst gestaltete sich der Ablauf, bewegten wir uns in Harmonie, fern jedem Ziel. Erst die von einem langen Kuss entfachte Steigerung führte nach langer Zeit zum geplanten Schlussakkord der Natur. Zunächst bei ihr und längere Zeit später auch bei mir.

Wir lagen Stunden engumschlungen ohne ein einziges Wort. Nie hatte sich Stille so beredet gezeigt. Es war sie, die sie letztlich brach.

"Hörst du Musik?"

"Nein."

"Das ist gut. Dieser Moment gehört nur uns. Ich möchte ihn mit niemandem teilen."

"Ja, so geht es mir auch." ___

Dieser Moment war nicht das einzige, was wir nicht teilten. Niemand aus unserer Band erfuhr zunächst, dass wir zusammen waren. Es war Carols Wunsch, den ich ohne ihn zu hinterfragen akzeptierte. Es war unnötig, denn beim Proben waren wir ohnehin über unsere Musik tief verbunden. Sie blendete sich weiterhin aus, wie sie das nannte, agierte mit ihrem regungslosen Gesicht und trotzdem noch ausdrucksvollerer Stimme, aber sonst wie für die anderen gewohnt.

Die Musik, die wir in diesen ersten Monaten zusammen schufen, nahm uns ohnehin alle vollständig ein. Langsam, unaufhaltsam, wuchs die Band zusammen und mit ihr unser Programm. Wir waren bereit. Unklar war zunächst nur der folgende Schritt.

"Wir sollten unser Demo an Labels versenden. Ganz ehrlich, für Tingeltangel-Touren ist unser Zeug zu gut", schlug Helge vor, nachdem wir die letzten Aufnahmen des Demos eingespielt hatten.

Piet und David schienen ebenfalls dieser Meinung zu sein. Ich war zulange aus dem Geschäft, um einschätzen zu können, was wirklich der richtige Weg sein könnte, also hielt ich mich zurück. Die Musikszene hatte sich in den fünfundzwanzig Jahren bewegt. Alle Augen richteten sich auf Carol, als sie mein Schulterzucken sahen.

"Wir machen gar nichts."

Damit überraschte sie sogar mich, denn auch wenn wir uns tage- und nächtelang unterhielten, darüber hatten wir uns nie ausgetauscht.

"Was meinst du, gar nichts? Willst du nicht auf die Bühne?", fragte Piet sofort.

"Natürlich will ich das. Und wir sind soweit. Wir sind eine Top Band. Aber vom Geschäft hat keiner von uns genug Ahnung. Oder sieht das jemand anders?"

Wir brummten unsere Zustimmung.

"Wir besorgen uns einen Manager", enthüllte sie endlich ihren Plan.

"Aha. Wo finden wir den? Gelbe Seiten?", spöttelte David.

"London. Ich kenne die richtige Person dafür", gab sie bekannt. "Ich fliege mit Tom da hin."

Ich wusste mittlerweile, dass sie bis vor zwei Jahren tatsächlich fünf in London verbracht hatte. Dass sie so konkrete Pläne hatte, verblüffte mich allerdings schon. Ich hätte erwartet, dass sie mir da zumindest Andeutungen gegeben hätte. Vor allem, da sie diese Aktion mit mir zusammen plante.

"Was nützt uns ein Manager, der in London ist? Sich hier mit der Szene nicht auskennt? Sich mit den deutschen Labels nicht auskennt? Das ist doch hirnrissig", steuerte Harro bei, der sich sonst bei allem immer raushielt.

"Die Frau, an die ich denke, kennt sich genug aus, um überall den richtigen Weg zu wissen", meinte Carol ruhig und gelassen.

"Eine Frau? Ich wusste nicht einmal, dass es...", begann Helge, aber stoppte sich selbst, als er Carols merkwürdigen Blick auffing.

"Und sie wird mit uns kommen", nutzte sie die eingetretene Stille, um die Diskussion zu beenden.

"Woher willst du das wissen?", wagte ich mich jetzt einzubringen.

Sie lächelte mich an.

"Warum sollte meine Mutter das nicht tun? Ihr liegt viel an mir und meiner Karriere."

"Ist das dein Ernst, du willst deine Mutter zu unserer Managerin machen?", fragte David verblüfft.

Allgemeines Kopfschütteln und Stirnrunzeln.

"Ja, natürlich. Sie ist nicht nur meine Mutter, sie ist die Beste im Biz. Danica Hayes."

Davids Gesicht erhellte sich, zumindest er schien den Namen gehört zu haben.

"Du bist die Tochter von Danica Hayes?", fragte er überrascht in das triumphierende Lächeln von Carol hinein, die kurz nickte. Und mich ansah. Ihr Lächeln gefror.

Aus gutem Grund. David war nicht der einzige, der von ihr gehört hatte. Ich hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich hatte mehr als nur von ihr gehört.

Danica. Ausgerechnet Danica. Sie ist die Tochter von Danica. Scheiße.

"Du kennst meine Mutter. Du hast nicht nur ihren Namen schon einmal gehört", stellte sie sofort und mit einem Unterton von Alarm in ihrer Stimme fest.

Ja. Wie sollte ich meiner Geliebten erklären, dass ich ihre Mutter sogar sehr gut kannte? Dass mit ihr annähernd ein Jahr in der heftigsten rein sexuellen Beziehung meines Lebens verbracht hatte? Die ich abgebrochen hatte, weil wir beide an einem Punkt angekommen waren, wo Gefühle plötzlich eine Rolle zu spielen begannen?

Danica. Sie hatte mir sogar erzählt, dass sie eine Tochter hatte. Wahrscheinlich auch, dass sie Carol hieß und in Internaten und mit ihrem Vater lebte, weil Danica die Welt als Musikerin und Produzentin bereist hatte und erst kurz vor unserem Treffen in London langsam zur Ruhe kam.

Ich hatte sie über einen Bassisten kennengelernt, der in einer meiner WGs gewohnt hatte. Ein netter Kerl, aber ein Junkie. Der sich damit am Ende nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben zerstörte. Wir hatten ihn rausschmeißen müssen, weil er seine Miete nicht mehr zahlen konnte, uns sogar eine größere Summe schuldete, die wir ihm gemeinschaftlich in den vorherigen Monaten vorgestreckt hatten.

Auf einer Party seiner Plattenfirma, zu der er praktisch unsere ganze WG einige Monate zuvor mitgeschleift hatte, lernte ich dann Danica kennen. Gleich richtig kennen. Er stellte mich ihr noch vor.

Etwa zehn Minuten, nachdem ich mich mit ihr eigentlich nur ganz nett unterhalten hatte, sofern man halbtrunkenes Gebrabbel als Unterhaltung verstehen möchte, zog sie mich aus dem Hauptraum und verschleppte mich nach kurzem, wilden Geknutsche im Gang in irgendein Hinterzimmer. Wo sich schon ein Pärchen sehr intensiv vergnügte, was weder diese noch uns besonders irritierte, denn wir kamen auch sofort zur Sache.

Ich hatte zu dieser Zeit schon so einige One-Night-Stands hinter mich gebracht. Mal war es unbefriedigend, meist aber okay, mal langweilig, mal richtig gut, aber nie etwas Besonderes. Mit Danica war das anders. Nicht nur emotional kann man mit einem anderen Menschen sofort klicken. Es gibt eine sexuelle Chemie, die man entweder hat oder nicht.

Es fühlte sich einfach an, als wären wir schon langjährige Partner. Völlig identische Vorlieben. Die wir allerdings im Verlauf unserer Beziehung erweiterten. Wir hatten einige experimentelle Phasen. Weil wir so klickten, wurde es eben kein One-Night-Stand, sondern eine Affäre. Danica hatte damals behauptet, sie wäre empathisch begabt, und das wäre Teil unseres Zaubers gewesen. Weil ich jemand war, zu dem sie oft diese spezielle Verbindung bekam.

Am Anfang hatte ich das einfach so hingenommen, denn wenn es eines in London zuhauf gab, waren es Exzentriker und Spinner. Was sie da fühlte, oder nicht, war mir eigentlich völlig egal gewesen. Dass wir fast immer zusammen kamen aber nicht. Wenn sie das dieser besonderen Gabe, ob eingebildet oder nicht, glaubte verdanken zu können, dann war das ihre Sache. Wir profitierten beide davon. Es machte unser Erleben etwas Besonderes.

Später glaubte ich ihr die Geschichte allmählich schon. Als sie mich mit Gefühlen konfrontierte, die ich ihr auf keinen Fall gezeigt oder mitgeteilt hatte. So kam es auch zum Bruch. Weil ich mich nach all dieser rein körperlichen Harmonie langsam in sie zu verlieben begann. Und mich vehement dagegen wehrte. Mit dem ersteren konnte sie umgehen. Mit dem zweiten nicht.

"Woher kennst du sie?", fragte Helge in die unangenehme Stille. Mir wurde klar, dass Carol und ich uns bestimmt drei Minuten stumm angestarrt hatten.

"Wir... kennen uns sogar ganz gut. Ehm... wir waren, sagen wir, gut ein Jahr recht eng befreundet."

"Du hast sie gefickt?", fragte Helge interessiert.

Oh Helge. Musste das sein? Erinnerst du dich, wessen Mutter das ist?

"Ja, unsere Beziehung war auch sexueller Natur", gab ich mühsam zu. Atemlos versuchte ich Carols Blick standzuhalten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie einfach rausgelaufen wäre.

Aber sie stand nur da, fixierte mich mit ihren Augen, zeigte keinerlei Regung in ihrem Gesicht.

"Ich konnte ja schlecht wissen, dass ich fünfzehn Jahre später ihre Tochter in Deutschland treffen würde."

Und mich in sie verliebe. Carol, ich liebe dich. Was kann ich dafür, dass die Welt ein Scheiß-Dorf ist? Sollte es so sein? Irgendeiner spielt doch ein Scheiß-Spiel mit mir. Mit dir. Mit uns.

