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Mein Weg - Silberhochzeit 3 (fm:Sonstige, 26373 Wörter)

Autor:
Veröffentlicht: Oct 10 2022 Gesehen / Gelesen: 9275 / 5999 [65%] Bewertung Geschichte: 9.37 (46 Stimmen)
So war es und so ist es heute

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Liebe Grüße

Bea

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Den anderen Lesern, die auf eine Fortsetzung warten, möchte ich zunächst für die gute Bewertung danken. Ich habe mit so viel Resonanz ehrlich gesagt nicht gerechnet.

Dankeschön!

Ein Kommentator beschrieb meine  Geschichte als etwas konfus, sie käme so herüber als wäre sie mir bekannt und ich hätte sie in meinem Kopf. - Das habe ich, mein Lieber, denn schließlich ist es meine Geschichte, die aus Erinnerungsfetzen zusammengestellt wurde. So wie es halt geschieht, wenn man sich an zurückliegende Dinge erinnert. Die einzelnen Szenen wirbeln im Zeitraffer durch den Kopf, bei manchen bleibt man etwas länger hängen, andere lösen sich ganz schnell wieder auf.

Also, ihr Lieben, in Anbetracht der Tatsache, dass ich unter keinen Umständen riskieren möchte, hier irgendwen mit der Beschreibung von Gefühlen zu konfrontieren, die eventuell bei bestimmten Personen einen "Flashback" auslösen könnten, werde ich versuchen eine, an den kritischen Stellen, möglichst nüchterne und so gut es geht emotionslose Zusammenfassung zu veröffentlichen.

Obwohl ich eigentlich momentan mit ganz anderen Dingen beschäftigt bin, nahm ich mir die Zeit sie zu schreiben, weil ich euch eine Fortsetzung versprach und für gewöhnlich halte ich meine Versprechen.

Da die meisten unter euch hauptsächlich an den Hintergründen und dem Fortgang der Geschichte interessiert sind, werde ich mich aus zeitlichen Gründen auch weitestgehend darauf beschränken.

Es tut mir leid dass ihr so lange gewartet habt, aber Privatleben geht halt vor, ich denke das versteht jeder von euch.

Ihr werdet auf all eure Fragen zur Geschichte eine Antwort finden.

Eine Triggerwarnung reicht nicht aus, ich denke mal sie weckt nur das Interesse und wird niemanden vom Lesen abhalten.

Ich werde weiterhin die schon vertrauten Namen verwenden, obwohl ich selbst kein Problem damit hätte unsere Identitäten preiszugeben. Allerdings würde das nur für Verwirrung sorgen, denn die Geschehnisse aus Silberhochzeit 1 + 2 werde ich aus zeitlichen Gründen  überspringen. Jeder der es noch nicht gelesen hat, kann dies gerne nachholen, ansonsten wird dieser dritte Teil absolut keinen Sinn ergeben. Die anderen Leser werden sich entweder daran erinnern oder eventuell auch nochmal lesen müssen. Tut mir leid!

Dankeschön ihr Lieben!

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Mein Weg - Silberhochzeit 3

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Im Jahre 1972 wurde ich in einer Kleinstadt in NRW geboren. Seit dem Zeitpunkt, an dem ein Kind dazu fähig ist seine Erinnerungen zu speichern, war das Verhältnis zwischen meinen Eltern mal liebevoll und dann mal wieder eiskalt und gespannt. Ich hatte jedes Mal Angst an den Tagen, wenn sie sich angifteten, denn ich wusste zu genau, was mich in der folgenden Nacht wecken würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, was mein Vater mit meiner Mutter im Schlafzimmer anstellte, was das Klatschen, die Schreie und was das laute Stöhnen meiner Mutter zu bedeuten hatte, sicherlich nichts Gutes. Die ärgerliche, laute Stimme meines Vaters gab mir stets den Rest und ich verkroch mich verängstigt unter meine Decke. "Ich ficke dir das Hirn aus dem Schädel, solange bis du endlich begreifst, zu wem du gehörst, du Miststück!", schrie er oftmals. Irgendwann stöhnten sie gemeinsam gequält auf und dann war Ruhe. Mit der Zeit fiel mir auf, dass sie in den Tagen darauf besonders nett miteinander umgingen. Bis das Spiel nach einigen Tagen, manchmal auch Wochen, von neuem begann. Mein Vater war meistens sehr lieb zu mir, wenn er mit mir kuschelte, sagte er: "Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich machen würde, mein kleiner Engel." Er nannte mich immer seinen Engel, nur selten redete er mich mit meinem Namen an. Meine Mutter dagegen war stets abweisend und äußerst selten nett zu mir, deshalb war ich vollkommen auf meinen Vater fixiert. Es kam häufig vor, dass sie mit mir schimpfte, oder sogar so wütend wurde, dass ich mir ein paar Schläge einfing, obwohl ich mir keiner Schuld bewusst war. Aber mit der Zeit steckte ich das immer besser weg und ging ihr so gut es möglich war aus dem Weg. Ich war mir absolut sicher, dass sie mich überhaupt nicht lieb hatte.

Ich wurde zu einem relativ schüchternen Schulkind, mit einem sehr geringen Maß an Selbstwertgefühl. So eine Schülerin, die nicht gerne auffällt und sich lieber in der Ecke verkriecht statt auf ihre Mitschüler zuzugehen. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass nur meine Sitznachbarin Lisa zu meiner Freundin wurde.

Hin und wieder passierte es, dass ein fremder Mann unsere Wohnung verließ, wenn ich aus der Schule zurückkam. In dem Alter hatte das noch keine Bedeutung für mich. Mein Vater kam Nachmittags von der Arbeit und ich fieberte stets dem Augenblick entgegen, denn hin und wieder spielte er dann mit mir, meistens aber war er still und schweigsam, las die Zeitung, oder schaute sich im Fernsehen die Nachrichten an. Die nächtlichen Geräusche, die mich hin und wieder weckten, machten mir schon lange keine Angst mehr, es gehörte einfach zu meinem Leben, genauso, wie das Verhalten meiner Mutter mir gegenüber.

Mein Vater erklärte mir mehrmals, dass ich fleißig lernen müsse um später mal einen schönen Beruf ausüben zu können und für ihn gab ich mir besonders viel Mühe, in der Hoffnung, dass er mich loben würde und mir seine Aufmerksamkeit schenkte, das geschah allerdings immer seltener.

Ich schaffte den Schritt auf das Gymnasium. Lisa schaffte es auch, genauso wie Alessandro, der ebenfalls in unserer Grundschulklasse gewesen war. Zu unserem Glück wurden wir auch auf der neuen Schule derselben Klasse zugeteilt. Anfangs waren wir drei unzertrennlich, aber wie das so ist - Jungen sind ja in dem Alter bekanntlich doof - zog es Alessandro dann doch recht schnell zu den männlichen Klassengefährten hin.

Je älter ich wurde, desto mehr Bedeutung maß ich den nächtlichen Geräuschen zu, schließlich war ich ja nicht blöd. Es kam zwar nicht mehr vor, dass fremde Männer unsere Wohnung verließen, dafür war meine Mutter des Öfteren nicht zu Hause, wenn ich heimkam, manchmal ging sie abends zu einer imaginären Freundin, und kam sehr spät, oder auch erst in der Frühe wieder Heim. Mein Vater war still und in sich gekehrt.

Ich traf mich nach der Schule häufig mit Lisa. Sie war meine einzige Freundin, alle anderen Mädchen wollten nichts mit mir zu tun haben. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl in der Schule, dennoch lernte ich fleißig weiter, ansonsten gab es ja sowieso nicht viel Abwechslung in meinem Leben.

Die Ablehnung meiner Mitschüler mir gegenüber nahm stetig zu, man tuschelte hinter meinem Rücken und lachte über mich. Selbst die Schüler der anderen Klassen sahen mich merkwürdig an. Lisa hielt zu mir, obwohl sie sich auch immer öfter mal mit anderen traf. Ich war ziemlich einsam, hörte viel Musik, las irgendwelche Bücher, die ich mir in der Schulbibliothek auslieh, oder lernte.

Kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag lud Alessandro mich zum Eisessen ein. Vollkommen überrascht, wollte ich ihm erst einen Korb geben, aber sein verschämtes Lächeln und sein treuherziger, erwartungsvoller Blick hielten mich davon ab.

Es war ein schöner Nachmittag, er brachte mich mehrmals zum Lachen und meinte, ich sollte dies viel öfter tun. Zunächst verabredeten wir uns nur hin und wieder, bis es schließlich zur Gewohnheit wurde, dass wir unsere Freizeit miteinander verbrachten, manchmal nur zu zweit und manchmal war auch Lisa dabei. Wir lernten zusammen, machten unsere Hausaufgaben gemeinsam, trafen uns ab und zu mit den ein oder anderen Freunden von Alessandro, die nicht auf unserer Schule waren und ich genoss die Zeit.

Täglich holte er mich morgens zum Unterricht ab und begleitete mich auch wieder nach Hause. Unsere Mitschüler wurden immer gemeiner zu mir, doch ich hatte Alessandro und Lisa an meiner Seite, die mich erbittert verteidigten. Alessandro wurde zwar auch regelmäßig verspottet, wenn er sich für mich einsetzte, aber ihn schien das nicht zu belasten. Wenn es ihm zuviel wurde, drohte er stets damit seinen Bruder zu holen und die anderen trollten sich.

Zuhause war die Situation äußerst gespannt, deshalb verzog ich mich regelmäßig gleich auf mein Zimmer, wenn ich abends heimkam.

Es war ein Sonntag, als mein Vater mich in seine Arme zog und lange an sich gedrückt hielt, mittlerweile war ich schon fünfzehn.

"Ich muss für ein paar Tage zu Onkel Martin, es geht ihm nicht gut. Versprich mir, dass du immer ein braves Mädchen bleibst, mein Engel", flüsterte er, küsste meine Stirn und wandte sich zum Gehen. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal um und winkte mir zu. Sein Blick war merkwürdig, irgendwie traurig, aber noch viel mehr als das. Ich schob es auf die Tatsache, dass er sich um seinen Bruder sorgte und winkte ihm ebenfalls lächend zu. Dass in seinem Abschiedswort etwas Bedeutendes fehlte, nämlich " ... bis ich zurückkomme", am Ende des Satzes, nahm ich nicht wahr.

Ein paar Tage später legten meine Mitschüler erst richtig los, sie bezeichneten mich als Hurentochter und weit schlimmeres. Alessandro fragten sie, ob er meine Mutter auch schon mal geknallt hätte und plötzlich stand er ebenso im Mittelpunkt ihrer Gemeinheiten, dennoch stellte er sich immer wieder schützend vor mich.

Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was passiert war und hoffte darauf, dass mein Vater bald zurückkommt.

Lisa war es, die mir schonend beibrachte, dass mein Vater uns verlassen hatte, weil meine Mutter ihn jahrelang wahllos mit irgendwelchen Männern betrogen hatte. Bevor er ging, wurde sie mit ihrem letzten Lover von seiner Ehefrau in flagranti erwischt, diese machte gleich Nägel mit Köpfen, packte ihre Sachen und zog mit Kind und Kegeln aus.

Mutter wurde ebenfalls immer gemeiner zu mir und ich durchlebte die Hölle. Alessandro und Lisa waren die Einzigen, die es gut mit mir meinten.

Alessandro küsste mich mittlerweile häufig und hielt mich fest in seinen Armen, wenn er mich tröstete. Ich fühlte mich sehr wohl dabei, sicher und geborgen, obwohl meine Gedanken zumeist auf den nächsten Schultag gerichtet waren, oder meine Sorge, was mich zuhause wieder erwarten würde, für Ablenkung sorgte.

Ungefähr fünf Monate nachdem mein Vater fortging - meine Mutter arbeitete seit ein paar Wochen im Nachbarort und ich musste mich täglich um den Haushalt kümmern - fand ich einen Brief obenaufliegend im Müllbeutel, genauso, wie alle zwei Tage die obligatorische, leere Schnapsflasche, achtlos entsorgt. Ich nahm ihn heraus, weil er per Hand geschrieben war und mich neugierig machte, denn uns schrieb sonst niemand.

Nachdem ich den Müllbeutel entsorgt hatte, setzte ich mich auf die Treppe vor unserem Haus, um auf Alessandro zu warten und den Brief zu lesen, er war von meinem Onkel an meine Mutter gerichtet und das, was ich zu lesen bekam, zog mir den Boden unter den Füßen weg.

Mein Vater hatte sich einige Tage nachdem er uns verließ, in seinem Elternhaus, welches mein Onkel bewohnte, das Leben genommen. Onkel Martin hatte für ein Begräbnis gesorgt und alle Formalitäten erledigt. Der Brief war schon vor längerer Zeit bei meiner Mutter angekommen.

Ich hielt den Brief immer noch in der Hand, als Alessandro mich wie versteinert auf den Stufen sitzend vorfand.

Es las den Brief und brachte mich samt Brief zu seiner Mutter, die sich liebevoll um mich kümmerte, nachdem sie mit ernster Mine die Worte meines Onkels gelesen hatte. Niemand sprach mich auf den Inhalt des Briefes an.

Beruhigend redete Mama Maria lange auf mich ein, während Alessandro mich umarmte. Sie redete nicht vom Tod meines Vaters, sondern von den Gemeinheiten meiner Klassenkameraden.

Irgendwann begann ich fürchterlich zu weinen, allerdings auch aus dem eben genannten Grund. Ich beruhigte mich nach einer Weile und Mama Maria bat mich ihr ein wenig zur Hand zu gehen um mich zu beschäftigen und mich abzulenken. Immer wieder brach ich zwischendurch in Tränen aus, sie tröstete mich und meinte, dass bald alles wieder gut werden würde.

Als ich mich am späten Nachmittag nicht mehr beruhigen ließ, bat sie mich eine Tablette einzunehmen und ich tat es, weil sie mir versprach, dass es mir dann besser gehen würde.

Nach einer Weile wurde ich schläfrig und irgendjemand trug mich die Stufen zu Alessandros Zimmer hinauf.

Ich schlief ruhig und fest. Es tat mir gut und als ich am späten Morgen des nächsten Tages erwachte, saß Alessandro neben dem Bett auf einer Luftmatratze. Ich fühlte mich ausgeruht, konnte mir aber nicht erklären, warum ich nicht zuhause war, also fragte ich nach.

Alessandro meinte, ich wäre am späten Nachmittag, als wir seine neue CD anhörten, eingeschlafen und er hätte mich nicht wecken wollen. Mama Maria hätte meine Mutter verständigt und diese hätte eingewilligt, dass ich über Nacht bleiben konnte.

"Aber die Schule", fiel mir siedendheiß ein.

