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Die Ausschreibung (fm:Lesbisch, 6490 Wörter)

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Veröffentlicht: Dec 03 2019 Gesehen / Gelesen: 19154 / 14814 [77%] Bewertung Geschichte: 9.27 (71 Stimmen)
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Eine der nervenaufreibendsten Aufgaben in der Führungsebene ist es, Ausschreibungen durchzuführen und eine Auswahl zu treffen. Es ist nun meine glorreiche Aufgabe, eine Finanz Controlling Lösung zu finden, womit wir ein wenig unabhängiger vom großen Anbieter mit den drei Buchstaben werden können. Wir befinden uns in der letzten Phase. Ich fokussiere auf die kleineren Anbieter und werde von unzähligen Vertrieblern angemacht (nein, nicht sexuell, sondern "verkäuferisch", wobei ich mir nicht sicher bin, was schlimmer ist).

Es gibt da aber auch ein Kuckucksei. Ein kleineres Softwareunternehmen lässt sich durch eine junge Anfängerin repräsentieren. Ich nehme an, diese Ausschreibung wurde ihr zugewiesen, weil die Firma keine reelle Chance für eine Beauftragung sah. Denn sie ist ungeschickt, nervös, durch und durch grün hinter den Ohren. Doch sie gefällt mir. Das feine Näschen, die markanten Wangenknochen, das sanftmütige Kinn und die Nerd-Brille. Ich hätte aber gar keine Gelegenheit gehabt, überhaupt mit ihr zu sprechen, wäre ihre Firma nicht während des Assessments auf die Shortlist gesetzt worden. Ihre Präsentation ist zwar katastrophal, aber die Lösung sieht gut aus, der Preis stimmt und wir wären bei weitem der größte Kunde von ihnen, was eine privilegierte Behandlung in Aussicht stellt.

Da später die ganze Verantwortung bei mir liegen wird, muss ich inoffiziell die Entscheidung treffen. Ich lade sie also zu einem erneuten Termin ein. Sie erscheint im Standard-Business-Outfit: schwarzer Rock, weiße Bluse und grauer Blazer. Sie hat einen leichten Entengang, sportlich ist sie also nicht, aber ihr Hintern ist ansprechend. Sie wirkt gestresst und ausgelaugt. Ich möchte sie entkrampfen und biete ihr einen Tee an. Wir plaudern eine halbe Stunde lang über Belanglosigkeiten. Ich kann nicht anders, ich muss mit ihr flirten. Sie reagiert positiv, lächelt und ich bemerke dieses gewisse Blitzen in ihren Augen. Jenes wohlgesinnte Blitzen, das ihre Neigung zu Frauen verrät. Ob dies nur eine Neigung ist, die nie erfüllt werden will, oder ob mehr dahintersteckt, will ich nun unbedingt herausfinden.

Nachdem sie entspannter wird, können wir uns den geschäftlichen Themen widmen. Ich lasse sie noch einmal alles zusammenfassen und habe mehr denn je den Eindruck, dass sie kaum Ahnung von ihrem eigenen Produkt hat. Ich stelle Rückfragen, bohre mich in vertragliche Details, bekomme aber nur verwirrende Antworten. Es erscheint sinnlos, das Gespräch weiter auf fachlicher Ebene zu halten, also schlage ich eine scharfe Kurve in eine persönlichere Richtung ein.

"Frau Reiter, ist es ihre erste größere Ausschreibung, an der Sie teilnehmen?", frage ich.

Die Frage dient nur als Einleitung. Die Antwort kenne ich schon lange, denn in solch einem Auswahlprozess holt man sich für gewöhnlich ausführliche Informationen über die Firmen und deren Vertreter ein.

Sie nickt und versucht erst gar nicht, diese Tatsache zu erklären oder zu relativieren. Absolut untypisch im Vertrieb.

"Jetzt, auf der Zielgerade, ist es wichtiger denn je, dass sie bei mir einen guten Eindruck von sich, Ihrem Produkt und Ihrer Firma hinterlassen", belehre ich sie. "Ich glaube, hier gibt es noch Defizite."

Auch jetzt sagt sie nichts, sondern presst nur sanft ihre Lippen zusammen.

"Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?"

Sie schaut mich unverständlich an.

"Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal? Womit heben Sie sich von Ihrer Konkurrenz ab?", frage ich nochmals.

Daraufhin stottert sie etwas von Kundenorientiertheit und performanter Software. Als Reaktion erhält sie von mir einen gelangweilten Blick, der sie noch mehr verunsichert.

"Nein, ich meinte Ihr persönliches Alleinstellungsmerkmal!", zeige ich mit dem Finger auf sie. "Sollten Sie die Ausschreibung gewinnen, würden

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