"Aha. Ist das für dich ein Problem, Carol? Ändert das was an deinen Plänen?", wollte David wissen.

Sie schien die Frage überhaupt nicht gehört zu haben.

Was tust du, versuchst du zu erfassen, was ich fühle? Ich liebe dich. Das ist alles, was zählt.

"Nein. Ich sehe keinen Grund. Ich habe die Tickets gebucht. Sie weiß, worum es geht. Nur noch nicht, wen ich da mitbringe", gab sie mit fester Stimme zurück.

Ja, Überraschung. Überraschungen hatte sie immer gemocht. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob das diesmal auch so sein würde. ___

Wir redeten den ganzen Weg zurück nicht ein Wort. Ich versuchte sie in der U-Bahn in den Arm zu nehmen, aber sie wehrte mich stumm ab. Erleichtert war ich nur darüber, dass sie keinerlei Anstalten machte umzusteigen. Sie fuhr mit in meine Wohnung.

Seufzend brachte ich meine Gitarre und den Rest der Gear an ihre Plätze. Sie hatte ihr ausdrucksloses Gesicht noch nicht gewandelt. Das war kein gutes Zeichen. Die Stille war unerträglich.

"Rede bitte mit mir", versuchte ich verzweifelt dagegen anzukämpfen.

"Du bist der Deutsche."

"Ich bin was? Natürlich bin ich Deutscher..."

"Sie hat mir von dir erzählt. Du bist der Deutsche, den sie so besonders gut fühlen konnte."

Ja, das hätte mir fast klar sein müssen, dass ich irgendwann einmal Gesprächsthema geworden bin.

"Ich konnte doch nicht wissen..."

"Nein, das konntest du nicht. Das ändert nichts daran, wie ich mich jetzt fühle."

"Dann sag es mir bitte, was fühlst du?"

"Betrogen. Von meiner eigenen Mutter um etwas Einzigartiges betrogen."

"Das ist doch nicht wahr. Wir hatten eine rein sexuelle Beziehung. Wir haben uns getrennt, als das in eine andere Richtung zu gehen schien. Weil ich zu dem Zeitpunkt niemand außer Tilly lieben konnte, es nicht durfte. So empfand ich es jedenfalls. Deine Mutter kann doch nichts dafür, dass sie an mich geraten ist."

Sie starrte vor sich hin, sah mich nicht einmal an. Ich nahm ihre Hand.

"Carol, ich liebe dich. Deine Mutter ist eine großartige Frau, und ich hätte mich vielleicht wirklich in sie verliebt, wenn ich es damals gekonnt hätte. Aber es ist nie geschehen. Was wir jetzt füreinander fühlen, was ich für dich fühle, kann sie dir nicht wegnehmen."

Sie zog ihre Hand nicht weg, reagierte überhaupt nicht. Verzweifelt versuchte ich sie zu küssen. Sie ließ es nur über sich ergehen. Es hatte keinen Sinn. Sie wollte sich nicht weiter mitteilen, soviel war klar. Ich konnte nur eines tun. Bei ihr sein. Ich nahm sie in den Arm und hoffte, dass sie sich irgendwann entspannen würde.

Ihre Körperspannung, die sich wie eine Abwehrhaltung anfühlte, brach tatsächlich nach einiger Zeit. Sie kuschelte sich fast ein wenig an. Mehr kam von ihr nicht. Kein Wort, keine Gesten. Ich ließ ihr weiter Zeit. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.

"Wie geht es jetzt weiter? Lässt sich der Flug vielleicht verschieben, bis du über den Schock hinweg bist? Für wann hast du gebucht?"

"Freitag."

"Und davon erfahre ich heute?"

"Es sollte eine Überraschung sein."

Die ist ja gelungen. Aber gründlich.

"Und, wäre es dann nicht besser..."

"Nein. Wir fliegen. Wir können das nur gemeinsam klären. Sie ist wichtig für uns. Für die Band. Unsere Musik."

"Du hast keine Angst, dass sie das in Anbetracht der Umstände vielleicht gar nicht mehr will?"

"Nein. Eigentlich nicht. Du hast ihr etwas bedeutet, vielleicht mehr als du weißt, aber hauptsächlich hat sie darüber erzählt, was für geilen Sex sie mit dir hatte. Und wie sehr sie den vermisste."

Dafür konnte ich mich nicht schuldig fühlen. Tat es aber doch.

"War es für dich auch so toll?", wollte sie wissen.

Es gab darauf keine Antwort, die von ihr irgendwie positiv aufgenommen werden konnte.

"Ja, es war etwas Besonderes mit ihr. Sie hat auch mir etwas bedeutet. War. Hat. Vergangenheit. Wir beide haben nicht nur Sex. Wir lieben uns. Das ist etwas völlig anderes. Und das ist jetzt."

"Ja, wir lieben uns. Wir haben keinen Sex, wir lieben uns. Du bist immer zärtlich, aufmerksam, liebevoll, schaust, dass ich auf meine Kosten komme."

"Daran falsch ist..."

"Daran ist nichts falsch. Aber es ist auch nicht alles. Fick mich jetzt."

"Ehm... was? Du möchtest mit mir schlafen?"

"Nein, das eben nicht. Ich möchte nicht mit dir schlafen, ich will, dass du mich fickst. Mir den Verstand rausvögelst. So, wie du es mir ihr getan hast. Mich leckst, bis ich darum winsele, dass du aufhörst. War das nicht so?"

Das war ein übles Gefühl, von diesem Vortrag erregt zu werden. Und völlig unmöglich es nicht zu sein.

"Carol, das ist... vielleicht bist du jetzt..."

"Ich bin jetzt geil. Nichts anderes. Ich bin eine Frau, keine Göttin. Behandele mich endlich so. Wie eine kleine geile Schlampe, die du in allen Löchern bedienen kannst, bis dir der Schwanz abfällt. Aber vorher leckst du mich ins Nirvana. Wirst du das für mich tun?"

Ich schloss die Augen, um ihrem Blick zu entgehen. Keine Göttin. Ja, irgendwie hatte sie recht. Mein Bild von ihr konnte nicht stimmen. Hatte ich mich in sie verliebt, oder dieses quere Bild in meinem Kopf? Ich öffnete meine Augen, entschlossen, sie als das wahrzunehmen, was sie wirklich war.

Statt einer Antwort griff ich unter ihren Rock und zog mit einem Ruck ihr Höschen runter. Kniete vor dem Sofa und stellte überrascht fest, dass sie nicht übertrieben hatte. Überrascht, weil ich in ihren Augen eigentlich nur Verzweiflung und eine unterschwellige Wut gesehen hatte.

Mechanisch begann ich ihre feuchte Möse mit meiner Zunge zu bearbeiten, gerade genug, um ihren Schwellkörper in das richtige Format zu kitzeln, um dann schnell und gleichmäßig loszulegen. Meine Gedanken liefen völlig durcheinander. Bilder von Danica und ihrer Pussy verwischten und vermengten sich mit dem realen Anblick. Dabei gab es nicht einmal Ähnlichkeiten.

Peinigende Erinnerungen, eine plötzlich einsetzende Angst vor dem Wiedersehen. Machten den Vorgang, den ich sonst so liebte, für mich einer bizarren Qual. Oh Gott, das musste sie fühlen. All das musste sie fühlen. Mein Geist wehrte sich gegen das Abgleiten in ein Meer von Scham und Verzweiflung mit der stärksten Waffe, die ihm zur Verfügung stand. Musik.

Setzte ein massiger Rhythmus ein, von Bass und Drums getragen, mit dem sich meine Zunge synchronisierte. Von der Gitarre aufgefangen wurde, die trieb, und mitriss. Verwandelte sich ihr Stöhnen in Gesang. Steuerte auf den ersten Refrain zu. Noch ohne Worte, doch mit klarer Melodie. Und voller Wucht. Mit der sie jetzt kam. Zurück. Exakt gleicher Rhythmus. Mehr Bewegung im Gitarrenpart, schnelle Träller, wildes Beiwerk. Harter Sound. Und hier kommt der Refrain. Mit gleicher Wucht. Gleichem Ergebnis.

Sie bäumte sich auf, rutschte halb vom Sofa, ich drückte sie ein Stück zurück und nahm den Rhythmus wieder auf. Trieb sie zum nächsten Refrain. Und dem nächsten. Noch einem. Es wurde ein langes Stück.

"Bitte... genug...", drang es leise in die endlos dröhnende Musik in meinem Kopf. Nicht vor dem Refrain. So beendet man kein Stück. Genau. So. Schlussakkord. Oh Gott. Hab ich das getan?

Ich hatte sie noch nie schwitzen sehen, selbst beim leidenschaftlich Sex nicht. Ihre Haare waren jetzt klitschnass, ihr gerötetes Gesicht funkelte vor Schweiß, der Mund halb geöffnet, Speichelfäden in den Mundwinkeln. Ihr Blick wirkte leer und gebrochen. Als wäre sie gar nicht da.

Wie lange? Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ungewohnterweise auch meine eigene Erregung. Die nun, da ich sie in diesem Zustand vor mir sah, zurückkehrte. Anstatt meinem gewohnten Impuls, mich zu ihr zu legen und sie mit aller mir zur Verfügung stehende Wärme in diese Welt zurückzuholen, war da plötzlich ein anderes Gefühl.

Hart und dissonant. Übermächtig. Zog ich mich rasend schnell aus, drückte sie auf ihren Rücken. Willenlos ließ sie sich von mir weiter rüber auf die andere Sofaseite schieben. Ich kletterte auf sie drauf, kniete auf ihr rutschte noch ein Stück weiter nach vorn, stützte mich auf der Sofalehne und senkte mein Becken ab. Bis mein harter Schwanz den Weg in ihren Mund fand.

Sie reagierte und wollte anfangen an mir zu saugen. Ich verlagerte mein Gewicht nach hinten und griff in ihr kurzes Haar. Es war lang genug um Halt zu bekommen und selbst das Geschehen zu bestimmen. Erst ließ ich mehr oder minder zu, dass sie an ihm lutschte und saugte.