"Kein Problem, Lena", log Alessandro, "gestern abend hat unsere Klassenlehrerin angerufen, dass weit mehr als die Hälfte der Klasse irgend so einen ekligen Magen- Darm- Scheiß hat und deshalb fällt der Unterricht heute aus. Morgen ist Samstag, also müssen wir wahrscheinlich erst Montag wieder hin. Geht's dir gut? Ich meine, hast du Bauchweh, oder ist dir schlecht?"

Ich schüttelte meinen Kopf.

"Na, dann haben wir beide ja nochmal Glück gehabt", setzte er noch hinzu.

Ich versuchte mich daran zu erinnern, was am Tag zuvor in der Schule passierte und ob da schon einige Schüler fehlten, aber irgendwie gelang es mir nicht.

"Und, wie findest du die neue CD?",  lenkte Alessandro mich ab. "Soll ich sie nochmal abspielen?"

"Klar, mach schon", stimmte ich zu.

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Was ich nicht wusste war:

Mama Maria führte in demselben Moment ein Gespräch mit unserer Klassenlehrerin, um ihr alles zu erzählen, auch über das Verhalten unserer Mitschüler klärte sie sie auf. Diese war sehr erzürnt darüber und hat die Klasse wenige Minuten später ordentlich zusammengestaucht. Unter Androhung des Schulverweises hat sie verlangt, dass man mich in Zukunft anständig behandelt und dass niemand ein Wort über das soeben Gehörte verliert. Außerdem würde sie am Nachmittag telefonisch alle Eltern über das unsägliche Verhalten der Klasse informieren.

Am vergangenen Abend war Mama Maria noch bei meiner Mutter gewesen, um ihr mitzuteilen, dass ich den Brief gelesen hatte und hat sie gebeten wenigstens für mich da zu sein, falls ich mich daran erinnern sollte. Es müssen noch einige böse Worte gefallen sein, denn letzten Endes warf meine Mutter Mama Maria hinaus.

Die Beruhigungstablette, die ich schluckte, gehörte Enrico, denn er hatte weit schlimmeres als ich erlebt und litt seitdem immer noch unter Schlafstörungen. Aber dies wird später aufgeklärt.

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Als wir am Montag zum Unterricht erschienen, war seltsamerweise alles ganz anders als sonst. Niemand beschimpfte mich. Einige Schüler schauten beschämt auf ihren Tisch, andere unterhielten sich mit ihren Tischnachbarn. Auch in der Pause belästigte mich niemand. Das blieb auch so.

Meine Mutter war wie immer zu mir, aber das machte mir schon lange nichts mehr aus.

Die Tatsache, dass mein Vater mich einfach so bei ihr zurückgelassen hatte, um irgendwo ein neues Leben anzufangen ohne sich mal zu melden - denn das war es, was ich mir immer wieder einredete, wenn mich hin und wieder ein unerklärliches Gefühl tiefster Trauer überfiel sobald ich an ihn dachte - führte dazu, dass ich mit der Zeit der festen Überzeugung war, dass auch er mich niemals geliebt hat. Niemand liebte mich ... jedermann tat nur so, als wenn er sich für mich interessierte.

An den Brief konnte ich mich nicht erinnern, der darin enthaltene Wortlaut, hatte sich so tief in meiner Seele versteckt, dass ich selbst keinen Zugriff darauf hatte.

Es wurde Frühling und Alessandro nahm mich stets zu den Treffen seiner Clique mit, irgendwann kam auch Lisa dazu. Ich distanzierte mich immer mehr von Alessandro und als er spürte, dass ich nicht dasselbe für ihn empfinden konnte, wie er für mich, ließ er mich ziehen. Mittlerweile hatte ich mich gut in die große Gemeinschaft eingefügt, zu der auch Enrico nebst seinen Freunden gehörte.

Ich fühlte mich wohl unter diesen Leuten, konnte mit ihnen herumalbern und lachen, doch wirkliche Nähe ließ ich nicht zu.

Lisa war da ganz anders, sie "ging" mal dem Einen, dann mal mit dem Anderen, obwohl ihr größter Schwarm Enrico war.

"Wenn schon, dann würde ich mich für Christian entscheiden", sagte ich mal zu ihr, " aber die beiden sind für uns sowieso unerreichbar, also vergiss es!"

Insgeheim träumte ich von Christian, obwohl mir bewusst war, dass ich sowieso niemals eine Chance bei ihm haben würde.

Irgendwann sehnte ich mich nach Alessandro zurück. Nach seiner liebevollen Art, seinen zärtlichen Küssen, allerdings hatte er sich in kürzester Zeit sehr zu seinem Nachteil entwickelt. Man fand ihn unter den sogenannten "Trollen" in unserer Gemeinschaft wieder. So, wie er sich gab, wollte ich ihn bestimmt nicht zurück. Es schmerzte mich ihn so zu sehen und ich trauerte um meinen ehemaligen Freund. Nur wenn Enrico oder Christian zugegen waren, benahm er sich so, wie ich ihn vorher kannte. Denn sie wiesen ihn stets zurecht, wenn er sich von den Anderen mitreißen ließ.

Enrico war ein recht stiller Mensch, der sich meistens nur mit Christian unterhielt, wenn beide zusammen da waren.

"Vielleicht sind die beiden ja schwul geworden", meinte Lisa mal, als sie mich diskret darauf hinwies, dass Christian seinen Arm um Enricos Schulter gelegt hatte und auf ihn einredete.

Ich schaute zu ihnen hinüber, Enrico sah ziemlich mitgenommen aus und Christian klopfte ihm gerade freundschaftlich auf die Schulter.

"Quatsch", gab ich zurück, " ich glaube eher, dass Enrico einen miesen Tag hat und Christian versucht ihn aufzumuntern."

Ich schaute kurz zu Alessandro, als unsere Blicke sich trafen, sah er sofort weg. Na toll, das hatte mir gerade noch gefehlt um meinen Tag noch unerträglicher zu machen. Ich stand auf und ging nach Hause um meine Wunden zu lecken.

Als Marks Freundin sich von ihm trennte versuchte er kurz darauf sein Glück bei mir, ich mochte ihn sehr, wollte aber nicht als Seelentrösterin fungieren, ich hatte selbst genug Probleme.

Jan war auch einer von denen, die ich sehr mochte, er war ein ganz Lieber, allerdings war er absolut nicht mein Typ, deshalb ließ ich auch ihn abblitzen.

So ging es weiter, manche verließen die Clique, neue kamen hinzu, wie es halt so läuft. Ich hatte eine Ausbildung als Arzthelferin begonnen.

Irgendjemand führte Holger in unsere Clique ein und er versuchte gleich nach wenigen Tagen mich um den Finger zu wickeln. Zunächst war ich ziemlich abweisend zu ihm, doch er gab nicht auf und umgarnte mich beharrlich, bis  mein Widerstand bröckelte und ich ihm eine Chance gab.

Meine Hoffnung, dass Alessandro auf mich zukommen würde, hatte ich aufgegeben. Er hätte mir nur versprechen müssen wieder vernünftig zu sein, dann hätte ich ihn sofort zurückgenommen.

In der Zeit nach Holger, der eine bitterböse Enttäuschung für mich war, hielt ich mich von allen männlichen Wesen fern.

Lisa machte mich hin und wieder darauf aufmerksam, dass Enrico zu uns herübersah und erwiderte sein Lächeln, ich lächelte nicht zurück, wenn ich neugierig zu ihm hinsah. Warum auch? Lisa wollte ihn, nicht ich, außerdem war er Alessandros Bruder und deshalb ohnehin tabu für mich. Alessandro beobachtete mich von weitem, das wusste ich auch von Lisa, ich selbst würdigte ihn keines Blickes mehr, ich hatte die Nase voll von irgendwelchen Typen, die mich scheinbar sowieso nicht deshalb wollten weil ich ihnen wichtig war.

An dem Tag, als Christian sich zu mir setzte, hatte ich eigentlich auf Lisa gewartet, ich hatte sie mehrere Tage nicht gesehen und dachte, dass sie an jenem Tag auftauchen würde. Ich wollte nicht bei ihr zuhause anschellen, weil ich wusste, dass sie ziemlichen Ärger mit ihren Eltern hatte, aufgrund ihrer Zensuren, die rapide in den Keller gefallen waren. Enrico, war auch seit einigen Tagen nicht da, er sei mit Papa Fernando nach Italien gefahren um irgendwas zu regeln, erzählten sich die anderen.

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Nun würden die Erinnerungen aus Silberhochzeit 1 und Silberhochzeit 2 folgen, aber das muss ich nicht noch einmal zusammenfassen, diejenigen, die es noch nicht gelesen haben, sollten es tun, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Ich fahre direkt mit dem fort, was nach Mama Marias Tod geschah und werde so gut es geht vermeiden zu schildern, wie schlimm es wirklich für mich war.

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Am späteren Abend versuchte Christian mich zu überreden zu Enrico zu gehen, um ihm in seiner Trauer beizustehen, doch ich lehnte es ab und erzählte ihm von der anderen Frau.

Christian wollte mir nicht glauben. Er meinte, dass ich mich mit Sicherheit verhört haben musste, oder irgendwas falsch deuten würde.

Doch ich blieb beharrlich dabei und weigerte mich dem Mann, den ich so sehr liebte wie meinen eigenen, zur Seite zu stehen, denn schließlich hatte er mich fallenlassen.

In der folgenden Nacht fand ich kaum Schlaf.

Alessandro kam am nächsten Morgen zu uns und setzte uns vom Stand der Dinge in Kenntnis, seine besorgten Seitenblicke auf mich registrierte ich nicht.

Er würde sich um Enrico kümmern und bei ihm bleiben, teilte er uns mit und bat uns darum,  gemeinsam mit Papa Fernando und Alicia für die Beerdigung zu sorgen.

Bevor Alessandro ging, zog er mich in seine Arme und sagte: "Vielleicht solltest du besser nicht an der Beisetzung teilnehmen, Lena, überlege es dir bitte, du kannst danach jederzeit zum Grab gehen um Abschied zu nehmen."

Ich gab keine Antwort und ärgerte mich im Stillen darüber, dass er mich nicht dabeihaben wollte.

Die Vorbereitungen zur Trauerfeier und die Versorgung unserer Kinder lenkten mich ab, allerdings konnten sie meinen inneren Aufruhr nicht besänftigen. Am Abend hing ich wieder meinen Gedanken nach.

Erneut versuchte Christian mich zu Enrico zu schicken und ich reagierte ziemlich unwirsch. "Fragt ihn doch, wer diese Frau ist und holt sie her, damit sie sich um ihn kümmert", fuhr ich ihn an.

"Verdammt, Lena! Du kannst ihn jetzt nicht hängen lassen, erinnere dich an all die Gelegenheiten in denen er dir eine Stütze war und jetzt, wo er dich braucht, willst du ihm deine Hilfe verweigern", polterte er zurück.

"Es gibt keine andere Frau, ich habe Alessandro gefragt, er meinte, dass du irgendwas mißverstanden haben musst, aber er wird Enrico bei Gelegenheit direkt darauf ansprechen", erklärte er sanft.

Ich ging wortlos zu Bett und dachte an  die gravierendsten Ereignisse zurück, die ich mit Enrico an meiner Seite durchlebte.

Natürlich war da zunächst die Sache als meine Mutter mich vor die Tür setzte, er hatte es persönlich miterlebt und war daraufhin derjenige, mit dem ich offen darüber reden konnte.

Als Andy, der erste unserer Söhne aus der Baumkrone fiel und anderthalb Tage lang bewusstlos, mit gebrochenem Arm und mehreren gebrochenen Rippen in der Klinik lag, war er für uns beide da, genauso wie Alessandro.

Das einschneidenste aber war, dass er zweimal derjenige gewesen ist, der mir in der letzten Phase vor der Geburt unserer Söhne bis zum Ende zur Seite stand, mich hielt, beruhigte und mir Mut zusprach, als ich meinen Schmerz lauthals herausschrie.

Ich hatte mich damals für eine Hausgeburt entschieden. Beide Male, war Christian am Ende einem Nervenzusammenbruch so nahe, dass Dr. Müller, der neben einer Hebamme zugegen war, ihn aus dem Raum schaffte und zu meiner Verwunderung nach einigen Minuten nicht etwa mit Mama Maria, sondern mit Enrico zurückkehrte. Deshalb sagt Enrico immer Andy und Leon seien auch seine Söhne, weil er der erste gewesen sei, der sie im Arm halten durfte.

Die Geburt seiner eigenen Tochter allerdings, durfte Enrico nicht hautnah miterleben, denn Lisa ging, wie die meisten Frauen, ins Krankenhaus und wollte bei der Entbindung niemanden dabeihaben. Er war damals sehr verletzt. Christian blieb während der gesamten Zeit, die er im Wartebereich der Entbindungsstation verbrachte, bei ihm.

Immer, wenn Christian und ich nicht einer Meinung waren, vertraute ich mich Enrico an.

Und dann waren da noch die vielen Stunden in seinen Armen, wenn wir unserem Verlangen nachgaben und  gemeinsam Erlösung fanden.

Das alles konnte ich doch nicht einfach so beiseite schieben, sollte ich etwa um ihn kämpfen?

"Ich liebe ihn!!", schrie mein Herz.

"Nein, du gehörst ganz allein zu Christian und das ist gut so, niemand würde Verständnis dafür aufbringen, dass du dich wie eine Hure benimmst und von einem Bett zum anderen hüpfst", sagte mein Verstand.

Ich hatte Enrico sowieso verloren.

Endgültig.

An eine andere Frau.

"Selbst Schuld", vernahm ich eine leise Stimme in mir," du hast ihm selbst gesagt er soll sich eine andere Frau suchen und nicht auf dich warten!"

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Nachdem ich unsere Beziehung beendete, oder besser gesagt ruhen ließ, denn ein wirkliches Ende wollte Enrico nicht akzeptieren, gab er sich ganz normal.

Niemand hatte sich was dabei gedacht, wenn er mich mal in seine Arme nahm, oder mir einen freundschaftlichen Kuss gab, das tat Alessandro auch.

Nur wenn wir uns mal ganz allein begegneten hielt Enrico mich eine Weile fest an sich gedrückt und wollte mich nicht mehr gehen lassen, danach fühlte ich mich noch mieser, denn jedesmal musste ich ihm erklären, dass ich meine Grenze nicht überschreiten kann. Anschließend heulte ich mir beinahe die Augen aus dem Kopf, deshalb ging ich ihm schließlich mehr oder weniger aus dem Weg.

Alessandro hatte irgendwie gespürt, wie schlecht es mir ging und forderte mich mehrmals auf mit ihm zu reden. Das war das letzte was ich wollte, niemand sollte irgendwas über mein ehemaliges Verhältnis zu seinem Bruder erfahren. Außerdem wusste ich zu genau, dass seine Freundin Jessica mich nicht mochte und stets eifersüchtig reagierte, wenn Alessandro mir zuviel Aufmerksamkeit schenkte.

Die Bitte ihn zu begleiten als er einen Anzug für seine Hochzeit kaufen wollte, konnte ich nicht abschlagen, das hätte ihn verletzt.

Wenige Tage vor der geplanten Hochzeit, ich hatte an dem späten Nachmittag ein Bad genommen und war gerade fertig angezogen, die Kinder sahen ihre Lieblingsserie im Fernsehen an, kam Enrico plötzlich ins Badezimmer. Er war völlig außer sich. "Du musst bitte mitkommen und Alessandro zur Vernunft bringen. Auf dich wird er hören, bitte Lena."

"Aber was ist denn passiert, beruhige dich doch erstmal", ich zog ihn in meine Arme und er erzählte kurz, dass Jessica ihm den Laufpass gegeben hätte. Er hätte getrunken und säße im Lokal, würde vollkommen ausrasten, sobald sich jemand aus der Familie nähert um mit ihm zu reden und hätte schon ein paar mal zu sich selbst gesagt, er würde nach Italien abhauen.

"Ich habe schon überlegt ob ich die Räder von seinem Wagen abbauen soll, denn wir wissen nicht wo der Ersatzschlüssel für sein Auto ist, den richtigen habe ich ihm bereits abgenommen. Ich könnte ihn mit Gewalt in seine Wohnung schaffen, aber im Saal sind Gäste, die müssen ja nicht unbedingt was davon mitkriegen."

Ich nickte: "Okay, ich versuche es, aber du musst dich solange um unsere Jungen kümmern, Christian kommt doch erst morgen Abend von dieser Fortbildung zurück."

"Natürlich kümmere ich mich um sie, wir kommen gleich nach", versprach er als ich mich umdrehte um zu gehen.

Enrico zog mich aber noch einmal in seine Arme und küsste mich, ich wehrte ihn ab.

"Bitte Lena, nur ein Kuss, nur ein einziger, ich vermisse dich so sehr, ich schaffe es nicht ohne dich, bitte!"

Etwa ein halbes Jahr nach unserer letzten gemeinsamen Nacht küssten wir uns und umklammerten uns wie zwei Ertrinkende die sich vom jeweils anderen Rettung erhofften.

Alessandro saß weit vornübergebeugt mit der Stirn auf seine auf dem Tisch verschränkten Arme gebettet, inmitten des ansonsten leeren Lokals. Eine halb gefüllte Whiskyflasche und ein Wasserglas standen vor ihm. Mama Maria und Papa Fernando kamen sofort auf mich zu, als sie mich sahen.

" Das ist schon die zweite Flasche, seit anderthalb Stunden. Er ist stinkbesoffen, er trinkt doch nie so viel", flüsterte Mama Maria,  "vielleicht kannst du ihn ja dazu bewegen in seine Räumlichkeiten zu verschwinden. Er fängt sich schon wieder, aber er kann doch nicht hier sitzen und die Gäste vergraulen!"

Ich nahm sie in meine Arme und streichelte sie. Dass sie besorgter war, als sie es mich wissen ließ, konnte ich sehr gut nachvollziehen.

"Ich werde mein Möglichstes geben um ihn da wieder herauszuholen", versprach ich ihr.

"Danke, mein Mädchen", flüsterte sie und wischte sich die Tränen fort.

Vorsichtig setzte ich mich neben Alessandro und berührte ihn sanft an der Schulter.

"Ihr sollt mich in Ruhe lassen", schrie er lallend.

"Hey, ich bin es, Alessandro", sagte ich leise.

"Lena? Geh weg, lass mich alleine!", verlangte er.

"Komm schon Alessandro, das kannst du nicht wirklich so meinen, ich lasse dich nicht allein, das kannst du vergessen", konterte ich.

"Doch ihr sollt mich alle in Ruhe lassen!", brüllte er und richtete sich auf.

Ich zog ihn in meine Arme und er ließ es geschehen, umarmte auch mich und begann zu schluchzen. Ich ließ ihn geduldig seinen Schmerz in Tränen  ertränken und streichelte ihn besänftigend. Sein Schmerz tat mir in der Seele weh und ich weinte mit ihm.

Es dauerte eine Weile, bis er sich in meinen Armen hängend langsam beruhigte.

Ich sah Enrico mit angespannter Mine zu uns herüberschauen, meine Söhne wurden von Mama Maria und Papa Fernando vereinnahmt.

"Alessandro, es wäre gut, wenn du ein wenig schläfst, dann wird es dir besser gehen", versuchte ich mein Glück.

"Nein, mir wird es nie wieder besser gehen, niemals, verstehst du Lena?", schluchzte er.

" Ja, ich verstehe das vollkommen, Alessandro. Ich verspreche dir, dass ich dich nicht allein lassen werde. Du schläfst ein wenig und ich bleibe bei dir. Wenn du willst, halte ich dich sogar in meinen Armen, während du schläfst, okay?", versprach ich ihm.

Enrico wird sich um die Jungen kümmern müssen, überlegte ich, Christian würde es so wollen, das wusste ich. Zum Glück waren gerade Herbstferien, also war es nicht ganz so dramatisch, ich vertraute ihm blind und unsere Söhne liebten Onkel Enrico, also wäre das kein Problem.

" Lena ich liebe dich", verkündete Alessandro plötzlich lautstark.

Ich spürte glühende Hitze mein Gesicht rot anlaufen lassen. Beschämt sah ich mich vorsichtig um. Nur Enrico stand noch da und beobachtete uns.

"Komm, Alessandro steh auf, Enrico und ich bringen dich zu Bett!"

"Ich stehe nur auf, wenn du mir sagst, dass du mich auch liebst", verlangte er.

" Natürlich liebe ich dich, Alessandro, du bist mein Freund und ich mache mir gerade große Sorgen um dich", erklärte ich ihm und blickte zu Enrico um ihm zu bedeuten, dass ich seinen Bruder in Kürze so weit hatte aufzustehen. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, doch er kam gleich näher heran.

" Los jetzt, Alessandro", forderte ich etwas energischer und tatsächlich erhob er sich mit meiner Hilfe von seinem Platz. Enrico legte sich seinen Arm um die Schulter und stützte ihn.

" Hochzeitssuite", sagte ich bestimmend.

"Das kannst du nicht tun, Lena", regte Enrico sich entsetzt auf und hob an mir die Sache auszureden.

Ich hielt den Zeigefinger an meine Lippen und er schwieg. Es war später genügend Zeit ihm zu erklären, dass in Alessandros Räumen viele Bilder von Jessica hingen und standen. Mit Sicherheit hing auch der Anzug, den er für die Hochzeit kaufte noch an der Garderobe. Hätte er das gesehen, wäre er noch tiefer hinabgestürzt, also schien mir eine neutrale Umgebung besser geeignet.

Enrico schubste seinen Bruder einfach auf das Bett, wo er so liegen blieb wie er fiel und scheinbar gleich einschlief. Ich zog ihm die Schuhe aus und überlegte ob ich ihm auch Hemd und Hose ausziehen sollte, damit er es bequem hätte, doch Enricos Blick hielt mich davon ab.

"Erkläre es mir", forderte er mit eisiger Stimme. Also legte ich ihm den Grund für meine Entscheidung dar.

"Nun gut, das sehe ich ein, aber jetzt kannst du gehen, Lena. Ich werde bei ihm bleiben", meinte er.

"Falsch, Enrico, ich habe ihm versprochen bei ihm zu bleiben und genau das werde ich auch tun! Du kümmerst dich bitte um die Kinder", verlangte ich.

"Lenaaa ....", Enrico schüttelte den Kopf.

"Was zum Teufel ist dein Problem, Enrico? Was denkst du, könnte passieren? Er wird schlafen und das wahrscheinlich bis morgen früh und wenn er aufwacht wird es ihm mit Sicherheit ziemlich dreckig gehen. Ich werde schon mit ihm fertig ", regte ich mich ein wenig zu laut auf.

"Lena?", nuschelte Alessandro. Ich setzte mich neben ihn und nahm seine Hand.

"Okay, ich werde mich jetzt um die Kinder kümmern, werde sie unterbringen und dann komme ich zurück. Wenn du es so willst, werden wir gemeinsam bei ihm bleiben und das ist mein letztes Wort", damit drehte Enrico sich um und verließ die Suite.

Kaum eine Stunde später kam Enrico zurück. Er hatte geduscht, sein Haar war noch feucht , er trug eine schwarze Jogginghose, der Stoff des schwarzen T-Shirts umspannte wie eine zweite Haut seinen definierten Oberkörper. Er sah ja schon im Anzug heiß aus, das war allerdings ein gewohnter Anblick, man sah ihn selten in Freizeitkleidung...

Ich bedauerte in dem Moment sehr, dass unsere Beziehung nicht mehr bestand.

Er ließ sich neben mich auf das Bett fallen.

" Die Kinder sind versorgt, sie bleiben bei Oma Maria und Opa Fernando, ihnen geht es bestens", informierte er mich.

Ich hatte meine Jeans ausgezogen und war neben Alessandro unter die Decke geschlüpft, der noch genauso wie vor einer Stunde, leise schnarchend auf dem Bett lag.

" Ich verstehe einfach nicht, warum du unbedingt hier sein musst, Enrico. Was meinst du kann passieren?"

" So einiges, Schatz. Wir könnten uns die ganze Nacht lang unterhalten, einfach nur nebeneinanderliegen und schweigen, uns in den Armen halten, oder sonst was tun, niemand würde etwas davon mitbekommen oder Verdacht schöpfen. Ich habe die Tür zum Treppenhaus abgeschlossen, der Schlüssel steckt von innen, ich habe den Code geändert, niemand kann bis zur Suite hochfahren, Alessandro bekommt nichts mit, ich glaube es könnte eine Bombe explodieren und er würde nichts davon hören, soll ich dir das beweisen?"

Ohne eine Antwort abzuwarten beugte er sich über mich hinweg zu ihm rüber und klatschte mehrmals direkt vor seinem Gesicht laut in die Hände, dann rüttelte er sogar an seinem Arm und Alessandro zeigte keinerlei Reaktion. Außerdem, Lena, ist er mein Bruder und glaube mir, falls er doch was mitbekommen sollte, würde er sich eher die Zunge abbeißen, als irgendjemandem etwas zu verraten. Lass es zu, Lena, bitte! Nur diese eine Nacht, sonst verbrenne ich an meiner Sehnsucht nach dir. Danach können wir damit fortfahren uns dem zu widersetzen was uns verbindet und ganz langsam dabei zugrunde gehen, wenn du es so willst. Nur eine kleine Pause Lena, bitte!"

Ich wusste, dass ich einen großen Fehler machte, als ich seinen Kuss zuließ, aber ich hatte einfach nicht die Kraft ihm zu widerstehen. So lag ich bald darauf schon fast nackt in seinen Armen, nur mein Höschen war ihm noch nicht zum Opfer gefallen. Nach einem langen, alles verzehrenden Kuss sprang er auf um die restliche Kleidung loszuwerden. Da setzte ganz kurz noch einmal mein Verstand ein.

" Wir können das nicht tun, Enrico, nicht hier, direkt neben ihm", keuchte ich und er zog mich aus dem Bett, trug mich in den Wohnbereich, gab der Tür einen Tritt und setzte mich ab, um mich gleich darauf gegen das riesige Panoramfenster zu drängen. Die Jalousie war herabgelassen, registrierte ich noch, doch dann gab ich meinem Verlangen nach und bald darauf lag ich unter Enrico auf dem weichen Teppich, an derselben Stelle wo einst der Wahnsinn begann. Zärtlichkeit spielte keine große Rolle in jener Nacht, viel zu lange hatten wir uns nacheinander verzehrt und wir gaben einander das, was wir brauchten um Erlösung zu finden ... mehrmals ... bis wir erschöpft einschliefen.

Enrico erwachte zuerst. Sein sanftes Streicheln weckte mich.

" Danke", flüsterte er an meinem Ohr, " ich verspreche dir, dass ich dich nicht bedrängen werde, bis du bereit bist deine Gefühle zu akzeptieren. Wenn es nötig sein sollte, werde ich ein ganzes Leben lang auf dich warten."

"Du bist ja verrückt", sagte ich, " Du könntest an jedem Finger zehn Frauen haben, warte nicht auf mich Enrico, es gibt genügend andere Frauen, da wird bestimmt eine für dich dabei sein."

"Schon möglich", meinte er, " aber ich will dich und keine andere, selbst wenn du niemals ganz zu mir gehören wirst, damit kann ich leben, aber nicht ohne dich."

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Anderthalb Jahre war das her, dachte ich noch, dann wurde mir plötzlich übel und ich rannte ins Bad um mich zu übergeben.

Die nächsten zwei Tage waren besonders schlimm, die Trauer um Mama Maria und Enricos Verrat setzten mir mehr zu als ich ertragen konnte.

Alessandro kam jeden Tag vorbei um nach mir zu sehen und mich liebevoll zum reden zu bewegen, aber ich hörte ihm nicht zu und blieb stumm. Wie ein Geist wandelte ich ziellos durch das Haus. Christian kümmerte sich um die Kinder und ließ mich glücklicherweise weitestgehend in Ruhe.

Am Abend vor der Beisetzung bat auch er mich, nicht an der Trauerfeier teilzunehmen. Ich reagierte sehr ungehalten darauf.

In der folgenden Nacht träumte ich von meinem Vater. Ich sah mich am Ende mit diesem Brief auf der Treppe vor unserem Haus sitzen und wachte verstört auf.

Leise schlich ich mich aus dem Bett und setzte mich ins Wohnzimmer um darüber nachzudenken, welche Bedeutung dieser Traum wohl gehabt haben mochte.

Irgendwann wurde das Gefühl der Trauer in mir furchtbar groß, und die Kälte in mir ließ mich zittern. Ich holte die Whiskyflasche aus dem Barfach und nahm einen kräftigen Schluck, es brannte höllisch in meiner Kehle, in meinem Magen breitete sich allerdings eine wohlige Wärme aus. Also trank ich noch mehr und nahm immer wieder einen kleinen Schluck aus der Flasche, der Alkohol schien auch das schmerzhafte Gefühl zu vertreiben.

Als Christian mich mit der Flasche in der Hand vorfand, ist er ausgerastet. Er schlug sie mir aus der Hand, sie krachte mit einem Knall gegen die Wand und zerbrach.

Er schrie mich wütend an: "Das wirst du nicht tun!!! Auf keinen Fall wirst du das tun, hast du mich verstanden?"

Ich hatte ihn nie zuvor so erlebt und   hielt mir verängstigt die Hände schützend vor das Gesicht, als er seine Hand erhob.