Dann aber hielt ich ihren Kopf fest und begann sie in den Mund zu ficken. Tiefer und tiefer, bis sie bereits würgte und versuchte zurückzuweichen. Ich ließ ein wenig davon zu und stieß stattdessen noch härter zu, wilder, brutal. Erste gequälte Laute, aber kein ernsthafter Versuch sich zu entziehen.

Im Gegenteil, ein wilder, berauschter Gesichtsausdruck, als ich meinen Schwanz abzog und gegen ihre Wangen drückte. Ich bewegte mich langsam von ihrem Kopf weg, setzte mich zunächst auf ihren Bauch und schob ihren weichen Pullover hoch. Auch er war schweißgetränkt.

Ihr BH ging vorne auf und so befreite ich ihre wunderschön geformten kleinen Brüste. Ihre Nippel waren hart und empfindlicher, als ich es von ihr gewohnt war. Ich drückte ihre Beine nach hinten, die sie an meinen Rücken herangezogen hatte, damit ich weiter zurück klettern konnte.

Mich zwischen ihre schnell wieder aufgestellten Schenkel drängen konnte. Ohne weitere Präambel in sie eindrang. Sie sofort hart und fest pumpte. Nicht besonders schnell. Aber besonders gründlich. Veränderte leicht die Stellung, indem ich ihr rechtes Bein in meine linke Armbeuge hängte. Konnte so noch tiefer in sie eindringen, dabei immer wieder den Winkel leicht verändernd.

Den Widerstand nutzend, um mein Becken freier bewegen zu können und es nun schneller zu bewegen. Sie hielt ihre Augen seit einiger Zeit geschlossen, hechelte und stöhnte, ihre Hände bewegungslos auf ihren Brüsten, als hielte sie sich an ihnen fest. Ihr Körper strahlte eine unglaubliche Hitze aus. Mir lief ebenfalls der Schweiß von der Stirn und den Rücken runter.

Ich durchpflügte ihr heißes Fleisch, als ob ich es zerstören wollte. Spürte, dass ich mich meinem Höhepunkt näherte. War mir nicht sicher, ob sie schon gekommen war oder nicht, es hatte sich kurzzeitig so angefühlt. Wollte aber noch nicht zum Ende kommen.

Zog ab und zeigte ihr mit einer Handbewegung an, dass sie sich umdrehen und auf die Knie kommen sollte. Sie schien es sofort zu verstehen und doch eine Weile zu brauchen, bis sie eine koordinierte Bewegung zustande brachte. Und die gewünschte Stellung einnahm.

Hämmerte sie mit fliegendem Becken durch, bis ich mir sicher war, dass sie wirklich gekommen war. Hielt kurz an, um mich selbst noch ein letztes Mal zu bremsen. Entschied mich noch vor Wiederaufnahme meiner Bewegungen um, zog ab und drang ohne weitere Vorbereitung in ihren After ein.

Kämpfte gegen enormen Druck und fehlende Feuchtigkeit, drang trotzdem tiefer und tiefer ein. Sie entließ stoßartig ihren lang angehaltenen Atem, als ich fast dreiviertel in ihr drin war und anhielt. Mich langsam bewegte. Wartete, bis ihr Körper angemessen auf den Fremdkörper reagierte. Um dann langsam Fahrt aufzunehmen. Immer heftiger zuzustoßen.

Ich wollte das ausdehnen, aber es gelang mir nicht mehr. Mein Körper besiegte mich auf die angenehmste und beglückendste Weise, die es gibt. Ich blieb in ihr, als sie langsam ihr Becken absenkte und flach auf dem Sofa zum Liegen kam.

Bedeckte ihren glitschigen Körper mit meinem. Beruhigten sich unsere gehetzten Körper nur langsam und graduell. Verknüpfte sich die Beruhigung unbemerkt mit Müdigkeit. Drifteten wir von Ruhe in Schlaf. ___

London. Nicht über Heathrow, sondern über Gatwick waren wir eingeflogen und mit dem Express in Victoria angekommen. Das Gefühl nach Hause zu kommen. Neun Jahre hatte ich hier gelebt. Hatte eigentlich den Rest meines Lebens dort verbringen wollen. War wegen meiner Mutter und meiner Verantwortung für sie trotzdem nicht schweren Herzens gegangen.

Und glaubte doch zu wissen, dass ich nie dahin zurückkehren würde, um noch einmal dort zu leben. Meine engsten Freunde mittlerweile über ganz England verstreut. Oder tot. Zwei meiner liebsten Freunde waren vor einigen Jahren verstorben. Die einzigen, die wegen einer Eigentumswohnung nicht das sonst übliche ständige Umziehen mitgemacht hatten, und immer gut erreichbar waren. Die unsichtbare Nabelschnur, die uns so immer noch irgendwie alle miteinander verbunden hatte, damit durchtrennt. Ich wusste, dass noch drei in London wohnten. Aber nicht mehr wo.

Und doch war es da, dieses übermächtige Gefühl, wieder von meiner Stadt aufgenommen zu werden. Wie ein Familienmitglied, dass zu einer Feier wieder an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Carol schien ähnlich zu empfinden, obwohl sie nicht ganz so viel Zeit wie ich hier verbracht hatte.

Nach der beschriebenen Nacht war sie wie umgewandelt, wirkte gelöst und entspannt. Das änderte sich nun, als wir mit dem Taxi Highbury erreichten, wo Danica auch damals schon gelebt hatte. Ich hatte die Adresse gehört, es war aber eine andere Wohnung. Irgendwie hatte mich das beruhigt. Jetzt war es vorbei mit der Ruhe. Carols Anspannung war ansteckend.

Die vertrauten typischen Londoner Reihenhäuser, mit einem von weißen Säulen getragenen Eingang, wie man sie in den besseren Gegenden vorfindet. Und dann öffnete sie die Tür, schloss die ihr entgegenstürzende Carol in ihre Arme. Lächelte mir zu, bis sie mich erkannte.

Carol entzog sich ihr.

"Hi, Mum. Tom kennst du ja. Das habe ich allerdings erst rausgefunden, nachdem wir gesprochen haben."

"Tom? Das gibt's doch nicht."

Zögernd näherte sie sich mir und fiel mir in die Arme. Ich suchte Carols Blick. Klar, sie verpuppte sich wieder.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich dich wiedersehe", stieß sie überwältigt hervor.

"Ich auch nicht."

Sie schien sich nur mühsam von dem Schock zu erholen, und wäre wahrscheinlich noch länger in meinen Armen geblieben, wenn Carol sie nicht weggezogen hätte. Danica war noch immer eine schöne Frau. Sie hatte aber genau wie ich das Vergehen der Zeit nicht spurlos erlebt, trug das Grau in ihrem dunklen Haar mit der Würde und dem Selbstbewusstsein einer gereiften Frau.

Ihren Geschmack für Interior hatte sie allerdings geändert. Ich kannte ihre Vorlieben als gradlinig und modern, hier in diesem Haus war sie dem noblen Charme verspielter englischer Antiquitäten und Dekor erlegen. Spiegelte dies die Wärme und Ruhe die sie jetzt ausstrahlte. Die mich beruhigte.

"Und das ist der Gitarrist, der dein Leben verändert hat? Mit dem du den Durchbruch schaffen willst? Ich fass es nicht. Du wolltest doch nie mehr spielen?"

Natürlich hatte ich ihr damals meine Geschichte erzählt. Ich nickte, wurde aber an weiteren Erläuterungen gehindert.

"Das ist der Mann, der mein Leben verändert hat", versetzte Carol mit unmissverständlicher Betonung sofort.

"Ihr seid... zusammen?", presste Danica mühsam hervor.

"Ja, wir sind zusammen. Lieben uns. Machen einander komplett."

"Das ist...", setzte sie an, um mich dann nur hilflos anzustarren.

"Das ist die Situation, mit der wir jetzt umgehen müssen", ergänzte Carol mit einer bewundernswerten Ruhe. Ihr Gesicht war entspannt.

"Ich mach uns einen Tee", gab Danica bekannt und taumelte aus dem Zimmer.

"War das nötig, dass du damit sofort ins Haus fällst?", fragte ich Carol mit einiger Betroffenheit.

"Ja. Sie hätte es ohnehin schnell bemerkt. Besser gleich mit offenen Karten spielen."

Vielleicht hatte sie ja Recht. Keine goldenen Schallplatten mehr an den Wänden. Sie brauchte sich nicht mehr darzustellen. Jeder wusste, wer sie war. Ihre Souveränität gewann sie aber nur langsam zurück. Englischer Tee. Wie ich ihn vermisst hatte. Sie hatte mich nicht einmal gefragt, wieviel Zucker und Milch ich wollte. Sich einfach erinnert.

Sie gab sich Mühe, sich auf Carol und ihre Erzählungen zu konzentrieren. Ihr Blick schweifte jedoch immer wieder in meine Richtung ab.

"Dann hat Tom sich entschlossen, ein Stück zu schreiben, das der Gitarrist nicht mehr spielen konnte. Und jetzt war die Band komplett."

"Das hast du doch bestimmt gesteuert, mein Schatz", verriet sie ihren genauen Einblick in die tatsächlichen Hintergründe.

"Ich? Vielleicht ein bisschen. Du musst uns hören."

"Ja, das sollte ich. Vorher gibst du eh keine Ruhe", resignierte sie. "Und wie ist das für dich, wieder zu spielen?"

"Du musst uns hören", gab ich zurück. Sie zog überrascht ihre Stirn kraus. Carol war bereits aufgesprungen und steckte den USB-Stick in Danicas superedel aussehende Stereoanlage. Stellte den richtigen Port ein und die Musik an. Drehte ganz ordentlich auf dabei. Unsere Musik konnte das vertragen.

Sie hatte den Stick zusammengestellt. Die Reihenfolge war ihr besonders wichtig gewesen. Es fing tatsächlich mit "Be that way" an. Dann der Song, der Lippe einpacken ließ. Und dann: "Soon".