Er war entsetzt über meine Reaktion. "Hey ... Liebling ... du darfst niemals Angst vor mir haben, ich bin nicht wie mein Vater, glaube mir. Ich wollte dich nur an mich ziehen, mein Engel", sagte er sanft und beruhigend.

Wie sein Vater? Was sollte das denn heißen? Er hatte mir nie etwas über seinen Vater erzählt, außer dass er zum Alkoholiker wurde. Ich hatte ihn allerdings auch nie nach seinen Vater gefragt. Er hatte mit ihm abgeschlossen und das akzeptierte ich.

"Was soll das heißen Christian?", wollte ich wissen.

Er schüttelte den Kopf, wahrscheinlich war ihm das Gesagte unabsichtlich herausgerutscht.

"Ich werde es dir erzählen, aber nicht jetzt. Komm wieder ins Bett mein Engel, du fühlst dich schon halb erfroren an", bemerkte er fürsorglich.

"Ich kann nicht, ich muss erst noch über etwas nachdenken, geh nur zu Bett", forderte ich in auf.

" Nein, ich werde dich bestimmt nicht allein hier sitzen lassen", er breitete eine Decke aus und wickelte mich darin ein, als ich mich aufs Sofa setzte.

"Du denkst nach und ich beseitige derweil die Schweinerei, die ich verursacht habe", zum ersten Mal seit vier Tagen konnte ich lächeln und die grenzenlose Liebe zu ihm in meinem Herzen spüren, vielleicht lag es am Alkoholgehalt in meinem Blut, ich weiß es nicht. Nur für die Bedeutung meines Traumes fand ich keine Erklärung, doch ich spürte tief in mir die Gewissheit dass ich mit Mama Maria auch meinen Vater loslassen musste.

Christian setze sich zu mir und zog mich an sich. "Sage mir, worüber du nachdenkst, mein Engel, vielleicht kann ich dir ja helfen", bat er mich leise.

Ich schüttelte meinen Kopf.

"Ich habe nur von meinem Vater geträumt, wie so oft schon, dieses Mal war es aber anders und ich sah mich am Ende mit einem Brief in der Hand auf der Treppe unseres Hauses sitzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, was darin geschrieben stand, aber das ist auch egal. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein Vater nicht mehr lebt und ich müsse ihn morgen zusammen mit Mama Maria verabschieden", teilte ich ihm mit.

Christian schniefte leise bevor er fragte:

" Möchtest du mit Alessandro darüber reden, mein Engel, er würde sofort herkommen, wenn ich ihn anrufe. Oder soll ich dich aufklären?"

"Was hat das mit Alessandro zu tun, Schatz? Warum weißt du worum es geht?", wollte ich wissen.

" Ich weiß es, weil all unsere Freunde es wissen, zumindest diejenigen, die schon immer zu unseren Freunden zählen sind im Bilde. Mama Maria hat es uns allen nach und nach erzählt und uns gebeten  niemals ein Wort darüber zu verlieren, um dir die Möglichkeit zu geben dich selbst daran zu erinnern. Du wolltest nie etwas über deinen Vater herausfinden, weil du so fest davon überzeugt warst, dass er dich aus Eigennutz bei deiner Mutter zurückließ.  Alessandro hat es hautnah miterlebt, er weiß genau was in dem Brief geschrieben stand, mein Engel", klärte er mich auf.

"Nein, Alessandro muss bei Enrico bleiben, sag du es mir. Mein Vater ist gestorben, Christian, oder?", sprach ich meine Vermutung aus.

Christian nickte nur und das reichte aus um mir Gewissheit zu verschaffen, er musste mir nicht mehr darüber erzählen, denn ich wusste zu genau, dass er nicht dazu in der Lage war meinen Schmerz zu ertragen.

Leise weinend kuschelte ich mich an ihn und er tröstete mich liebevoll und zärtlich.

Irgendwann trug er mich die Treppe zum Schlafzimmer hinauf und legte mich ins Bett.

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Mit Kopfschmerzen und Übelkeit erwachte ich, als Christian mich weckte. Er reichte mir ein Glas. "Trinke dies und bleibe noch ein wenig liegen, ich kümmere mich um die Jungen", sagte er leise und ich trank das aufgelöste Schmerzmittel.

Eine halbe Stunde später schleppte ich mich ins Bad. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich genauso fürchterlich aussah, wie ich mich fühlte, aber wen interessierte das schon?

Als ich fertig geduscht und angekleidet die Treppe hinunterstieg, vernahm ich Alessandros Stimme. Unten angekommen sah ich auch Alicia, sie lächelte mich warmherzig an. Alessandro zog mich in seine Arme. Christian stand bereits mit den Kindern vor der Haustür.

"Wir schaffen das gemeinsam, Schatz", versprach Alessandro mir mit ruhiger Stimme, "erinnerst du dich noch daran, wie du dich früher oftmals an mich geklammert hast, wenn du kurz vorm verzweifeln warst? Ich möchte, dass du das auch heute machst, falls dich irgendetwas zu stark belasten sollte. Ich werde dich halten und wenn nötig auch küssen, so wie früher. Du musst dich nicht um Enrico sorgen, Christian, Giovanni und Mario werden sich um ihn kümmern. Mark und Jan werden uns begleiten. Die Kinder gehen mit Alicia, Claudia und Katrin. Auch für Papa Fernando ist gesorgt. All unsere Freunde werden dafür sorgen, dass wir ein wenig Privatsphäre haben. Du weißt, wie beliebt unsere Mutter war und ich denke mal, dass sehr viele fremde Menschen an der Beisetzung teilnehmen werden. Ist das okay für dich, Lena?"

Ich nickte, verstand aber nicht warum Christian nicht bei mir bleiben sollte.

"Aber du kannst mich doch nicht vor all den Leuten küssen und überhaupt, was sollen sie sich denken, wenn ich mit dir und nicht mit Christian auftauche. Und was sagt Alicia dazu?", sprudelte es aus mir heraus.

"Du machst dir wie immer viel zu viele Gedanken, mein Schatz. Vertraue mir einfach und du wirst sehen, dass wir alle den Tag gut überstehen werden", beruhigte er mich, Alicia streichelte meinen Arm.

"Aber...", Alessandro küsste mich einfach um mir das Wort abzuschneiden. Ich ließ es zu und ging darauf ein, denn seitdem er vor anderthalb Jahren Deutschland verließ um in Italien zu leben, verlangte er jedesmal, wenn er nach einem Besuch den Heimweg antrat einen " richtigen" Kuss von mir. Er meinte stets "es ist doch nur ein Kuss, Lena" und ich gab ihm wonach er verlangte.

"Siehst du, das klappt wunderbar mit uns beiden", meinte er lächelnd als er mich wieder freigab und ich fühlte mich schon ein wenig ruhiger.

"Bist du bereit?", fragte er. Wieder nickte ich, obwohl ich plötzlich erneut ein flaues Gefühl im Magen hatte, vielleicht hätte ich was essen sollen, allerdings brachte ich morgens selten etwas herunter.

Alicia drückte mir einen Kuss auf die Wange und dann machten wir uns auf den Weg zum Hotel, wo die anderen auf uns warteten. Christian nahm mich kurz bevor wir unser Ziel erreichten in seine Arme und ließ sich bestätigen, dass alles in Ordnung sei. Er hauchte mir einen Kuss auf die Lippen und sagte: "Alles wird gut, mein Engel."

Dann ging es sehr schnell. Enrico saß mit Mario schon in Giovannis Auto und sie fuhren gleich los, als Christian zugestiegen war. Ebenso setzte sich der Wagen mit Papa Fernando und Dr. Müller an Bord in Bewegung. Die Kinder stiegen mit Isabella und Alicia in Katrins Auto und Claudia stieg bei Lisa und Marina ein. Jan hielt mir die Tür von Marks Auto auf, ich schlüpfte hinein, Alessandro setzte sich neben mich und Jan nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

Niemand sprach ein Wort, nicht einmal zur Begrüßung, jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach konzentrierte sich darauf seine Emotionen im Griff zu halten.

Genauso zügig wie vor dem Hotel ging es bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz des Friedhofs zu. Unsere Freunde standen bereits vollzählig dort und erwarteten uns.

Mit zittrigen Beinen ließ ich mich von Alessandro führen, er hatte seinen Arm um meine Taille gelegt, Mark hielt mich bei der rechten Hand  und Jan lief direkt hinter mir. Ich wagte es nicht irgendjemanden anzusehen, das hätte die von mir erzwungene Fassung zunichte gemacht. Wir verschwanden ebenso wie die anderen inmitten der großen Schar unserer Freunde. Schnell erreichten wir die Kapelle und traten ein.

Nicht alle fanden Platz, so warteten einige unserer Freunde direkt vor der Tür um sich uns nach der Zeremonie sogleich wieder anschließen zu können. Ich achtete gar nicht mehr auf das, was geredet wurde und was um mich herum geschah, sondern zog mich in mich selbst zurück, das hatte mir früher schon so manchen Schmerz erspart und schien auch an jenem Tag zu helfen.

Ich zitterte fürchterlich, als es an der Zeit war am Grab Abschied zu nehmen. "Du schaffst das Lena, bleibe ganz ruhig und sieh niemanden an, dann ist es halb so schlimm." Alessandro hatte mich in seine Arme gezogen und sofort waren einige Freunde um uns herum, um uns vor den Blicken der fremden Leute zu schützen.

Das war leichter gesagt als getan, ich konnte meinen Blick nicht abwenden, als Christian, Enrico und Giovanni ans Grab traten.

"Sieh mich an, Lena, schau zu mir, Schatz, hörst du?", bemühte sich Alessandro meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber es war bereits zu spät.

Enrico hatte zu mir herüber geschaut, bevor er eine Rose ins Grab warf, sich umdrehte und von den anderen gefolgt, schnellen Schrittes davoneilte. Ich hatte den Schmerz und die Verzweiflung in seinen Augen gesehen. Derselbe Ausdruck hatten auch in den Augen meines Vaters gelegen, als er damals ging.

Ich schluchzte laut auf und drohte in Hysterie auszubrechen, nochmehr Freunde kamen und bildeten eine Mauer um uns herum. Alessandro zog mich fest an sich und redete auf mich ein, Mark und Jan stützten mich, weil ich so stark zitterte, dass meine Beine mir den Dienst versagten. Meinen Aufschrei erstickte Alessandro, indem er mich küsste, er ließ meine Lippen erst wieder frei, als ich mich etwas beruhigt hatte und mich nicht mehr gegen den festen Griff von Mark und Jan wehrte.

"Alles wird gut, Schatz. Enrico geht es gut, er ist nicht alleine. Ich bringe dich zu ihm, sobald wir hier fertig sind. Hörst du?"

Ich nickte hektisch.

"Beruhige dich erst noch ein bisschen. Wir kriegen das schon hin, mach dir keine Gedanken. Alles ist gut."

Er hielt mich ganz fest in seinen Armen. Auch Jan und Mark standen so nahe, dass ihre Körper mich berührten und legten jeder einen Arm um meinen Rücken. Sie strahlten soviel Ruhe aus, gaben mir Sicherheit und ein Gefühl der Geborgenheit, sodass ich nicht lange brauchte um mich wieder in den Griff zu bekommen.

Alessandro ließ mich noch nicht los. Leise sagte er: " Nutze die Möglichkeit, dich auch von deinem Vater zu verabschieden, Schatz. Wir reden später über ihn, okay? Mache dir keine Sorgen, wir sind bei dir und falls dir noch einmal die Nerven durchgehen sollten, sind wir für dich da, hörst du? Scheiß auf das, was die anderen Leute denken mögen! Du allein zählst gerade und wir bringen dich da durch, egal wie. Du wirst es schaffen Lena! Wann auch immer du bereit sein magst, sagst du es uns. Wir haben alle Zeit der Welt und können, falls nötig, den ganzen Tag hier stehenbleiben."

Wieder nickte ich.

Er hielt mich fest an sich gedrückt, streichelte und küsste mein Haar, bis ich mich vollständig entspannte.

"Ich glaube, ich schaffe es jetzt", teilte ich ihm kurze Zeit später mit.

"Okay, dann los. Konzentriere dich nur auf dein Vorhaben und achte nicht auf die anderen Leute, Schatz", wies Alessandro mich noch einmal an.

Ein paar Freunde reihten sich vor uns ein , wir folgten ihnen mit Mark, Jan war hinter uns und alle weiteren Freunde, die uns zuvor noch geschützt hatten drängten sich ebenfalls in die Reihe vor die anderen Menschen.

Ich war selbst erstaunt, wie gut ich den Schritt bewältigte. Alessandro reichte mir zwei Rosen aus einem Kübel, die ich einige Augenblicke an mein Herz gedrückt hielt, um sie dann ins Grab zu werfen. Schnellen Schrittes, ohne irgendwelche Kondulenzbeteuerungen anzunehmen, führte Alessandro mich in Begleitung von Mark und Jan wieder zum Auto zurück.

Mark fuhr sofort los, als die Türen zuschlugen.

Alessandro legte seinen Arm um mich.

"Wir müssen reden, Lena. Bevor ich dich zu Enrico bringe, müssen wir uns unterhalten", teilte er mir ruhig mit.

Panik machte sich in mir breit.

"Was ist mit ihm? Sage mir jetzt bitte was los ist Alessandro", forderte ich.

"Ganz ruhig, Lena. Es besteht kein Grund zur Sorge. Wir sind gleich da und dann reden wir in aller Ruhe. Du wirst alles erfahren, was du wissen möchtest und was es zu sagen gibt, das verspreche ich dir", meinte Alessandro.

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Kurz darauf hatten wir unser Ziel erreicht. Alessandro führte mich in ein freies Hotelzimmer. Christian erwartete uns bereits dort. Irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung, soviel war mir klar.

Christian zog mich in seine Arme, er war völlig durch den Wind.

"Du musst diesen Wahnsinn beenden Lena, sonst gehen wir alle vor die Hunde, Schatz", sagte er.

Ich verstand nicht was er damit meinte.

"Komm her Lena, setz dich", Alessandro bedeutete mir mich auf das Bett zu setzen. Ich setzte mich und er nahm neben mir Platz und legte seinen Arm um meine Schultern.

" Wie fühlst du dich gerade? Ich werde dir so knapp wie möglich, ganz offen und ehrlich alles erklären. Es wird teilweise hässlich und schmerzhaft für dich sein, aber du musst mir zuhören und dich nicht in dein Schneckenhaus zurückziehen, versprichst du mir das?"

Tapfer nickte ich, Christian setzte sich auf der anderen Seite neben mich und nahm meine Hand.

"Ich fange bei Christian an, er hat schon lange mit der Sache abgeschlossen, redet aber nicht gern darüber, außer man spricht ihn direkt darauf an. Christians Vater war ein sehr aufbrausender Mensch, vielleicht ist er das immer noch, keine Ahnung, denn Christian hat den Kontakt zu ihm vollständig abgebrochen und will es auch dabei belassen, das muss jeder so akzeptieren. Besonders wenn er alkoholisiert war, wurde sein Vater sehr aggressiv und schlug auf seine Mutter ein, er fand immer einen Grund um sie zu verprügeln. Christian wurde älter und stellte sich schützend vor seine Mutter, das erzürnte seinen Vater natürlich noch mehr und so bekamen schließlich beide seine krankhafte Wut zu spüren. Ich weiß nicht wie es geschah, aber irgendwann lernte seine Mutter einen jungen, belgischen Musiker kennen und war wenig später mit ihm verschwunden. Von dem Tag an war natürlich Christian allein das Opfer der Wutausbrüche seines Vaters. Er verbrachte die meiste Zeit bei uns zuhause, das schien seinen Vater nicht zu interessieren. Hin und wieder musste Christian sowieso nach Hause und dort erwartete ihn natürlich wieder sein Vater, der mittlerweile arbeitslos geworden und stets betrunken war. Kurz vor seinem Abitur aber, ging er einmal heim, sein Vater ging gleich auf ihn los und Christian hat ihn abgewehrt und zugeschlagen, der Schlag brach ihm die Nase, er drohte seinem Sohn mit einer Anzeige und warf ihn endgültig hinaus. Das, mein Schatz, ist ganz kurz und knapp erklärt der Grund, warum Christian deinen Schmerz nicht ertragen kann. Er hat seine Mutter als Kind zu oft leiden sehen und das sitzt ganz tief bei ihm fest. Deshalb habe ich dich heute begleitet, denn Christian wäre mit dir gemeinsam abgestürzt, als deine Nerven mit dir durchgingen, verstehst du das?"

Weinend nickte ich.

"Christian hat mich heute morgen in aller Frühe angerufen und mir erzählt, was in der letzten Nacht geschah. Ich habe schon in den letzten Tagen befürchtet, dass die Beisetzung zu viel für dich sein könnte. Aber du wolltest daran teilnehmen. Ursprünglich sollte Christian sich um die Kinder kümmern. Mark und Jan hätten dich in ihre Mitte nehmen sollen. Doch nachdem ich hörte, dass du vom Tod deines Vaters erfahren hattest, plante ich um und bat heute Morgen Mark all das zu organisieren, was du letztendlich selbst miterlebt hast. In Windeseile sprachen sich unsere Freunde telefonisch untereinander ab und ich denke, das war wieder einmal ein Beweis dafür, dass wir uns stets auf jeden einzelnen von ihnen verlassen können", erzählte Alessandro weiter.

Alessandro seufzte.

"Geht es dir noch gut Lena?", fragte er leise.

Ich hatte mich beruhigt und bejahte seine Frage. Christian hielt immer noch still meine Hand.

"Chris?", sprach Alessandro ihn an.

"Ja, alles okay, mach nur weiter", versicherte er mit belegter Stimme, rückte näher an mich heran und umschlang meine Taille.

"Lena, du weißt nun, dass dein Vater tot ist", fuhr Alessandro fort, "wir sind alle froh, dass wir dir in den letzten Stunden beistehen konnten.  Mit Sicherheit, wird auch der Rest der Geschichte in Kürze wieder in deine Erinnerung zurückfinden, wann das passiert weiß niemand. Um zu vermeiden, dass du zu dem Zeitpunkt eventuell ganz allein bist, werde ich dir jetzt erzählen, was du in diesem Brief gelesen hast. Dein Vater hatte euch verlassen, weil deine Mutter ihn jahrelang wahllos mit irgendwelchen Männern betrog, das weißt du. Er fuhr zu seinem Bruder und vertraute ihm seine Sorgen an. Er blieb auch dort in seinem Elternhaus, weil er nicht vorhatte wieder zu euch zurückzukehren. Einige Tage später kam dein Onkel von der Arbeit heim und fand seinen Bruder leblos vor. Er hatte sich selbst das Leben genommen."

Das war zu viel für mich, doch Alessandro und Christian gaben alles um mir zu helfen diese Situation durchzustehen.

Wie lange es dauerte, bis ich mich schließlich beruhigte, kann ich nicht sagen, doch es war noch nicht alles, was ich an jenem Tag ertragen musste.

Christian hielt mich fest in seinen Armen.

"Ich würde dir alles Weitere gerne ersparen , mein Schatz", fuhr Alessandro irgendwann fort," aber jetzt kommen wir zu meinem Bruder. Zunächst einmal will ich dir erzählen, was er vor Jahren erlebt hat. Dazu muss ich vorweg noch sagen, dass er sich anders als du, sehr wohl an das grausame Erlebnis erinnern konnte, nur wollte er nie darüber reden. Aus diesem Grund spricht niemand in unserer Familie darüber. Unsere Großeltern, deren Haus nun das Eure ist, kamen bei einem Autounfall ums Leben, als sie Enrico von irgendeiner Feier abholten. Er hatte auf der Rückbank gesessen und wurde wie durch ein Wunder nur leicht verletzt. Unsere Oma war sofort tot und unser Opa starb noch in derselben Nacht im Krankenhaus. Er war gerade vierzehn Jahre alt als es passierte. Christian ging es an dem Tag nicht gut, sonst hätte er ebenfalls im Wagen gesessen. Natürlich kommt das zur Zeit gerade alles wieder in ihm hoch und setzt ihm ziemlich zu, doch das ist nichts womit er nicht fertig werden könnte. Er hat eine lange Zeit hin und wieder Beruhigungstabletten genommen, die ihm ein Arzt verschrieb um besser schlafen zu können, wenn ihn die Erinnerung übermannte, doch die Zeit ist längst vorbei. Hörst du noch zu, Süße?", fragte Alessandro.

Schniefend nickte ich und er fuhr fort. "Der Tod unserer Mutter hat ihn ziemlich aus der Bahn geworfen und er sucht plötzlich für alles Mögliche die Schuld bei sich. Er ist davon überzeugt, dass unsere Mutter und unsere Oma die einzigen beiden Frauen waren, die ihn jemals geliebt haben. Außerdem ist er davon überzeugt, irgendetwas falsch gemacht zu haben, weil du nichts mehr mit ihm zu tun haben willst, Lena. Er hat mir die ganze Geschichte erzählt und ist ziemlich fertig. Deshalb will ich dir erklären, was die Worte meiner Mutter zu bedeuten hatten", er machte eine kurze Pause und räusperte sich.

" Du warst damals das erste Mädchen, in das ich mich unsterblich verliebte. Du hast es nicht leicht gehabt und ich stand dir in schwierigen Situationen bei. Irgendwann hast du sogar meine Küsse zugelassen und ich war selig, dennoch merkte ich mit der Zeit, dass du meine Gefühle nicht wirklich erwidern konntest und ließ dich gehen. Wir waren jung und du hattest mit deinen Problemen zu kämpfen. Allerdings fühltest du dich in unserem Freundeskreis sehr wohl und das freute mich. Enrico hatte sich nach dem schrecklichen Unfall sehr verändert, er war still geworden und teilte kaum noch jemandem mit, was er dachte oder fühlte. Er ließ sich von den vielen Mädchen, die ihn umschwärmten von seinem Schmerz ablenken, genauso wie Christian. Zu der Zeit, als du unserer Clique beitratest, hatten beide diese wilde Phase schon hinter sich gebracht. Als du damals mit Holger zusammenkamst, hat Enrico mir vorgeworfen, dass ich mich nicht genügend um dich bemüht hätte. Ich verstand überhaupt nicht, warum er sich darüber aufregte, du wolltest mich nicht, was hätte ich denn tun sollen? Die Geschichte mit Holger war vorüber und irgendwann musste Enrico mit Papa Fernando nach Italien fahren um irgendetwas zu regeln. Während der wenigen Tage seiner Abwesenheit, bist du mit Christian zusammengekommen. Ein Paar Wochen später hat Enrico Lisas Drängen nachgegeben und die beiden wurden ein Paar. Er mochte sie, geliebt hat er sie nicht. Er hatte gedacht, dass sich das Gefühl schon noch einstellen würde, was, wie du dir denken kannst nie geschah. Nach dem Abitur schickten meine Eltern mich für eine Zeit nach Italien, weil .......

ähm ........

ja .......

ich ... ich hatte ein Problem und vertraute mich ihnen an. In Italien sollte ich darüber hinwegkommen. Wenige Tage nach meiner Rückkehr hast du Christian geheiratet. Einige Wochen darauf hatte Enrico vor, sich von Lisa zu trennen und sein Leben in Italien fortzusetzen, aber da war es schon zu spät, Lisa war schwanger und niemals hätte Enrico auf sein Kind verzichtet. Niemand hätte ahnen können wem seine Liebe wirklich gehörte. Er hatte mit niemandem, nicht einmal mit Christian jemals darüber geredet. Nur unsere Mutter wusste wie es um ihn stand, sie hatte es gespürt, nennen wir es mütterlichen Instinkt. Hörst du noch zu, Lena?", nickend bestätigte ich ihm schniefend meine Aufmerksamkeit.

"Lena, es gibt keine andere Frau, so wie du es dir einreden willst. Die Worte die du gehört hast, waren auf dich bezogen. Er liebt dich, seit er dich zum ersten Mal sah, nur hat er zu lange gezögert auf dich zuzugehen und Christian ist ihm zuvorgekommen, er konnte schließlich auch nicht ahnen dass Enrico sich ebenfalls in dich verliebt hatte. Enrico versteht deine Angst um eure Kinder nicht, er ist der Ansicht, dass du ihn sowieso nicht liebst und deine Angst nur ein Vorwand ist. Du hast ihm irgendwann gesagt, er solle sich eine andere Frau suchen, das wäre wohl Beweis genug dafür, dass du nichts für ihn empfindest. Er hätte dir zwar zu verstehen gegeben, dass er keine andere Frau will, aber wahrscheinlich hätte er irgendetwas falsch gemacht, weil du dich vollkommen von ihm zurückgezogen hast. Allerdings, jetzt nachdem ich die Geschichte kenne, denke ich mal, dass dem nicht so ist, sonst würde es dir nicht seit einiger Zeit so schlecht gehen. Wahrscheinlich merkst du selbst nicht, wie sehr du dich verändert hast, Lena. Auch Christian leidet darunter, er möchte dich wieder so zurückhaben, wie du vorher warst und er möchte genauso seinen Freund wieder so haben, wie er war bevor du ihn hast fallenlassen. Ich kann deine Sorge um die Jungen sehr gut verstehen, denn ich habe miterlebt, was du durchmachen musstest, weil deine Mutter es mit der Treue nicht so genau nahm aber ... "

Ich schluchzte: " Ich bin ja nicht anders wie sie. Es darf einfach nicht sein zwei Männer zu lieben, das würde niemand akzeptieren. Wenn das herauskommt, dann wird es den Kindern genauso wie mir ergehen!"

" Lenaaa! .... Wenn du so wärst wie deine Mutter, wäre es dir scheißegal, was mit deinen Kindern passiert. Du bist nicht wie sie. Ich will nicht schlecht von ihr reden, aber es ist eine Tatsache, dass sie ohne Rücksicht auf irgendjemanden alles mitgenommen hat, was sich ihr bot. Ob sie eine Ehe gefährdete oder nicht, war ihr vollkommen egal. Liebe hat dabei absolut keine Rolle gespielt. Nehmen wir mal ein ganz simples Beispiel. Wir alle wissen, dass du Mark sehr gerne magst. Ebenfalls wissen wir, dass er schon oft versucht hat dich zu küssen  und zwar nicht nur freundschaftlich. Jeder unserer Freunde weiß genau, dass Mark und Claudia sich hin und wieder gewisse Freiheiten gestatten. Sie kommen damit klar, also geht es niemanden etwas an. Wenn er die Chance hätte bei dir zu landen, würdest du schneller in seinem Bett liegen als du gucken kannst, auf die Gelegenheit wartet er schon seit Jahren. Aber du würdest niemals auf den Gedanken kommen ihm diesbezüglich Hoffnungen zu machen oder seinem Drängen nachzugeben. Deine Mutter hätte nicht lange gefackelt und er wäre nur zu einem weiteren Kreuzchen auf einer langen Liste geworden. Du bist auf gar keinen Fall so wie deine Mutter, Lena, also denke nicht so etwas.

Um noch einmal auf die Kinder zurückzukommen: sie wachsen unter ganz anderen Bedingungen auf. Ihr würdet alles für sie tun um ihnen Rückhalt zu bieten. Ihr umsorgt sie, liebt sie, seid für sie da, wenn sie euch brauchen. Aber du darfst doch dein eigenes Leben nicht für sie aufgeben, Schatz! Und glaube mir, auch sie spüren, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt und leiden mit dir. Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund für deine Angst. Du machst dich verrückt aus Furcht vor Situationen, die aller Wahrscheinlichkeit nach niemals eintreten werden. Du betrügst niemanden, wenn du diese Beziehung zulässt, weil jeder von euch damit einverstanden ist. Ihr liebt euch. Christian hat dir selbst diese Beziehung vorgeschlagen, es gibt absolut keinen Grund dafür, dass du dir solche Sorgen machst. Ihr müsst es ja nicht in der Öffentlichkeit verbreiten, es geht schlichtweg niemanden etwas an, was ihr drei tut. Ihr schadet niemandem mit eurer Beziehung, also quäle dich doch nicht länger und lasse es einfach zu. Geh hoch zu Enrico, mache ihm klar, dass du ihn liebst und alles ist wieder in Ordnung. Wo ist das Problem? Und falls du hoffen solltest, dass Enrico und Lisa eventuell wieder zusammenfinden könnten, musst du noch wissen, dass das vollkommen ausgeschlossen ist. Lisa hat Enrico nicht nur einmal betrogen, sie tat es mehrmals. Sie hatte gedacht, dass sie bei irgendeinem anderen Mann Erfüllung finden könnte. Allerdings kann man ihr keinen Vorwurf machen, weil sie in einer verzweifelten Lage war, bis Alexandra vor Kurzem die Leitung des Wellnessbereiches in unserem Hotel übernahm und die beiden zueinanderfanden. Genau wie du hat sie ihre Gefühle unterdrückt, aber das schon eine sehr lange Zeit. Sie wollte es nicht wahrhaben, dass sie lesbisch veranlagt ist."

Was sollte ich an jenem Tag noch alles ertragen? Lisa musste mehrmals die Hölle durchquert haben und wie musste Enrico sich bei dem Gedanken daran fühlen, dass seine Frau auf Frauen steht?

Alessandro seufzte und wischte sich mit einer Hand sein Gesicht bevor er weitersprach.