Danica war schon bei den ersten Stücken völlig erstarrt. Als sie "Soon" hörte, sank sie in ihren Sessel zurück, starrte mit offenem Mund ihre Tochter an, die in ihrem Triumph badete. Es folgten noch drei weitere Stücke.

"Das ist unglaublich. Unglaublich. Ich bin fassungslos. Oh, Carol", brach es aus ihr hervor und sie kam zu uns aufs Sofa, um Carol zu umarmen.

"Das du talentiert bist und Großes schaffen könntest, habe ich gewusst, aber das... hätte ich nicht für möglich gehalten. Das dritte geht in die Charts, das ist euch wohl doch hoffentlich klar?"

Wir schmunzelten uns an und nickten. Sie sah nachdenklich auf ihre Tochter.

"Und ich soll euch helfen, das hast du dir doch so vorgestellt, oder?"

"Natürlich. Du wirst nach Berlin kommen."

"So einfach geht das nicht. Ich habe Verpflichtungen."

"Dann werd sie los. Das hier ist wichtiger als alles andere."

Danica seufzte.

"Vielleicht ist es das."

Ihr Blick landete auf mir und nun schien ihr einzufallen, womit sie zunächst überfallen worden war.

"Was hat sie tun müssen, um dir dieses Lied zu entlocken?", fragte sie plötzlich.

"Mich zerstören. Und damit zu heilen."

"Ich verstehe. Nun...", setzte sie an und schaute wieder auf ihre Tochter. "Carol ist etwas Besonderes, das habe ich immer gewusst. Ich wünsche ihr alles Glück dieser Welt. Natürlich auch einen Mann, der sie glücklich macht. An dich, Tom, habe ich allerdings am allerwenigsten gedacht. Wie ich damit umgehen soll und kann, weiß ich im Augenblick überhaupt nicht."

"Was glaubst du wie ich mich gefühlt habe, als ich erfuhr, dass der Mann, den ich über alles liebe, der Mystery-Lover meiner Mutter ist?"

Betrogen. Und geil. Bitte lasse den zweiten Teil aus.

"Ja, gut, verstehe ja. Jetzt lasst die alte Frau erstmal zur Ruhe kommen. Da hast du dir was vorgenommen, Tom. Egal, wir reden später drüber. Habt ihr Hunger? Ich wollte eigentlich was kochen, aber ich denke Essen gehen macht mehr Sinn. Oder was meint ihr?"

Wir stimmten rasch zu und gingen zu einem Inder, den ich sogar noch kannte, wo aber wohl in der Zwischenzeit der Sohn den Laden übernommen hatte. Das Essen war immer noch fantastisch. Über unsere Beziehung redeten wir zunächst nicht. Danicas professionelle Seite kam durch.

"Warum kommt ihr nicht nach London? Ihr würdet hier genauso wie eine Bombe einschlagen, vielleicht sogar noch mehr."

"Wir sind keine Pros bis hierhin. Wir haben Jobs und im Fall unseres Drummers auch eine Familie. Unser Leben findet in Berlin statt", erklärte ich ihr die Situation.

"Euer Leben wird sich komplett ändern, ist euch das nicht klar?"

"Wenn es das getan hat, sieht es vielleicht wieder anders aus. Aber so völlig ins kalte Wasser springen, das würde einigen, glaube ich, schwerfallen."

"Warum braucht ihr die Band? Musiker gibt's hier genug. Euch beiden brauche ich London doch wohl nicht schmackhaft zu machen, oder?"

Carol beendete jede Diskussion.

"Wir sind eine Band."

Danica nickte unmerklich und sah eine Weile nachdenklich vor sich hin. "Ich besorge euch trotzdem einen Vertrag mit einem der großen Labels hier. Die haben auch in Deutschland Präsenz. Und Verträge mit guten Aufnahmestudios."

Sie seufzte.

"Berlin. Da bin ich seit den Achtzigern nicht mehr gewesen. Da gab es sogar noch zwei davon."

"Es hat sich einiges geändert. Du wirst dich wohlfühlen", versicherte ich ihr ehrlich.

"Wir werden sehen. Ich brauche mindestens einen Monat, um alle Sachen hier ordentlich abwickeln zu können."

Sie schaute abwechselnd auf Carol und mich.

"Das gibt euch etwas Zeit, noch weiteres Material zu produzieren. Carol-Schatz, belasse es bitte bei der einmaligen Zerstörung. Beim nächsten Mal könntest du ihn kaputt machen. Und das wollen wir doch wohl beide nicht, oder?"

"Er fühlt sich bei mir sicher."

"Genau das ist es, was mir Sorge macht."

Oh, oh. Das klang nicht nach ungetrübter Mutter-Tochter-Beziehung. Trotz der Bereitschaft kurz entschlossen ihr Leben für sie auf den Kopf zu stellen.

"Du hattest übrigens Recht. Er ist fantastisch im Bett", kam die nicht ganz unerwartete Replik.

"Er sitzt übrigens hier und möchte nicht Bestandteil eurer Auseinandersetzung sein", stoppte ich sie hoffentlich noch rechtzeitig in der Prä-Detail-Phase.

"Ich fände es besser, wenn wir einen Weg gemeinsam fänden, wie wir vernünftig miteinander umgehen können. Dass es diese eigenartige Konstellation gibt, ist nicht auf irgendeine Absicht eines der Beteiligten zurückzuführen. Es gibt nichts, was wir uns vorwerfen könnten oder sollten. Oder seht ihr das anders?"

Danica musterte mich aufmerksam.

"Du hast dich verändert. Und du hast Recht. Lass uns das Kriegsbeil begraben, Töchterchen. Bevor wir uns wehtun."

Ja, ich habe mich verändert. Das hat sie für mich getan. Ich will wieder leben. ___

Verflucht, halb sechs. Der Fluch des Alters. Man wacht früh auf, schläft eh insgesamt weniger. Kein Problem in den eigenen vier Wänden. Carol schläft natürlich noch, wird sicher nicht vor neun oder zehn aufwachen.

Trotz des Waffenstillstands mit ihrer Mutter war sie nicht davon abzubringen gewesen, Sex in ungewöhnlicher Lautstärke zu zelebrieren. Da stand uns wohl noch einiges bevor.

Und dann gleich wieder die Blase. Also aufstehen, weil einschlafen klappt auch schon aus diesem Grund nicht mehr. Danica ist bestimmt nicht böse, wenn ich mir Frühstück mache.

Die Wohnung war ganz still, bis ich in die Küche trat, wo ich überrascht Licht brennen sah. Danica stand in einem Morgenmantel neben ihrer Spüle und wartete darauf, dass ihr Heißwasserkocher fertig wurde.

"Morgen. Auch schon von der senilen Bettflucht betroffen?"

Sie drehte sich rasch um und blitzte mich an.

"Guten Morgen. Ja, ich steh immer um die Zeit auf. Dann habe ich mehr vom Tag. Und jetzt sogar endlich die Gelegenheit mit dir allein zu sprechen. Möchtest du Kaffee oder Tee?"

"Morgens dann doch lieber Kaffee. Wenn es nicht Instant ist."

"Du bist in England, aber nicht im Hause einer Engländerin. Selbstverständlich kein Instant. Wie ist es dir nach unserer Trennung ergangen? Du warst auf einmal verschwunden. Keiner schien zu wissen, wohin."

Ich erklärte ihr die Hintergründe. Sie briet uns Eier und Bacon. Und erhitzte Baked Beans dazu. Dieses reguläre englische Frühstück hatte ich vermisst. Sie drehte sich zu mir.

"Ist gleich soweit. Möchtest du frischen Orangensaft? Noch irgendwas anderes?"

Das war keine so ganz harmlose Frage. Immerhin hatte sie den Gürtel ihres Morgenmantels geöffnet. Darunter war sie nackt.

"Nein, ich hab alles was ich brauche. Ist das klug, mit dem spritzenden Fett und allem?"

"Du sorgst dich um meinen Körper?"

"Ich sorge mich um viele Dinge. Nicht zuletzt deinen Körper."

"Ja, mit so einem jungen Ding kann ich natürlich nicht mithalten. Und wie lange kannst du das?"

"Die Frage stelle ich mir manchmal auch. Ich nehme an, ich werde es herausfinden. Und du siehst immer noch fantastisch aus. Besonders mit geschlossenem Morgenmantel. Er steht dir."

"Und steht er dir?"

Oh, oh. Danica auf dem Kriegspfad.

"Nein, das tut er nicht. Und das ist eine unzulässige Suggestivfrage. Du hast dich nicht verändert."

"Das stimmt nicht. Ich habe noch einiges dazugelernt. Bitte schön, deine Eier. Aber danke für das Kompliment. Meine Titten sind noch ganz ordentlich, oder? Die hast du doch immer besonders geliebt. Stundenlang damit gespielt. Bist mit ihnen in der Hand nachts eingeschlafen. Und was du mit deiner Zunge..."

"Ja, ich erinnere mich. Es war eine schöne Zeit. Das ist fünfzehn Jahre her. Und jetzt bin ich mit deiner Tochter zusammen, erinnerst du dich? Die junge Frau, die du über alles liebst?"

"Die ich von der Biologie her über alles lieben sollte. Das habe ich nie geschafft. Was glaubst du, warum sie nicht bei mir war, als wir uns kennenlernten? Warum ich ihrem Vater das Sorgerecht abgetreten hatte? Sie war mich wichtig und ich liebte sie, aber ich war mir selbst wichtiger."

"Nun, sie hat jetzt jemanden, der sie über alles liebt. Und in dir eine Mutter, die bereit ist, ihr bei einem gewaltigen Schritt in ihrem Leben zu helfen. Der sie völlig vertraut, das wie kein anderer zu tun. Vertrauen kann sie dir doch?"

"Sie kann mir vertrauen, dass ich ihr alle Türen mit aller Kraft aufstoßen werde. Und auch für sie da sein werde, wenn es kritisch wird. Weißt du, dass es das erste Mal ist, dass sie mich um etwas gebeten hat? Es bedeutet mir unglaublich viel. Ich werde sie nicht enttäuschen. Das ist die eine Seite."

Ich war mir nicht sicher, ob ich die andere hören wollte.

"Aber ich bin auch eine Frau. Die begehrt werden will. Die sich danach sehnt, wieder berührt zu werden. Deren Körper danach stöhnt und ächzt, weil er sich an den erinnert, der da so unerwartet wieder vor mir sitzt. Und was er alles mit ihm erfahren durfte."

"Danica, bitte. Es führt zu nichts."

"Komisch, dann lese ich dich jetzt wohl völlig falsch. Oder du gestehst dir einfach nur nicht ein, dass dein Körper sich gerade genauso erinnert?"

Sie hatte natürlich Recht. Und wusste genau, welche von meinen Knöpfchen sie drücken musste.

"Wir haben immer noch diese Affinität, ja, das leugne ich nicht. Ich schäme mich nicht dafür, dass ich auf dich reagiere, mein Körper auf dich reagiert. Du bist eine begehrenswerte Frau. Aber ich begehre eine andere mehr. Die Frau, die ich liebe. Carol. Deine Tochter. Der ich niemals weh tun könnte."

"Sie bräuchte es ja nie zu erfahren. Es wäre unser kleines geiles Geheimnis."

"Kennst du mich so schlecht? Hab ich mich so verändert? Oder ist das ein Test, ob du deine Tochter mir wirklich anvertrauen kannst?"

"Es ist kein Test. Das ist der Ernstfall. Ich bin allen Ernstes feucht für dich. Hier, schau. Erinnerst du dich an meine Pussy? Wie sie unter der Zunge erst richtig zum Leben erwacht? Von ihr nie genug kriegen konnte? Und deinem..."

"So alt ist er nicht, Mum", tönte es von der Tür. "Er erinnert sich sicher noch gut. Und nun pack sie mal schön weg."

Sie kam zu mir und küsste mich auf den Mund.

"Morgen mein Schatz. Hast du dich nett mit meiner Mutter unterhalten?"

"Wie alte Leute halt so sind. Wir haben in Erinnerungen geschwelgt, wie du ja wohl auch gehört hast. Wie lange standst du da schon?"

"Lange genug, um zu wissen, wie tapfer du deine Ehre verteidigt hast. Darum lieb ich dich so. Weil ich dir vertrauen kann. Machst du mir auch Frühstück, Mum? Ich hab richtig Hunger. Wir haben die halbe Nacht gefickt."

"Umso erstaunlicher, dass du schon wach bist. Was hat dich aufgeweckt?", interessierte ich mich.

"Ein innerer Feueralarm. Wahrscheinlich Mutters Hitze, die sich wellenförmig im Haus ausbreitete."

"Mach dich über deine alte Mutter noch lustig. Auch Bohnen?"

"Gerne. Ich nehme es dir nicht übel. Es hätte mich gewundert, wenn du es nicht versucht hättest. Ich hätte das an deiner Stelle vermutlich auch."

Danica seufzte.

"Du bist tatsächlich erwachsen geworden. Ich staune. Ich setze nochmal Kaffee auf. Trinkst du auch noch einen, Tom?"

Ich nickte bestätigend. Ich war wirklich überrascht, wie locker Carol damit umging. Das war keine Show.

"Warte bis du in Berlin bist, Mum. Dort finden wir sicher eine Lösung für dich. Du gibst mir, was ich will, und ich geb dir, was du brauchst."

Damit konnte sie natürlich nichts anfangen. Ich schon. Warum sollte ich ihr die Überraschung nehmen? Sie liebte Überraschungen. ___

Das Wochenende verlief harmonischer, als nach den ersten 24 Stunden zu erwarten gewesen war. Ich wurde keinen neuerlichen Versuchungen ausgesetzt. Was mich enorm erleichterte. Das war deutlich härter gewesen, als ich es antizipiert hatte. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, was passiert wäre, wenn Carol nicht hinzugekommen wäre, wenn ich ganz ehrlich war.

Wichtiger war, dass sich Carol immer ausgeglichener und ruhiger präsentierte. Dabei war die Wartezeit alles andere als einfach zu ertragen. Es dauerte schließlich doch fast sechs Wochen, bis Danica nach Berlin kam.

In der Tasche einen Plattenvertrag mit einem der größten Label, und der sich gewaschen hatte. So etwas bekamen absolute Newcomer normalerweise nicht. Da hatte Danica schon gezeigt, warum sie und keine andere für den Job ideal war.

Die ganze Band war vom Vertrag und von Danica schwer beeindruckt. Auch und gerade, als wir das Album aufnahmen. Sie ließ es sich nicht nehmen, hier als Produzentin zu fungieren. Sie hatte ein besonderes Gefühl für unsere Musik entwickelt. Und schaffte es tatsächlich einen Feinschliff vorzunehmen, der uns alle verblüffte.

Es wurde langsam ernst. Wir hatten bereits die ersten Auftritte als Support für zwei amerikanische Gruppen auf ihrer Deutschlandtournee über unsere Plattenfirma vermittelt bekommen. Das Erscheinungsdatum unseres ersten Albums war fast zeitgleich mit dem Beginn der Tournee. Danica nervte uns mit Show-Elementen, die nicht nur uns älteren Semestern wie Helge und mir auf den Zeiger gingen.

Ich war nie jemand gewesen, der wild auf der Bühne rumhampelte, unter anderem auch, weil meine besondere Technik in Bewegung erheblich schwerer umzusetzen war. Danica war allerdings gnadenlos. Sie fand sehr schnell heraus, dass das bei reinen Rhythmus-Passagen nicht als Ausrede gelten konnte und ich kriegte Jogging und Fitness-Studio von ihr verordnet, damit wir uns die Kosten für ein Sauerstoffzelt nach dem Auftritt sparen konnten.

Da ich das mit Helge größtenteils zusammen tat, war es noch erträglich und wir fügten uns unserem Schicksal. Er hatte ja wenigstens noch seine lange Mähne, mit der er zur Not auf der Bühne wedeln konnte. Außer Form war er aber mindestens genauso wie ich.

Bei Carol sah das etwas anders aus. Die Damen fetzten sich sehr ordentlich, weil Carol ihre Bewegungslosigkeit als integralen Teil ihrer Performance sah, und Danica der Ansicht war, wenn Leute Statuen bewundern wollen, würden sie ins Museum gehen. Es gelang mir schließlich zu vermitteln, und Carol konnte bei den Stücken, wo es wirklich perfekt passte, das Wesen aus einer anderen Welt spielen. Spielen? Ich war mir immer noch nicht sicher.

Bei den bewegten Stücken, auch und gerade denen mit sexuellen Untertönen, bewegte sie sich dann doch. Und wie sie sich bewegte. Da es oft ein Dialog zwischen uns beiden war, geschah es nicht selten, dass wir beide ganz schön aufgeregt wurden. Und Pausen nutzten, um da schnell noch ein paar Spannungen abzubauen.

Danica bewohnte Carols Wohnung und suchte meines Wissens nicht nach einer eigenen. Carol wohnte jetzt ohnehin bei mir, hatte das schon vor Danicas Ankunft getan. Josie war tatsächlich nicht nur ihre Freundin, sondern auch ihre Mitbewohnerin in ihrer Zweier-WG. Das erfuhr ich aber erst später, denn ich sah die Wohnung erstmals, als ich ihr half, ein paar Sachen mit dem Taxi rüber zu schaffen.

Danica ließ mich weitestgehend in Ruhe, was sexuelle Avancen betraf und Carol klärte mich irgendwann grinsend über die Hintergründe auf. Josies großes Herz und Opferbereitschaft war nämlich nicht nur auf die Männerwelt beschränkt. Sie ließ sich wegen eines beträchtlichen eigenen Appetits zu allen denkbaren Mahlzeiten gerne heranziehen, und schenkte Danica so eine tägliche Diät, an der sie ganz hübsch zu knabbern hatte.

Das Menü wurde dem Vernehmen nach auch noch fallweise um weitere Gäste erweitert. Danica fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer neuen Wohnung, das war ihr anzusehen. Josie & Co taten ihr sicher gut. Zumal sie dort auch durchgängig Englisch sprechen konnte. Sie weigerte sich standhaft Deutsch zu lernen. Sie schien davon auszugehen, dass sie uns ohne Weiteres nach London lotsen könnte, wenn wir uns an unser neues Leben gewöhnt hatten.

Ausgerechnet Hannover. Unser erster Auftritt war in Hannover. Es war reiner Zufall, weil eben die Tourneeplanung der beiden anderen Gruppen das so vorgesehen hatte. An Zufälle konnte ich irgendwie seit geraumer Zeit nicht mehr glauben. Es sollte wohl alles so sein.

Es war kein völlig unbekanntes Gefühl, die Anreise, der erste Sound-Check, das Bekämpfen der Nervosität, weil wir ja wirklich nicht wissen konnten, wie das Publikum uns aufnehmen würde. Ich hatte lange überlegt, ob ich meinen Bruder und ein paar alte Freunde aus Hannover kontaktieren und mit Freikarten versorgen sollte, entschied mich aber dagegen.

Ralf wäre vermutlich gekommen, auch wenn er jetzt schon sechzig war und seine musikalischen Ambitionen sogar noch lange vor mir begraben hatte. Wir hatten tatsächlich in meiner Jugend zusammen in Bands gespielt, er war ein ganz passabler Gitarrist gewesen. In der Zeit, wo ich meine Mutter gepflegt hatte, waren wir allerdings öfter aneinandergeraten. Wegen Geldgeschichten und Ähnlichem.

Wir hatten uns zwar offiziell nach dem Tode meiner Mutter wieder zusammengerauft, aber manche Dinge, manche Angriffe und Auseinandersetzungen vergisst man nicht, auch wenn man sie vergeben hatte. Am Abend des Auftritts gingen mir tatsächlich solche Sachen durch den Kopf. Schafften es, mich abzulenken.