" Lena, ich will dich nicht zu irgendeiner Entscheidung drängen. Natürlich möchte ich, dass mein Bruder wieder glücklich sein kann. Er weiß nicht dass ich mit dir rede , ich werde es ihm später beichten, wie auch immer deine Entscheidung ausfallen mag. Ich würde dich allerdings ebenso gerne wieder glücklich sehen, deshalb muss ich dir das jetzt sagen, bevor es zu spät ist und es tut mir sehr leid:

Wenn du nicht zu Enrico gehst um ihn davon zu überzeugen dass du ihn liebst, wird er Deutschland verlassen, es ist ihm sogar egal, dass er Marina hier zurücklassen muss. Er will, dass ich das Hotel hier weiterführe und er übernimmt das Hotel in Italien, was an sich kein Problem wäre, Alicia wäre  bereit mitzukommen und Isabella ist jung genug um sich schnell hier einzuleben. Nur würde ich Enrico in seiner derzeitigen Verfassung nicht allein lassen und deshalb werden wir das Hotel hier, entweder eine Zeitlang, oder auch für immer schließen. Unser Vater wäre sowieso mit uns nach Italien gefahren um seine Trauer zu verarbeiten. Er weiß nichts von dem ganzen Drama, welches sich hier abspielt.

Deshalb frage ich dich, Lena, ob du zu Enrico gehen möchtest, oder ob du ihn womöglich niemals wiedersehen willst? Er wird nicht auf dich zukommen, das weiß ich, er wird abreisen ohne sich zu verabschieden, denn wenn er das täte, würde es ihn endgültig zerreißen.

Es ist deine Entscheidung, Lena. Und ich versichere dir, wenn du zu ihm gehst wird er dich nicht wegschicken oder zurückweisen, er liebt dich, Lena und mit Sicherheit wird er es dir auch sagen, sobald er weiß, wie du für ihn empfindest.

Mehr habe ich nicht zu sagen, ich denke es war auch mehr als genug, was dir heute zugemutet wurde. Überlege in aller Ruhe was du möchtest und dann komme herauf oder nicht, je nachdem. Ich werde jedenfalls jetzt zu ihm gehen, um Giovanni und Mario abzulösen.

Weine nicht, Schatz, noch ist es nicht zu spät. Beruhige dich und überlege was du möchtest. Deine Entscheidung kann dir niemand abnehmen und jeder muss sie am Ende akzeptieren, wie auch immer sie ausfallen mag."

Tröstend zog Alessandro mich in seine Arme, doch das machte es nur schlimmer und ich schluchzte noch heftiger als zuvor. Ich zitterte so sehr, dass sogar meine Zähne klapperten.

Ich wusste nur zu genau, was ich zu tun hatte. Doch konnte ich mich nicht beruhigen.

Auch Christian bemühte sich nach Kräften mir Wärme zu geben, denn mir war, als wäre mein Innerstes zu Eis erstarrt.

Vorsichtig löste sich Alessandro nach einer Weile aus meiner Umklammerung.

" Ich werde jetzt Giovanni und Mario wegschicken, dann kannst du zu Enrico, das ist es doch, was du möchtest, oder irre ich mich, Lena?"

Ich schüttelte, immer noch leise schluchzend, meinen Kopf.

Erleichtert atmete Alessandro aus. Er küsste sanft meine Lippen. "Alles wird gut, lass dir ruhig noch ein wenig Zeit", sagte er leise und stand auf.

Christian zog mich näher an sich und sprach ruhig:" Du wirst sehen, dass du den richtigen Weg gewählt hast, mein Engel. Bleibe ein paar Tage bei Enrico, sprecht euch aus und kommt beide wieder zur Ruhe. Dann kehrst du zurück und alles ist wieder gut. Ich bringe dir später ein paar Sachen, okay?"

Zittrig atmete ich tief ein.

" Danke, mein Herz", flüsterte ich, " ich weiß gar nicht, wie du es so lange bei mir ausgehalten hast."

Erneut brach ich in Tränen aus.

"Bitte Lena, höre auf damit! Höre auf damit dich ständig selbst fertigzumachen. Ich liebe dich und das weißt du. Nichts auf der Welt könnte mich dazu bringen, dich nicht zu lieben. Du hast es verdient geliebt zu werden, auch wenn du da anderer Meinung zu sein scheinst. Du musst damit aufhören dich mit deiner Mutter auf eine Stufe zu stellen, du bist du und du bist wunderbar, so wie du bist. Ich möchte dass du wieder so lächelst wie früher, mein Engel, das vermisse ich schon so lange. Bitte, sei wieder du selbst, mein Schatz!"

"Ich liebe dich auch Christian", schluchzte ich.

Er küsste mich zärtlich, ich umarmte ihn fest und langsam wurde ich ruhiger.

" Bist du ganz sicher, dass du zu Enrico gehen willst, mein Schatz? Du weißt, ich würde mir wünschen, dass es wieder so wird wie es war, aber du musst dir wirklich absolut sicher sein, ansonsten wird es in einer Katastrophe enden. Noch einmal werdet ihr beide nicht so ein Gefühlschaos überstehen."

" Doch, ich schaffe das, das verspreche ich dir. In kleinen Schritten, werde ich es schaffen zu unserer Beziehung zu stehen, solange ich weiß, dass ich keinen von euch verlieren werde, wenn mich vielleicht doch mal der Mut verlassen sollte und ich einen winzigen Schritt zurücktrete. Wenn ihr mir ein wenig helft, werde ich das schaffen", versicherte ich ihm.

"Du wirst uns nicht verlieren, Schatz, du kannst dir sicher sein, dass wir dir immer eine Stütze sein werden, wenn du Hilfe benötigen solltest. Alessandro ist auch für dich da, das weißt du. Für das, was er gerade für uns getan hat, liebe ich ihn noch mehr und ich werde ihm auf ewig dankbar sein. Wir vier gehören einfach zusammen, so wird es immer sein. Ich bedaure sehr, dass er die meiste Zeit so weit von uns entfernt sein Leben lebt."

Ich nickte zustimmend.

" Ich bringe dich jetzt hinauf, okay? Oder brauchst du noch einen Moment", fragte Christian.

" Nein, alles ist gut, ich bin nur ziemlich erschöpft. Die letzten Tage haben mich fertig gemacht."

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Alessandro kam gleich auf mich zu, als Christian mich sanft aus dem Fahrstuhl schob.

" Danke, Lena", sprach er leise, "ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin. Ich habe ihm noch nichts gesagt, er liegt im Bett und ist gerade eingeschlafen. Soll ich bleiben?"

Ich umarmte ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.

" Nein, geh nur und ruhe dich aus Alessandro, ich glaube wir benötigen alle etwas Ruhe nach den letzten Tagen. Sollte Enrico mich rauswerfen, werde ich dir Bescheid geben. Danke, Alessandro, ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast."

" Jederzeit wieder, Lena. Er wird dich nicht hinauswerfen, alles wird gut Schatz, glaube mir."

Ich nickte und küsste ihn noch einmal, dann ging ich leise zum Schlafraum. Enrico lag mit geschlossenen Augen und freiem Oberkörper nur halb zugedeckt im Bett.

Kurz verharrte ich einen Augenblick. Obwohl ich ihn so sehr liebte, hatte ich ihm soviel Schmerz zugefügt. Das wird nicht noch einmal geschehen, nahm ich mir vor und entledigte mich der schwarzen Kleidung. Vorsichtig krabbelte ich zu ihm unter die Decke, zog sie etwas höher und kuschelte mich an ihn.

" Lena?", murmelte er schlaftrunken.

" Pssst, schlaf weiter, Schatz", flüsterte ich.

"Ich liebe dich", murmelte Enrico.

" Ich liebe dich auch, Enrico, mehr als du dir vorstellen kannst", sagte ich leise, beugte mich über ihn und küsste zärtlich seine Lippen. Seine Augen waren immer noch geschlossen, doch er umschlang mich mit seinen Armen und küsste mich als gäbe es kein Morgen.

"Weißt du, dass ich beinahe gestorben wäre?", fragte er atemlos.

" Ich werde dir niemals wieder so wehtun, solange ich lebe, das schwöre ich dir, mein Liebling", versicherte ich ihm.

" Ist Christian auch hier?", er richtete sich etwas auf.

"Nein, wir sind alleine, warum?"

" Ich will ihm dafür danken, dass er dich endlich davon überzeugt hat, dass du zu uns beiden gehörst", erklärte er.

"Eigentlich musst du Alessandro dafür danken, denn er war es, der mir die Augen öffnete."

" Alessandro?", verständnislos sah er mich an, dann seufzte er, schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

Gerade wollte ich fragen was seine Reaktion zu bedeuten hätte, als er weiterredete. "Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich dich liebe?  Ich liebe dich mehr als mein Leben und das wird sich nie ändern, ganz egal wie oft du mich durch die Hölle schickst, ich werde dich trotzdem lieben. Ich hatte vor, das Land zu verlassen, um mich von dir loszureißen, aber glaube mir, nicht einmal mein Tod könnte mich davon abhalten dich zu lieben, bis in alle Ewigkeit."

Schluchzend küsste ich ihn. Er zog mich auf seinen Körper und umarmte mich fest.

"Ich bin so müde, ich glaube ich könnte einen ganzen Monat lang schlafen", flüsterte er, " in all den Nächten habe ich kaum Schlaf gefunden. Stundenlang zermarterte ich mir den Kopf und überlegte, was ich wohl falsch gemacht haben könnte, aber fand keine Antwort."

" Du hast überhaupt nichts falsches getan, Schatz, es lag ganz allein an mir", schluchzte ich, " ich habe mir Dinge eingeredet die absolut schwachsinnig waren, es tut mir leid, ich will es wieder gutmachen, wenn du mir die Chance dazu gibst."

"Du musst nichts wieder gutmachen, mein Schatz, nur lass mich bitte nie wieder fallen.  Behandle mich nie wieder wie einen Fremden, der nichts in deinem Leben zu suchen hat. Noch einmal stehe ich das nicht durch."

Weinend schüttelte ich den Kopf.

"Alles ist gut", tröstete er mich, drehte sich mit mir im Arm um, so dass ich unter ihm zu liegen kam und küsste mich. Es tat gut nach so langer Zeit wieder seine Wärme zu spüren. Wie sehr  ich ihn vermisst hatte, habe ich ihm in den folgenden drei Tagen erzählt, denn an jenem Abend schliefen wir nach weiteren Küssen und leise geflüsterten Liebesbekenntnissen, eng aneinandergekuschelt, erschöpft ein.

Wir redeten in den nächsten Tagen viel und verließen nur selten die Suite. Einmal gingen wir zu Mama Marias Grab, Hand in Hand. Es störte mich nicht, dass uns einige Leute begegneten.

Enrico hat sich geöffnet, er sprach über all die Dinge, die ihn belastet hatten und meinte, er wäre nie zuvor so glücklich gewesen. Alessandro reiste mit Papa Fernando, Frau und Kind eine Woche später ab und Enrico nahm seine Arbeit wieder auf. Lisa und er lebten wie Bruder und Schwester weiterhin zusammen, um Marina wundervolle Eltern zu sein. Lisa liebte ihn wirklich, auf ihre Art, als Freund, mehr nicht. Lisa wurde mir wieder eine gute Freundin, auch Alexandra ist mir mit der Zeit ans Herz gewachsen.

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An einem Wochenende, vier Wochen nach der Beerdigung, war ich abends mit Enrico in der Suite verabredet. Es war der Abend vor meinem zwölften Hochzeitstag. Die Kinder wollten bei Marina und Lisa übernachten und Christian meinte, dann könnte er sich in Ruhe den Science-Fiction-Film ansehen der im Fernsehen gebracht wurde, auf sowas stand ich nämlich überhaupt nicht.

Enrico war noch nicht da, allerdings war der gesamte Wohnbereich geschmackvoll mit roten Rosen dekoriert. Ich schmunzelte angesichts der liebevollen Geste. Auf dem Tisch standen eine Flasche Champagner in einem Sektkühler und ein, mit einer Haube abgedecktes, großes Tablett. Drei Champagnergläser zählte ich, was mich stutzig machte. Erwartete er einen Gast? Glücklicherweise trug ich, wie meistens, ein elegantes Kleid, vielleicht ein wenig zu sexy für ein Treffen mit einer fremden Person, fand ich jedenfalls. Wenn man sich vor Augen hielt, in welchen Fummeln irgendwelche Stars zu Auftritten erschienen, war mein Kleid allerdings sogar als züchtig zu bezeichnen.

Trotzdem war ich etwas nervös.

Der Aufzug kam an. Christian und Enrico traten gemeinsam heraus. Beide, wie für einen festlichen Anlass in dunkle Anzüge gekleidet.

Gab es etwas zu feiern? Aber wir waren unter uns, wozu dann dieser Aufwand?

Beide strahlten um die Wette, Enrico küsste mich zur Begrüßung und bat mich Platz zu nehmen.

"Sicherlich wunderst du dich, über die Aufmachung aber manchmal ist sowas für bestimmte Anlässe die perfekte Ergänzung" begann Enrico zu reden, "Christian ist hier um als dein rechtmäßiger Ehemann, mein Vorhaben abzusegnen, damit du dich nicht unnötig darüber sorgen musst, ob er damit einverstanden ist, oder nicht. Es ist  keine offizielle Sache, leider geht das nicht, also wird es nur einen symbolischen Charakter haben. Also Chris?"

Christian nickte. "Ja, ich bin damit einverstanden."

Mir wurde etwas mulmig zumute.

Enrico schnappte sich eine Rose, überreichte sie mir und kniete vor mir nieder, sogleich füllten sich meine Augen mit Tränen.

" Liebe Lena, du weißt, wie sehr ich dich liebe und das schon seit vielen Jahren. Du bist die einzige Frau, die ich jemals wirklich geliebt habe und so wird es auch immer bleiben. Leider kann ich dich nicht wirklich heiraten, aber sei versichert, dass ich es sofort tun würde, sofern es die Möglichkeit dazu gäbe. Daher bleibt mir nur dieser eine Weg. Ich verspreche dir meine ewige Liebe, denn meine Liebe zu dir ist grenzenlos. Ich verspreche dir meine ewige Treue, eine andere Frau wird es niemals für mich geben, weil keine andere Frau auf dieser Welt so ist, wie du es bist. Ich verspreche dir meine aufrichtige Ehrlichkeit mein Vertrauen und meine Fürsorge. Ich will dich achten, ehren und respektieren, dir stets eine Stütze sein, sollte deine eigene Kraft,  aus welchem Grund auch immer, dich im Stich lassen. Außerdem verspreche ich dir, dass ich deine Ehe mit Christian immer akzeptieren und respektieren werde, ich werde niemals versuchen, dich für mich allein zu gewinnen. Dies alles verspreche ich dir auf Lebenszeit und bitte dich als Zeichen unserer Liebe diesen Ring zu tragen und dich damit auch als meine Frau zu bekennen, falls du dazu bereit sein solltest."

Schluchzend hielt ich ihm beide Hände mit gespreizten Fingern entgegen, weil ich nicht recht wusste auf welchem Finger ich den Ring tragen würde, schließlich war der rechte Ringfinger schon belegt.

" In Italien trägt man den Ehering an der linken Hand, mein Schatz, also ist der andere Ring überhaupt kein Problem", schmunzelnd schob er mir den Ring auf den linken Ringfinger.

Ich stand auf um ihn zu küssen.

" Du machst mich unendlich glücklich",  flüsterte er, bevor unsere Lippen sich berührten und wir unsere Verbindung mit einem langen Kuss besiegelten.

Christian hatte derweil die Champagnerflasche geöffnet und reichte uns jeweils ein gefülltes Glas. Bevor wir zu dritt anstießen, küsste auch er mich, liebevoll und zärtlich.

"Na dann herzlichen Glüchwunsch, ihr Lieben", sagte er und erhob sein Glas.

"Ach Moment, stopp" , rief Enrico aus. Er zog das Ringkästchen aus der Hosentasche und hielt es mir entgegen. Ich schob ihm ebenfalls einen Ring über den linken Ringfinger.  Den Ehering der seine Verbindung mit Lisa bezeugte, hatte er schon vor Jahren abgelegt. "Ich liebe dich", sagte ich leise und wir küssten uns erneut.

" So, jetzt können wir anstoßen", meinte Enrico.

Christian verdrehte die Augen. " Bist du sicher, dass jetzt alles seine Ordnung hat, Bruder?"

"Ja, ich glaube schon", meinte Enrico," du bleibst doch Chris, oder?"

Jene Nacht verbrachten wir zum ersten Mal zu dritt und es sollten noch unzählige weitere folgen.

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Unsere Kinder wurden älter und als Andy irgendwann die Frage stellte, mit der wir schon lange gerechnet hatten, hat Christian Leon dazugerufen und den beiden offen und ehrlich unser Verhältnis erklärt. Damals war Andy fast siebzehn und Leon fünfzehn Jahre alt.

"Cool", meinte Leon, " ich habe gedacht, die beiden treiben es hinter deinem Rücken, deshalb hab ich nichts gesagt. Schließlich wollte ich Mama und Onkel Enrico nicht in die Pfanne hauen. Ähm ... du meinst ihr beiden, du und Onkel Enrico, ihr seid bisexuell? Marina hat vor kurzem gesagt, sie glaube Tante Lisa hätte was mit ihrer Freundin ..."

"Oh Mann, du Hohlbirne," unterbrach ihn Andy , "die sind nicht bi, sie vögeln nur beide unsere Mum, kapierst du's nicht? Dazu muss man nicht bisexuell sein. Kein Wunder, sie ist ja auch 'ne heiße Braut, fast alle Kerle aus unserer Klasse fahren auf sie ab."

"Ja, stimmt, ist bei uns in der Klasse ...", weiter kam Leon nicht. Christian blickte sie ermahnend an.

"Wolltet ihr beiden nicht die Schweinerei beseitigen, die ihr nach eurer gestrigen Fete im Wintergarten hinterlassen habt? Und falls ihr meint, ihr müsstet irgendetwas von unserem Gespräch unter euren Freunden verbreiten, wird es derartige Veranstaltungen hier im Haus oder Garten nicht mehr geben, klar?", wies Christian unsere Söhne zurecht, bevor sie noch auf die Idee kamen nach irgendwelchen Details zu fragen.

"Komm, Bruder. Bei den anderen können wir sowas nicht machen. Die Alten von denen sind nicht so locker drauf wie unsere." Andy zog Leon hinter sich her.

Christian grinste, zog mich in seine Arme und bevor er mich küsste, flüsterte er: "Ich wusste gar nicht, dass du so viele Verehrer hast, mein Engel."

" Tja", ich grinste, " immerhin weiß ich jetzt, dass du es heimlich mit Enrico treibst. Deshalb geht ihr wohl so oft zum Training, jedenfalls sagt ihr immer, dass ihr dort hingeht. Vielleicht sollte ich mich an einen der Jungs heranmachen, um es euch heimzuzahlen."

Christian prustete vor Lachen. Enrico kam gerade über den Rasen gelaufen. Und sah uns verwundert an.

"Was ist so lustig?", wollte er wissen.

"Hallo Süßer", Christian ging mit gespitzten Lippen auf ihn zu, hielt ihn an den Armen fest und drückte im einen schmatzenden Kuss auf die Lippen.

"Bah! ... Ey, sag mal hast du sie noch alle? Hat dir einer was in den Kaffee getan, oder was ist los? Hau ab du Sau, sonst hau ich dir was auf die Fresse!"

Enrico schubste Christian zurück und wischte sich angeekelt über den Mund.

Ich bog mich vor Lachen. Christian erzählte, ebenfalls lachend, von dem Gespräch und Enrico fiel in unser Gelächter ein, dann zog er mich an sich und küsste mich hemmungslos mitten in unserem Garten.

"Siehst du, wieder einen Schritt weiter, Schatz", meinte er anschließend, " das war doch die größte deiner Sorgen. Hättest du gedacht, dass die beiden so gelassen reagieren?"

Kopfschüttelnd musste ich bei dem Gedanken daran erneut lachen.

"Falls Marina mich darauf ansprechen sollte, werde ich ihr die Sache erklären. Damit sie nicht denkt, ich würde ihre Mutter betrügen, werde ich ihr auch sagen, dass Lisa damit einverstanden ist. Ihre Beziehung zu Alexandra, wird Lisa ihr aber selbst beichten müssen, das ist allein ihre Sache. Eigentlich wollte ich euch fragen , ob ihr nachher zum Grillen rüberkommt, vielleicht in zwei Stunden oder so. Mark und Jan mit Frauen und Kindern kommen auch."

Natürlich waren wir auch dabei.

So vergingen die Jahre. Wir feierten Parties mit unseren Freunden, hatten viel Spaß am Leben und genossen ganz besonders die Tage, an denen auch Alessandro bei uns war. Wir vermissten ihn sehr. Mittlerweile hatte er eine Band gegründet und trat zunächst an den Wochenenden im Hotel und später auf Feierlichkeiten auf. Mit der Zeit kamen so viele Anfragen, dass er beinahe die Hälfte ablehnen musste. Meistens kam er unter der Woche für zwei drei Tage allein zu Besuch.

Alles lief bestens, bis uns eines Tages die Nachricht von Alicias Krebserkrankung erreichte. Ich fuhr mit Enrico nach Italien, Christian war mit zwei Aufträgen schon in Verzug geraten, er mutete sich viel zu viel zu, versprach mir aber, es in Zukunft ruhiger angehen zu lassen.

Alicia wurde operiert, Gebärmutter und Eierstöcke wurden total entfernt. Danach folgte eine Chemotherapie.

Nach einer Woche fuhr Enrico zurück und ich blieb noch, half im Hotel, wo auch immer meine Hilfe benötigt wurde und bot Alessandro, Alicia und Isabella seelischen Beistand. Wozu hat man Freunde und Familie, wenn nicht um sich gegenseitig zu unterstützen? Wir sind uns in der Zeit noch sehr viel näher gekommen und alle drei waren dankbar für meine Unterstützung.

Nach zehn Wochen holte Christian mich ab. Ich hatte ihn und Enrico schrecklich vermisst, nur zweimal waren sie für ein Wochenende dort gewesen, doch ihre Arbeit musste getan werden und Italien lag nicht gleich um die Ecke. In der Beziehung hatte Alessandro mehr Freiraum. Sein, und natürlich auch Enricos Cousin Pedro, sprang gerne für ihn ein, er hatte damals auch das Lokal geführt und den Bau des Hotels überwacht, neben seiner eigentlichen Aufgabe, den gegenüberliegenden Weinberg zu bewirtschaften, natürlich alles mit Hilfe von Mitarbeitern.

Alicia ging es soweit wieder ganz gut, alles weitere lag in Gottes Händen, und tatsächlich schien sie sich gut zu erholen, selbst die Ärzte machten ihr anhand er Untersuchungsergebnisse Hoffnungen.

Irgendwann kam sie mit Alessandro zu Besuch und ich freute mich sehr zu sehen, dass sie  gesund aussah und ihre liebenswerte Art sie strahlen ließ, wie nie zuvor. Ganz besonders freute ich mich Alessandro wiederzusehen, ich hatte ihn sehr vermisst.

So verging ein weiteres Jahr.

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Ich erhielt etwa ein dreiviertel Jahr vor unserer Silberhochzeit einen Brief von Alicia, dessen Inhalt einen inneren Konflikt in mir auslöste. Ich wunderte mich zunächst warum sie mich nicht einfach anrief, denn der Brief war in italienischer Sprache verfasst. Sie beherrschte mittlerweile unsere Sprache ziemlich gut, was allerdings nicht auf die schriftliche Form der Kommunikation zutraf. Mir ging es mit meinen Italienischkenntnissen auch nicht anders.

Zuoberst stand: Enrico lese bite.

Also bat ich Enrico mir diesen Brief zu übersetzen, als wir am späten Nachmittag mit Christian auf der Terasse zusammensaßen. Die beiden wollten später zu Mark - Männerabend - und ich freute mich auf einen Film der im TV gesendet wurde.

Enrico überflog zunächst den Text, und gab mir den Brief zurück.

"Das kann ich dir nicht vorlesen, Schatz, tut mir leid."

Beunruhigt sah ich ihn an. "Was ist passiert, Enrico. Ist es was schlimmes?"

Er schüttelte nur den Kopf und schwieg. Ich schaute selbst auf die eng geschriebenen Zeilen, las mehrmals Alessandros Namen und machte mir ernsthaft Sorgen.

Christian nahm mir den Zettel aus der Hand und las ebenfalls kurz einige Zeilen, dann legte er ihn mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck auf den Tisch, sagte aber nichts.

"Was ist hier los?", fragte ich ärgerlich, "wenn mir nicht augenblicklich einer von euch sagt, was in dem Brief steht, rufe ich Alicia an und frage sie persönlich. Ich weiß sowieso nicht, warum sie mir nicht einfach am Telefon erzählt, was sie von mir will, wir haben erst gestern noch miteinander telefoniert und sie hat nichts Ungewöhnliches erwähnt."

Enrico und Christian wechselten einen recht unbehaglichen Blick, dann schauten sie zeitgleich bedrückt vor sich auf den Tisch.

"Schön", ich erhob mich von meinem Platz, " wenn ihr nicht wollt, rufe ich sie jetzt an."

"Warte!", stoppte Christian mein Vorhaben.

Auffordernd sah ich ihn an.

" Sie schreibt dir, weil sie dir eine Bedenkzeit einräumen möchte. Solange, bis du zu einer, für dich akzeptablen, Entscheidung gelangt bist", vernahm ich seine leise Antwort.

"Ah ja, jetzt ist mir absolut klar um was es geht!", regte ich mich auf, " Vielleicht gibt es ja auch noch zwei, drei Worte zu dem Thema welches meiner Zustimmung oder Ablehnung bedarf? Ich meine der Brief ist ja lang genug und ihr habt beide nur wenige Zeilen gelesen, deshalb muss ich doch ganz stark annehmen, dass ihr wisst um was es geht."

Wieder dieser unbehagliche Blickaustausch der beiden.

"Setze dich wieder, mein Engel", bat Christian. Er wischte sich mit beiden Händen sein Gesicht und atmete tief ein, bevor er fortfuhr.

"Alessandro liebt dich, ich meine: er liebt dich wirklich und nicht nur freundschaftlich und das seit Ewigkeiten. Schon seit damals, als ihr gemeinsam zur Schule gingt und du die schweren Zeiten durchleben musstest. Ich schwöre dir, dass ich damals keine Ahnung davon hatte, ich wusste nicht einmal, dass ihr mal zusammen gewesen seid. Ganz kurz gesagt: Er ist nie darüber hinweggekommen. Jessica hat ihm kurz vor der Hochzeit deshalb den Laufpass gegeben. Er hat Alicia geheiratet, weil Isabella seine Tochter ist und weil Alicia seine Liebe zu dir bedingungslos akzeptiert hat, sonst hätte er es nicht getan. Das soll nicht heißen, dass er nichts für sie empfindet, allerdings hast du immer den ersten Platz in seinem Herzen eingenommen und das würde sich niemals ändern, so schreibt sie. Im Moment macht er, wie so oft schon, eine Phase durch in der er sehr verzweifelt ist. Doch dieses Mal wäre es besonders schlimm und sie macht sich große Sorgen", Christian nahm den Brief zur Hand.

"Was sonst nur ein paar Tage andauerte, hält nun schon seit ihrem letzten Besuch an und er hätte sogar einige Auftritte platzen lassen, was noch niemals vorgekommen sei. Sie hat ihn in all den Jahren schon mehrmals dazu ermutigt dir seine Gefühle zu offenbaren, doch er lehnte es stets ab. >Weil er dir nicht noch mehr zumuten möchte als du ertragen kannst, weil er die Freundschaft zwischen euch nicht aufs Spiel setzen will, weil er seine Brüder liebt und eure Beziehung nicht gefährden will und weil er mich niemals verlassen wird, dazu würde ich ihm zu viel bedeuten, sagt er <, so schreibt sie. Sie fragt dich, ob du auch mehr als Freundschaft für Alessandro empfindest und bittet dich, falls du dazu bereit sein solltest, ihm ein wenig deiner Liebe zu schenken und ihm nach Möglichkeit auch körperliche Nähe zu gewähren. Sie ist sich dessen bewusst, dass sie dich um beinahe Inakzeptables bittet, möchte aber, dass du dein Herz fragst, ob es nicht vielleicht dazu bereit wäre, Alessandros Liebe zu dir zu erwidern. Sie selbst habe großes Verständnis für seine Liebe zu dir, denn du wärst eine liebenswerte, wunderbare, sehr schöne Frau. Sie hätte niemals eine bessere Freundin als dich gehabt, sie liebt dich und sie würde sich nichts mehr wünschen, als dass du über ihre Bitte nachdenkst und dich bestenfalls sogar dazu entscheidest Alessandro so wie Enrico und mich zu lieben. Es würde sie glücklich machen. Du wüsstest, dass sie um einige Jahre älter ist als du es bist und seit ihrer Krebsoperation, würde sie die körperliche Liebe als schmerzhaft und  unerträglich empfinden. Sie hätte Alessandro sogar ihr Einverständnis dazu gegeben, sich auf andere Frauen einzulassen, aber das lehnt er entschieden ab. Dabei sähe er so gut aus und sie bekomme ständig mit, wie andere Frauen ihm schöne Augen machen. Bitte Lena, denke darüber nach. Alessandro würde dir niemals seine wahren Gefühle für dich offenbaren, deshalb habe ich es getan, schreibt sie. Ich wäre wirklich glücklich, Lena, glücklich und unendlich dankbar, wenn du Alessandro endlich das schenkst wonach er sich schon seit seiner Jugendzeit sehnt. Du warst seine erste Liebe und diese Liebe ist in der langen Zeit eher gewachsen, als dass sie schwächer geworden wäre.