Zumindest für eine Zeit. Vor uns spielte noch eine kleinere lokale Band, von der ich noch nie etwas gehört hatte. Und vermutlich auch nie wieder hören würde, denn sie waren bestenfalls Durchschnitt. Von den großen Stars der amerikanischen Bands hatten wir in unserem abgeschirmten Bereich der Backstage nichts zu sehen bekommen. War waren ja auch noch niemand, und mit niemand gab sich keine Größe ab.

Danica rannte aufgeregt hin und her. Es war ihr tatsächlich gelungen, rechtzeitig zum Konzert einige Hundert CDs zu organisieren, obwohl das große Release erst in einer Woche geplant war. Diese wurden dann im Vorraum zum Verkauf angeboten. Langsam wurden wir alle aufgeregt.

Der Blick zur Uhr erfolgte häufiger, der Herzschlag beschleunigte sich unmerklich. Als die lokale Band ihr letztes Stück begann, führten uns Roadies und Ordnungskräfte hinter die Bühne. Dort erlebten wir das Ende des letzten Stücks und freundlichen, aber nicht besonders frenetischen Applaus. Nicht einmal eine Zugabe wurde gefordert.

Die kurze Umbaupause, denn hier waren Profis am Werk, wo jeder Handgriff saß, verging wie im Flug. Dann gingen dort die Lichter aus und wir bewegten uns im Halbdunkel auf unsere Plätze. Ich hatte eigens für die Bühne einen Opener, also ein Eröffnungsstück geschrieben.

Ich sah Harro in einiger Entfernung zusammen mit einem anderen Techniker hinter dem riesigen leicht erleuchteten Mischpult, daneben der Künstler, den Danica für unsere Light-Show engagiert hatte.

Künstlicher Nebel flutete die Bühne und David spielte den leichten, sphärischen Akkord der das Intro einläutete, immer noch in Dunkelheit. Es wurde stiller in der Halle, obwohl noch viele vom Getränkeholen zurückkamen und ein Teppich aus Stimmen nur langsam von Davids lauter werdenden Keyboard überlagert wurde.

Wir hatten trotzdem bereits ihre Aufmerksamkeit. Jetzt kam mein Part. Mittlerweile konnte ich mit dem Effektgerät umgehen, hatte alle von mir gewünschten Sounds minutiös einprogrammiert. Die Sequenz begann mit einem verspielten Gitarrenintro, das sich um Davids Akkorde rankte, mit viel Echo, eine Melodie, die sich langsam von irgendwoher einfand, sich fokussierte, konzentrierte, an Macht gewann.

In den Hintergrund rückte, als der Spot von oben anging und Carol erfasste, die zu singen begann. Das Wesen vom anderen Stern. Jeden Einzelnen mit ihrer überirdischen Erscheinung und Stimmgewalt erreichte und durchdrang. Ich konnte nur die ersten Reihen halbwegs erkennen, aber der Gesichtsausdruck völliger Verblüffung und Faszination lag auf fast allen von ihnen.

Sie sog an dem Publikum, zog alles auf sich, alles an sich heran, um dann mit dem Einsetzen von Schlagzeug und Drums in wirrem Lichtgewitter die Erlösung in den stampfenden Rhythmus freizugeben, der schon die ersten mitriss, dann mehr, immer mehr.

Alle Nervosität war wie weggeblasen. Der erste Jubelsturm eine beiläufige Genugtuung. Nach drei Stücken kochte die Halle. Wir hatten sie. Und dann kam "Soon". Es war fast wie beim ersten Mal, als wir das Stück zusammen ausprobiert hatten. Wir waren von unserer eigenen Musik überwältigt. Und nicht nur wir.

Überrascht sah ich im Hintergrund vor der Tür zum Backstage-Bereich fast alle Musiker der großen Bands, für die wir ja als Support fungierten. Niemand beachtete sie. Die davor postierten Ordner hätten genauso gut wegbleiben können. Sie hatten ihre Fanbase, also brauchten sie sich darüber keine Gedanken machen, dass wir ihnen die Show stahlen. Aber sie wollten uns, unsere Show sehen. Wir waren kein niemand mehr.

Der Rest des Auftritts war ein einziger Rausch. Die wievielte Zugabe war es, die dritte, die vierte? Ich hatte noch nie ein Publikum so abgehen sehen, weder von der Bühne aus, noch mitten unter ihnen als Zuschauer. Wie in Trance umarmte und küsste ich Carol, nachdem wir endgültig die Bretter, die jetzt auch unsere Welt bedeuteten, verließen.

Von den Musikern der nun folgenden Band abgeklatscht und beglückwünscht, von Roadies und Ordnern mit Mühe wieder Backstage geführt, denn die Menge wollte uns auch ohne Musik gar nicht gehen lassen, ein völlig irres Phänomen. Das waren keine Autogrammjäger, einfach nur Menschen, die ihre Begeisterung über das Erlebte zeigen wollten, und uns nahe sein.

Das war jenseits allem, was ich jemals erlebt hatte. Carol und ich wechselten einen schnellen Blick. Ja, das war ein neunzigminütiger Orgasmus gewesen. Was für ein Brett. Danica schloss uns in ihre Arme, Champagner wurde geöffnet und langsam, ganz langsam sank ein, was gerade passiert war. Wir hatten es geschafft.

Einer der Roadies kam rein, wechselte kurz mit Danica ein paar Worte. Sie schüttelte den Kopf. Kam zu mir und wuschelte in meinem Haar. Carol hatte sich eng an mich geschmiegt, unsere Band wusste natürlich inzwischen längst über unsere Beziehung Bescheid.

"Ihr wart fantastisch. Diesen Auftritt wird hier so schnell keiner vergessen."

"Was wollte der Typ?", fragte ich neugierig, weil das eine der wenigen Szenen um mich herum gewesen war, die ich überhaupt noch bewusst wahrgenommen hatte.

"Er hat gefragt, ob wir noch CDs haben."

"Wieso, verkaufen sie sich gut?", fragte Carol beinahe naiv.

"Sie sind alle weg. Alle 500 sind ihnen aus den Händen gerissen worden. Begreift ihr jetzt, wo das hingeht? Wo ihr jetzt schon seid?"

Nein, so wirklich begriffen wir es noch nicht. ___

Die weitere Tournee wurde ein einziger Triumphzug. Danica hatte Recht behalten. Wir schlugen wie eine Bombe ein. "Soon" kletterte jeden Tag davon weitere Plätze in den Charts. Bis es nichts mehr zu klettern gab. Die Plattenfirma reagierte. Schon in der vierten Stadt gab es keine lokalen Bands mehr. Drei Headliner. Wir spielten zweistündige Sets.

Ticket-Kontingente, die zuvor noch frei geblieben waren, denn Hannover beispielsweise war nicht annähernd ausverkauft gewesen, verschwanden binnen kürzester Zeit und ein Teil wurde für horrende Summen auf Ebay ersteigert. Die Marketing-Maschinerie kam in Gang, Interviews mit Musikmagazinen, im Radio, im Fernsehen.

Irgendwie wussten wir gar nicht, wie uns geschah, brach das alles so unvorbereitet auf uns ein, wie damals Carols Stimme auf mich. Man konnte sich der Geschichte nicht entziehen, es sollte so sein, aber dennoch war es anders, als wir erwartet hatten.

Nichts kann man mit diesem Kick vergleichen, den man auf der Bühne bekommt. Wenn man spürt, was man mit den Zuschauern anstellt. Wie man sie mitnimmt. Mit ihnen und ihren Emotionen spielt. Seine eigenen mitteilt. Der Welt mitteilt. Man gewöhnt sich daran. Aber irgendwie auch wieder nicht.

Es ist anstrengend. Weil man jedes Mal versucht sich und sein Bestes zu geben. Völlig. Vollständig. Es gibt viel zurück, aber es laugt auch aus. Dazu die körperliche Erschöpfung. Das Herumreisen. Und dann der ganze Zirkus drumherum. In der Mitte aber, im Auge des Hurricanes standen Carol und ich. Waren immer wieder in der Lage vom anderen Kraft zu tanken, Ruhe.

War unsere Liebe das, was selbst diesen irrsinnigen Rausch des Erfolgs zu einer reinen Nebensächlichkeit degradierte. War das Wir mit seinem Ausdruck in unserer Musik das einzige, was zählte. Hielten wir uns an den Händen als uns diese Welle steil nach oben spülte, und verloren trotzdem nicht den Boden unter den Füßen.

Und da war Danica. Biz is a bitch. Keiner wusste das besser, als sie. Die Industrie weiß um ihre Kurzlebigkeit. Heute ein Hit, morgen Shit. Drum rausholen, was rauszuholen geht. Noch schneller pushen. Und so viel von den dicken Scheinen einsacken, wie nur irgend geht. Die Flammen schüren, damit es heißer brennt. Solange und so schnell es geht. Wen interessiert die Asche am nächsten Tag.

Ohne Danica wären auch wir wahrscheinlich verheizt worden. Sie ließ das nicht zu. Stellte sich wie eine Löwin vor ihre Junge, reagierte auf das erste Zuviel mit Zähnefletschen und Knurren. Gab keinen Zentimeter Boden preis, den sie nicht wollte. Ich hätte nie gedacht, dass sie eine so harte Frau sein konnte. Aber ich war froh darüber.

Trotz all dem Wahnsinn sehnten wir das Ende der Tournee herbei, nach dem vorletzten Konzert in Hamburg endete sie in Berlin. Schloss sich der Kreis. Spielten wir vor ausverkaufter Halle bereits vor einer großen Anzahl eigener Fans. Die anderen beiden Bands hatten sich mit ihren Managern abgestimmt und fragten über Danica an, ob wir nicht beim letzten Konzert als letzte spielen wollten.

Als Würdigung unserer Musik und auch aus Dankbarkeit, denn von den ausverkauften Hallen profitierten schließlich alle. Wir gaben noch einmal alles. Es wurde ein fantastisches Konzert. Ein weiterer kleiner Gipfel. Und wir waren dankbar, endlich wieder auf die Erde zurückzukommen. Nach Hause.

Am nächsten Abend luden wir Danica zu mir zum Abendessen ein. Auch ihr waren die Strapazen der überstandenen Tournee anzusehen. Wir waren halt beide keine Frischlinge mehr. Wir hatten es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht, Carol kuschelte an meiner Brust und strahlte ihre Mutter an.

"Du bist glücklich", gab Danica dem Offensichtlichen Ausdruck.

"Ja, ich bin glücklich. Glücklich das erlebt zu haben, glücklich, es mit euch erlebt zu haben", antwortete Carol und ihr ohnehin schon strahlendes Gesicht wurde noch eine Spur heller und weicher.

"Und so unendlich dankbar. Auch dir Mum. Besonders dir. Tom kann gar nicht anders, weil er mich abgöttisch liebt. Aber du hast mich überrascht. Hast mir mehr gegeben, als ich dich jemals zu fragen gewagt hätte. Dafür danke ich dir."

"Ich habe einiges gutzumachen. Und bin froh, dass ich jetzt die Gelegenheit dazu habe."

Carol trank einen Schluck Wein. Sah mich lange liebevoll an. Schaute wieder zu ihrer Mutter. Wieder zu mir. Und ich verstand. Lächelte ihr mein Einverständnis entgegen. Sie suchte wieder den Blick ihrer Mutter.

"Du hast mir gegeben, was ich will. Jetzt geb ich dir, was du brauchst."

Danica starrte sie verständnislos an. Ich löste mich von Carol und setzte mich zu ihr. Küsste sie. Erst zärtlich. Mit wachsender Leidenschaft. Zeigte ihren wundervollen Brüsten, dass ich sie keineswegs vergessen hatte. Streichelte ihren ganzen Körper. Der zitterte. Erschauerte. Vibrierte.

Plötzlich stand Carol vor uns. Nahm uns an die Hand und zog uns vom Sofa hoch. Führte uns ins Schlafzimmer.

"Zieh sie aus", wies sie mich an. Noch eben vom Zauber des Augenblicks gefangen, schrak Danica jetzt leicht auf.

"Bist du dir sicher?", fragte sie Carol schnell.

"Ich bin mir sicher."

Meine Rückversicherung brauchte sie sich nicht abzuholen. Sie spürte sie. Wie meine Hände, die sie jetzt streichelnd aus ihrer Kleidung schälten. Jeden Zentimeter frei gelegter Haut liebkosend begrüßten. Und anschließend mit Küssen bedeckte. Als letztes entfernte ich ihr kleines Höschen. Kniete vor ihr und vergrub mein Gesicht in ihrem Schoss. Fühlte das leichte Kitzeln ihres schmalen Landungsstreifen, atmete den vertrauten und nie ganz vergessenen Duft ihrer Weiblichkeit ein. Hauchte einen Kuss darauf.

Ihr Zittern verstärkte sich. Es war Zeit sie zum Bett zu geleiten. Carol, die sich lediglich ihre Jeans ausgezogen hatte, zog sie zu sich heran. Streichelte zärtlich das Haar ihrer Mutter und küsste sie auf die Stirn. Sah dann gemeinsam mit ihr mir zu, wie ich mich langsam auszog. Mit einem Gesichtsausdruck überirdischer Liebe und Güte. Jetzt sah sie wirklich wie ein kleiner Engel aus.

Danicas Kopf ruhte auf Carols Brust, als ich mich nackt zu ihnen begab. Kniete vor Danicas aufgestellten Beinen und strich weich von ihren Füßen zu ihren Waden, hauchte mit den Fingerspitzen über ihre empfindlichen Kniekehlen einwärts zu den zarten Innenseiten ihrer Schenkel, die sie noch ein wenig weiter öffnete.

Mir Platz machte, ein wenig vorzurücken, mit den Händen auf ihren Oberschenkeln höher zu gleiten. Sanft die Konturen ihres Körpers nachzuzeichnen, die geschwungenen Hüften einwärts zur sanften Wölbung ihres Bauchs. Mit beiden Händen synchron wieder auswärts, zu den empfindlichen Punkten nahe den Leisten.

Die Berührung noch zarter, noch sanfter gestaltend, dann wieder höher ziehend, auf ihre Brüste zu, während ich meinen Körper zwischen ihre Beine sinken ließ. Mein Gesicht an ihren Schenkeln rieb, während meine Hände ihre Brüste liebkosten. Ihr Becken hob und senkte sich leicht, brachten den Ort in Fokus, der bisher von meinen Zuwendungen ausgespart gewesen war.

Dem ich nun die Aufmerksamkeit schenkte, die dort ersehnt wurde. Sanft mit der Zunge über ihre samten-feuchte Öffnung hinwegglitt und die leicht eingerollten Lippen teilte, die Feuchtigkeit mitnehmend und vertiefend.

Ihren kleinen Schwellkörper mit der Zunge vorsichtig umfahrend, um dann einen Kuss darauf zu platzieren. Leicht an ihm saugte, dann stärker, ihn entließ, mit der Zunge erfühlte, nur leichten Druck ausübend, sonst unbewegt.

Der sich ohne mein Zutun verstärke, weil sie sich gegen mich presste. Ich zog mich sofort leicht zurück, denn ich brauchte die Distanz um jetzt die Zunge in Bewegung zu bringen. Immer noch langsam, immer noch nur meine Präsenz verkündend. Ihr Genuss verschaffend, nicht um Erregung zu steigern, sondern um seiner selbst willen.

Immer wieder unterbrochen, vom sanften Abtauchen zum Ort der Entstehung meiner Geliebten, die auch weiterhin sanft das Haar ihrer Mutter streichelte und alle ihr möglichen Eindrücke in sich aufnahm.

Bis dahin hatte ich mit meinen Händen ihre Brüste umschlossen, leicht geknetet und mit ihren Brustwarzen gespielt. Nun ließ ich sie wieder zu mir gleiten, drehte die rechte ein und öffnete zum V, um den freien Zugang für weiteres zu gewinnen.

Ließ meine Zunge seine alte Geliebte aufs Neue entdecken, sich selbst in Erinnerung rufen, wie sie sich auf ihr zu bewegen hatte, den stummen Dialog zweier innigst Vertrauter selbst wiederaufnehmen. Brauchte nicht einmal das nun reichlich vorhandene akustische Feedback. Genoss dennoch die von wohlig bis lustvoll oszillierenden Laute, die ihrem halbgeöffneten Mund entwichen.

Verbarg die sanfte Beschleunigung unter dem Mantel der Gleichmäßigkeit, die Steigerung der Intensität. Deren Ergebnis sie nur zu deutlich spürte, mehr und mehr von ihrem Körper geriet in leichte Bewegung, ihr Atem ging schneller, und stoßweises, heiseres Stöhnen löste sich mit gurrenden Lauten ab.

Noch auf einem Plateau, aber schon die Steigung der Spannungskurve betretend, die ich bei ihr immer als extrem steil erlebt hatte. Ihr Becken vibrierte und schob sich dann in die Höhe als deren und ihr Gipfel erreicht war, presste ihrer Vorliebe folgend nur meine Lippen fest auf ihre für einen Moment ruhebedürftige Weiblichkeit.

Das Intervall zur Wiederaufnahme aus dem Körpergedächtnis abgerufen. Und langsam den Genuss zurückkehren lassend, das Gleiten auf dem sanften Strom der Lust. Ihr Erleben graduell intensivierte, sie nicht trieb, sie treiben ließ.

"Genug", presste sie geraume Zeit später hervor, als ich erneut ansetzte.

Mit mir selbst durchaus nicht unzufrieden ließ ich von ihr ab und legte mich neben sie, bot Carol meinen Mund an und küsste sie zärtlich, als sie meiner Aufforderung folgte. Erst dann kam mir zu Bewusstsein, dass es für sie eventuell etwas eigenartig sein musste, den Geschmack ihrer Mutter auf diese Art mitgeteilt zu bekommen.

Es schien sie nicht zu stören. Ich löste meine Lippen von ihren und küsste Danica, die mit geschlossenen Augen dalag und sehr entspannt wirkte. Ihr Atem hatte sich beruhigt. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und presste ihren Körper gegen mich. Seufzte tief, ein wohliges, erlöstes Seufzen.

Dem ich ähnlich Klingendes kurze Zeit später antwortete, denn ihre Hände tasteten sich von meiner Brust hinab zu dem bisher noch gar nicht involvierten, aber durchaus motivierten besten Stück. Danicas magischen Hände. Die Tote zum Leben erwecken können. Lahme wieder gehen. Diese Talente waren keineswegs gefragt.

Ein gerüttelt Maß an Leben bereits in dem nun Verwöhnten, vermehrte sich rasch zur vollen Bereitschaft. Stieß gegen ihre Bauchdecke, rutschte etwas tiefer. Sie hob ihr linkes Bein und brachte es auf meinem Oberschenkel zum Ruhen, damit ich seitlich in sie eindringen konnte. Führte mein Glied selbst ein.

Wir genossen unsere Wiedervereinigung lange in vollen Zügen, sahen uns tief in die Augen und küssten uns leicht auf Lippen, bevor ich mit meinen Bewegungen begann. Diese eigenartige Gleichschaltung mit ihr erneut erlebend, sich wie von selbst auf demselben Niveau der Erregung einfindend.

Diese ohne Dringlichkeit aber in voller Konsequenz steigernd, die optimale Nische nicht weit unter der Schwelle erreichend, um dort in Bewegung zu verharren. Fühlte, wie Carol sich von hinten an mich schmiegte, ihr Gesicht auf meines legte. Miterlebte wie ich mit ihrer Mutter Minuten später einen gemeinsamen Höhepunkt erlebte.

Die sich im Folgenden in ähnlicher Zuschauerrolle fand, bis wir schließlich alle drei erschöpft und befriedigt einschliefen. ___

Es war ein einzigartiges, unglaublich intimes Erlebnis, das sich nicht wiederholte. Uns dennoch tiefer verband. Ein Gefühl tiefen Vertrauens schuf.

Der Alltag des Biz holte uns bald ein. Das Label drängte auf ein zweites Album, oder zumindest weitere Songs mit Chart-Potential. Ich schrieb einige ganz ordentliche Sachen, aber an "Soon" reichte nichts davon wieder heran.

Es reichte, um das Label und auch unsere Fans zufriedenzustellen, das zweite Album war nicht schlechter, als das erste. Die nächste Tournee stand an, diesmal mit uns als alleinigem Headliner. Nur wenige deutsche Großstädte, aber dafür quer durch ganz Europa. Da verließ Piet uns. Seine Frau brachte ihr drittes Kind zur Welt. Er wollte sie nicht allein lassen, konnte alles nicht mehr miteinander vereinbaren.

Wir verstanden und akzeptierten es, aber schade war es doch. Er war ein wirklich guter Drummer gewesen. Aber auch der Hauptgrund, warum wir in Berlin geblieben waren. Für die Tournee engagierten wir einen mit Helge befreundeten Studiomusiker, den er zurecht wärmstens empfahl. Er fand sich schnell in unser Set und unsere Musik ein.

Danica nutzte die Gelegenheit, uns an unsere neuen Optionen zu erinnern, ohne das zu übertreiben und damit Widerstand aufzubauen. Ich sprach einige Male mit Carol darüber, bevor wir auf Tour gingen. Grundsätzlich hatte ich nichts mehr gegen einen Umzug nach England.

London war jedoch ein abgeschlossenes Kapitel meiner Vergangenheit und ich sträubte mich innerlich, es zur Gegenwart oder Zukunft zu machen. Nicht zuletzt deshalb, weil es auch wieder eine lichtverschmutzte, hektische und laute Großstadt war.

Unser ganzes neues Leben war anstrengend. Mir stand mehr der Sinn nach einem echten Refugium, wo insbesondere ich mich regenerieren und zur Ruhe kommen konnte.

Carol war es gleichgültig, wo wir leben würden. Ihr war nur wichtig, dass wir zusammen waren und auch Danica in unserer Nähe blieb. Wir überlegten uns einen Kompromiss, den wir dann Danica und der Band vorstellen wollten. Solange wir mit der Band aktiv waren, sei es im Studio, in Proben für unser Set oder aus anderen Gründen, würden wir bei Danica in London wohnen.

Uns aber ein kleines Haus mit Grundstück in Cornwall suchen. Vom Klima und Landschaft eine der schönsten Gegenden Englands, ein Ort wo das Leben sehr viel langsamer und beschaulicher verlief, wo ich in Ruhe komponieren und auch meinem geliebten Hobby nachgehen konnte, wozu ich in letzter Zeit kaum noch gekommen war.

David und Danica erklärten sich sofort mit dem Plan einverstanden, Helge war verunsichert, denn sein Englisch war nicht das Beste und der Umzug in ein fremdes Land schwer vorstellbar. Er bat sich zunächst Bedenkzeit aus und wir vertagten die Entscheidung bis nach dem Ende der Tournee. Wir machten ihm aber auch deutlich, dass er uns wichtig genug war, um diesen Schritt nicht zu gehen und in Berlin zu bleiben.

Er besuchte mich öfter, wenn Carol mit Danica unterwegs war, die eine Menge Zeit miteinander verbrachten, nicht nur wegen der Musik. Ließ sich von mir von meiner Zeit in London erzählen und auch meinen anfänglichen sprachlichen Schwierigkeiten, weil sich mein Schulenglisch als wenig alltagstauglich entpuppte.

Er brauchte Übung und Selbstvertrauen, und so gab ich ihm bei seinen Besuchen die Gelegenheit ein wenig mit mir zu üben, ihn zu korrigieren und Vokabeln zu liefern, die ihm nicht einfielen, oder die er schlicht nicht kannte.

Da Andreas ebenfalls sehr gut Englisch sprach, dehnten wir das auf unsere Proben aus und auch Danica schaltete sich ein, gab ihm trotz ihrer reichlich vorhandenen Arbeit einen maßgeschneiderten Privatkurs.

Von uns unbemerkt entwickelte sich dabei nicht nur sein Sprachvermögen. Zunächst eine enge Freundschaft. Und später mehr.

Der Beginn und Ausgangspunkt unserer Tour war Berlin, unser Heimspiel vor ausverkauftem Haus, ein erstes Highlight, wo wir dennoch in der Nacht in unsere eigenen Betten schlüpfen konnten. Bereits am nächsten Abend flogen wir nach München, wo am Folgetag das nächste Konzert stattfand.

Diese Tour erlebten wir ganz anders, schon nach der nächsten Station wurde es Routine, Gleichförmigkeit, Städtenamen wechselten, Hotels wechselten, Hallen wechselten, aber wohin wir auch kamen, fanden wir volle Hallen und begeisterte Fans vor, schafften wir den Zugang zu ihnen und machten jedes Konzert zu einem schönen Erlebnis.

Die Tour führte nach einem Abstecher in Wien nach Osteuropa, in einer Schleife zurück über Italien und Spanien nach Frankreich, wo das wir nach dem letzten Konzert in Paris zu unseren finalen Zielen in England und Schottland aufbrachen.

Unsere beiden Alben hatten sich hier ebenfalls hervorragend verkauft und die Hallen waren ebenso ausverkauft wie überall sonst. Helge war während der Tour total aufgeblüht, den Grund erfuhren wir allerdings erst in Leeds, unserer zweiten Station im UK, als wir am Morgen vor dem Konzert gleichzeitig unsere Zimmer verließen.

Das heißt, wir unseres und er Danicas mit ihr zusammen. Das gab uns noch einen weiteren emotionalen Kick und entschied auch unsere nahe Zukunft, denn die Entscheidung war damit bereits gefallen.

Wir fühlten uns als professionelle Musiker, die ihrem Publikum ihre Musik gaben. Nicht als Stars, obwohl wir als solche gehandelt wurden. Das Spiel von Geben und Nehmen mit dem Publikum gab uns unseren Kick und nicht unsere relative Berühmtheit. Wir wollten keine Stars sein, wir wollten Sterne sein, Sonnen, die strahlten, Licht und Wärme spendeten.

Kein wildes Leben mit Sex and Drugs and Rock and Roll, dafür sorgten schon Carol und Danica, sondern ein Leben für die Musik und die Liebe. Vielleicht war eine Ursache unser fortgeschrittenes Alter, David war schon Mitte vierzig und nahm seine langjährige Partnerin mit auf die Tournee. Wir hingen mit großer Wahrscheinlichkeit an keinen Wänden schmachtender Teenies.

Aber wir lebten mit unserer Musik in vielen Herzen. Da, und nur dort, wollten wir hin. Das Abschlusskonzert der Tournee fand in London statt, im Hammersmith Odeon. Uns war klar, dass unser nächster Auftritt dort vor heimischer Kulisse stattfinden würde. Die Entscheidung war gefallen.

Auch Harro entschloss sich, bei uns zu bleiben. Er war viel mehr als nur unser Techniker, er war ein guter Freund und fester Bestandteil der Band. Er reiste mit unserem Equipment mit Andreas, David und seiner Freundin zunächst zurück nach Berlin, während wir spontan in London blieben.

Es war ein Abschied von Andreas, der unser Angebot, in der Band zu bleiben, ausschlug. Er hatte die Tour genossen, die finanziellen Mittel gut gebrauchen können, da er plante sich ein Haus zu bauen, in seiner Heimat, nahe Berlin. Mehr hatte er nie gewollt.

So blieben nur Carol und ich mit dem nicht mehr ganz so jungen Glück in London und Danicas Wohnung, zeigten Helge unsere Stadt, die nun auch bald seine werden würde. Schon eine Woche später fuhren wir mit einer mit Danica befreundeten Maklerin nach Cornwall, um uns erste Häuser anzusehen. Das erste war schon sehr reizvoll, aber schon als wir den Weg zum zweiten angebotenen Haus hinauffuhren, wussten wir, dass dies unseres werden würde.

Es war ein wirklich großes Grundstück, mit von Obstbäumen gesäumten Wiesen und einem wunderschönen Garten, ein schmuckes kleines Haus mit einem Flair, das uns sofort ansprach. Genug Platz im Keller für ein kleines Studio, vier Zimmer auf zwei Etagen, also mehr als genug für uns zwei. Große Fenster und Flügeltüren zum Garten durchfluteten die Räume mit Licht und Wärme.

Wir sagten sofort zu. Der Preis war angemessen und für uns tatsächlich nicht das mindeste Problem. Vor meinem geistigen Auge baute ich schon einen im Garten befindliche Schuppen in ein kleines Observatorium um. Hier würde ich den Sternen nah sein können, näher als jemals zuvor.

Hier würde ich meinen und wir unseren Frieden finden können. Wenn auch nur auf Abruf. Wenn auch nur für eine unbestimmte Zeit. ___

"Hier, schau dir das an. Das ist der Orionnebel", teilte ich meiner Geliebten mit.

Noch hatte ich den Bau des Observatoriums nicht begonnen, das Teleskop stand mitten im Garten, die Sterne funkelten im klarem dunklen Septemberhimmel.

"Schade, dass man keine Farben sieht", meinte Carol. "Wirst du ihn nachher noch fotografieren?"

"Ja, natürlich. Hm. Du bist mir noch ein Geheimnis schuldig."

"Bin ich das? Und das wäre?"

"Von welchem Stern kommst du?"

Sie lachte kurz auf. Dann deutete sie scheinbar auf dem Himmel, doch endete ihren weit umfassenden Bogen mit dem Zeigen auf mein Herz.

"Von da. Da komm ich her und dahin bin ich zurückgekehrt. Da bin ich zuhause."



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