In Liebe Deine Freundin Alicia

Das ist der gesamte Inhalt ihres Briefes, Lena. Enrico und ich wissen seit den Tagen nach Mama Marias Tod, was er für dich empfindet. Er hat uns schwören lassen, dass wir darüber stillschweigen bewahren."

Enrico war aufgestanden und blickte, mit uns zugewandtem Rücken  in den Garten.

Mir war, als hätte mir jemand vor den Kopf geschlagen - unfähig das gerade Gehörte vollständig zu verstehen.

Ich brauchte eine Weile um die Tragweite des gesamten Wortlautes zu erfassen.

Ich selbst hatte jedesmal wenn ich Alessandro sagte, oder per Whatsapp schrieb dass ich ihn liebe und dass ich ihn vermisse - als guten Freund natürlich, so meinte ich das -, noch Salz in seine Wunden gestreut. Hatte zugelassen, dass er mich so küsst, als wären wir ein Paar, obwohl Enrico mir einige Male sagte ich solle das lieber lassen. Doch jedesmal meinte Alessandro, es wäre doch nur ein Kuss und wieder ließ ich mich darauf ein.

Was um alles in der Welt hatte ich getan?

Ich begriff auch, warum er damals, als er mir erklärte was Mama Marias Worte die sie an ihrem Sterbebett zu Enrico sagte zu bedeuten hatten, für einen Moment aus dem Konzept geriet, als er erzählte, dass seine Eltern ihn nach dem Abitur nach Italien schickten, weil er ein Problem hatte. Das Problem war ich gewesen. Er hat es nicht ertragen können, mich mit Christian zusammenzusehen.

Er war etwa nach einem Jahr zurückgekehrt um zu studieren, wenige Tage vor unserer Hochzeit. Kurz vorher hatte er sich auf Alicia eingelassen, eine Mitarbeiterin des Lokals, die acht Jahre älter als er und verheiratet war. Allerdings war ihre Ehe am Ende und sie hatte ihren Mann verlassen, weil er sie nach Strich und Faden betrog und außerdem ihr gegenüber mehrmals gewalttätig wurde. Als er während der Semesterferien nach Italien reiste, war sie verschwunden und niemand wusste wo sie war. Ungefähr zwei Jahre später lernte er Jessica kennen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass sie mir oft wütende Blicke zuwarf, wenn sie meinte Alessandro würde mir zuviel Aufmerksamkeit widmen. Sie machte ihm mehrmals eine Szene, wenn er auf irgendeiner Party, ihrer Meinung nach zu oft mit mir tanzte, oder mich ganz spontan in seine Arme zog und mir einen freundschaftlichen Kuss gab, aber davon ließ er sich nicht beeindrucken. Ich hatte damals kein gutes Gefühl, als er uns mitteilte, dass er sie in wenigen Wochen heiraten wollte, doch natürlich behielt ich das für mich.

Bis zu jenem Zeitpunkt, als Christian mir aufgrund des Briefes erzählte,  dass ich der Grund für seine geplatzte Hochzeit gewesen war, hatte ich keine Ahnung was zu ihrem Zerwürfnis führte.

Zu der damaligen Zeit war ich selbst ziemlich neben der Spur, es war etwa ein halbes Jahr nachdem ich meine Beziehung mit Enrico auf Eis legte. Alessandro forderte mich in der Zeit mehr als einmal auf mit ihm zu reden, weil er mir ansah, dass mich etwas belastete. Immer wieder lehnte ich ab, doch er gab keine Ruhe, bis er schließlich einsah, dass ich ihm den Grund für mein ungewohntes Verhalten niemals anvertrauen würde. Das muss der Auslöser für ihre Trennung gewesen sein. Er wollte mir dabei helfen mit einem Problem fertigzuwerden und Jessica hatte ihn deshalb abserviert. Das hatte ihn abstürzen lassen. Ich hatte seinen Schmerz mit ihm geteilt, viel mit ihm geredet, ihm erklärt, dass Jessica nicht die Richtige für ihn gewesen sei, hatte ihm verständlich gemacht, dass seine große Liebe noch irgendwo auf ihn warten würde und was man nicht alles sagt um jemanden wieder ins Licht zu führen. Was allerdings der Auslöser für Jessicas Reaktion gewesen war, wollte Alessandro mir nicht erzählen. Kurz darauf ging er nach Italien, um das Hotel, welches mittlerweile neben dem alten Lokal entstanden war, zu führen. Alicia war zurückgekehrt und präsentierte ihm seine Tochter Isabella, die etwas älter war, als mein Sohn Andy. Kaum ein halbes Jahr später heiratete er Alicia.

Mir stiegen Tränen in die Augen.

Mein Herz schmerzte.

Ich erinnerte mich an die lange vergangene Zeit, als ich mich damals so sehr nach ihm zurücksehnte.

Natürlich liebte ich ihn, aber war es mehr als Freundschaft?

Den Gedanken, dass es nicht sein darf ließ ich gar nicht erst zu. Das hatte ich bereits hinter mich gebracht, als ich mich zu der Dreierbeziehung mit Enrico bekannte.

Ich merkte gar nicht, dass mir die Tränen wie ein Bach über die Wangen liefen.

Christian hatte seinen Arm um mich gelegt, Enrico stand hinter mir und massierte ganz sanft und zärtlich meine Schultern. Sie sprachen kein Wort.

"Was soll ich denn jetzt nur tun?", schluchzte ich hilflos.

Ich nahm mein Handy zur Hand und sah die letzten Nachrichten von Alessandro durch, auf der Suche nach einer Antwort auf meine Frage. Er hatte sich an jenem Tag überhaupt noch nicht gemeldet und in den Tagen zuvor meistens nur ein Herz zurückgesendet, wenn ich fragte was er gerade macht und schrieb,  dass ich ihn vermisse. Bei dem Link zu einem Musikvideo blieb ich hängen, den hatte er mir drei, vier Wochen zuvor geschickt. Ich erinnerte mich daran, dass es ein sehr emotionaler Song war, allerdings hatte ich gar nicht so richtig auf den Text geachtet, ich vernahm zwar die herzzerreißende Stimme, war aber viel zu sehr darauf konzentriert gewesen, noch einmal einen Blick in die Augen des Sängers werfen zu können. Gleich zu Anfang des Songs wurde eine Großaufnahme seiner Augen gezeigt. Mir war, als blickte ich in die Augen meines Mannes. >Seine Augen haben den gleichen Ausdruck und die gleiche Farbe wie  Christians Augen <, hatte ich gedacht und als Alessandro fragte, was ich zu dem Song sagen würde, antwortete ich, dass er sich wohl für eine Party viel zu traurig anhöre, weil ich der Annahme war, er würde ihn in sein Repertoire aufnehmen wollen. Ich klickte den Link an und "Diese Liebe", erklang. Als der Song endete, wusste ich warum er ihn mir wirklich schickte, was den derzeitigen Widerstreit meiner Gefühle nicht gerade besänftigte.

"Die einfachste Lösung wäre, jetzt sofort meine Sachen zu packen und zu verschwinden. Dann hätte alles ein Ende. Jetzt ist es Alessandro, wer kommt anschließend noch dazu? Ich kann das nicht, ich weiß keinen Ausweg, was soll ich denn tun, könnt ihr mir das verdammt noch mal sagen?" Meine Stimme überschlug sich und mir wurde übel angesichts des Chaos welches in mir wütete.

"Das ist ganz allein deine Entscheidung, Lena", meinte Enrico leise, " er ist mein Bruder und wenn du willst ziehe ich mich aus der Beziehung zurück, du weißt, was er für mich auf sich genommen hat, als er dich dazu bewegte zu mir zurückzukehren, obwohl er selbst so tiefe Gefühle für dich hegte. Ich gehe und überlasse ihm meinen Platz, das ist die beste Lösung. Ich liebe dich über alles, Lena, aber niemand kann von dir verlangen eine Beziehung mit uns Dreien zu führen."

Entsetzt sah ich ihn an und schüttelte energisch den Kopf. Er wischte sich Tränen aus den Augen.

"Aber hast du mal daran gedacht, dass auch ich dich liebe? Noch einmal verkrafte ich das nicht Enrico. Ohne Christian und dich kann ich nicht sein, das überlebe ich nicht. Ich werde mit Alessandro reden."

Christian ergriff das Wort: " Was willst du ihm sagen, mein Engel? Meinst du irgendetwas, was du ihm erklärst, könnte seine Gefühle für dich ändern? Das ist vollkommen aussichtslos, glaube mir. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder du lässt es zu, oder du machst ihm verständlich, dass du ihn nicht liebst und er geht, so wie Enrico damals, an seiner Liebe zu dir zugrunde. Es wäre etwas anderes, wenn er sich jetzt plötzlich in dich verliebt hätte, aber so ist es nicht, mein Schatz. Du musst mal darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn ich damals gewusst hätte, dass Alessandro dich liebt. Nie im Leben hätte ich dich angesprochen und höchstwahrscheinlich wärst du heute mit ihm und nicht mit mir verheiratet. Ich bin froh, dass ich es war, der dich ihm unwissentlich weggenommen hat und nicht Enrico, ich glaube das wäre noch schlimmer für ihn gewesen und er hätte es seinem Bruder niemals verziehen. Du musst selbst eine Entscheidung treffen, mein Engel, da kann dir niemand reinreden. Falls du dich dafür entscheidest, werden wir eine Lösung finden, schließlich klappt es doch jetzt auch sehr gut, oder fühlst du dich von uns ausgenutzt oder zu irgendetwas gedrängt, was du eigentlich gar nicht möchtest?"

"Nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin unendlich glücklich mit euch" , gab ich zurück.

" Na siehst du. Ich behaupte mal Alessandro gut genug zu kennen, um zu wissen, dass er dich ebenso zu nichts drängen würde, was du nicht selbst zu geben bereit bist.  Wäre es anders, hätte er es schon längst getan. Die Frage ist nur, ob du ihn liebst und ob du dazu bereit bist ihm deine Liebe zu schenken. Zu dieser Frage kannst nur du allein eine Antwort finden und noch etwas: noch einer wird mit Sicherheit nicht dazukommen, das werden wir auf jeden Fall zu verhindern wissen", sprach Christian.

Ich nickte grinsend, seine letzte Bemerkung war ein liebenswerter Versuch mich aufzumuntern. Aber er hatte recht, ich musste selbst eine Entscheidung treffen.

Zärtlich küsste ich ihn und stand anschließend auf um Enrico zu umarmen und ihn ebenfalls zu küssen.

"Ich werde ein Bad nehmen", ließ ich sie wissen, denn das brauchte ich dringend. Ein langes, heißes Bad mit ganz viel duftendem Schaum und leiser Musik im Hintergrund, um meine Gedanken zu ordnen und mir über meine Gefühle Klarheit zu verschaffen.

"Ihr könnt ruhig gehen, mir geht es gut", versicherte ich ihnen, als ich die Terassentür bereits erreicht hatte.

Enrico meinte noch:" Okay, aber wir lassen dich nicht allein."

Ich zuckte mit den Schultern, wenn sie meinten, dass sie unbedingt Zuhause bleiben mussten, war das ihre Sache.

Bevor ich in die Wanne stieg, schrieb ich noch eine Nachricht an Alessandro. >Ist alles in Ordnung bei dir? Du hast dich heute noch nicht gemeldet ...<

Ich machte mir große Sorgen um ihn. Als ich einige Minuten im warmen Wasser verbracht hatte, wurde mir klar, dass ich ihn wirklich sehr vermisste. Es war bereits acht Wochen her seit wir uns zuletzt sahen. Mein Handy lag auf dem Wannenrand. Er hatte noch nicht  geantwortet, stellte ich fest.

> Alessandro, bitte melde dich, sonst werde ich gleich verrückt vor Sorge!< schrieb ich in der zweiten Nachricht.

Ich ließ heißes Wasser nachlaufen, träumte eine Weile vor mich hin und blickte dann erneut auf das Handy.

Nichts ...

Auch wenn er die meiste Zeit in Italien war, so war er dennoch ständig gegenwärtig. Oftmals schrieben wir stundenlang belangloses Zeug hin und her, machten Scherze und neckten uns gegenseitig. Ich lächelte bei dem Gedanken vor mich hin und mein Herz wurde von angenehmer Wärme erfüllt. Er ist nicht nur ein Freund. Er ist meine Jugendliebe und bedeutet mit viel mehr als nur ein Freund, und ich vermisse ihn sobald er wieder nach Italien zurückfährt, wurde mir bewusst. Keinen unserer Freunde, nicht einmal Mark oder Jan vermisste ich so sehr, selbst wenn ich wochenlang nichts von ihnen hörte. Ich vermisste seine Umarmungen, seine unaufdringlichen Küsse, denn er umarmte und küsste mich oft, wenn er hier war, nur freunschaftlich, hatte ich stets gedacht. Ich vermisste seine Nähe und wenn ich wusste, dass er zu Besuch kommen würde, schlug mein Herz viel zu schnell  ...

Wieder blickte ich auf mein Handy. Innere Unruhe und die Sorge um ihn verwandelte sich plötzlich in Panik. Irgendwas musste passiert sein. Alessandro würde mich niemals so lange auf eine Antwort warten lassen. Ich musste aus der Badewanne raus, ihn anrufen und mich vergewissern, dass ihm nichts zugestoßen war.

"Ich liebe ihn , bitte, bitte lass nichts passiert sein, lieber Gott", sprach ich im Geiste ein Gebet.

Notdürftig trocknete ich mich blitzschnell ab und verknotete mit zitternden Fingern das Tuch locker über meiner Brust.

Nachdem ich die Kurzwahltaste betätigte, hörte ich das Freizeichen, doch nach dem fünften oder sechsten Ton meldete sich die Mailbox.

Ich fluchte, beendete den Anruf, um völlig  neben der Spur erneut die Kurzwahltaste zu betätigen.

Das gleiche Spiel noch einmal.

Die Panik nahm zu, ich begann heulend zu zittern.

Wieder wählte ich, wartete bis die Mailbox lief und bat schluchzend um einen dringenden Rückruf.

"Verdammt Alessandro!", schrie ich vollkommen aus der Fassung geraten und hätte am liebsten das Handy gegen die Wand geworfen.

Jemand polterte die Treppenstufen hinauf, die Tür wurde aufgerissen.

"Lena, Schatz, was ist mit dir?", mit drei großen Schritten war Alessandro bei mir, drehte mich zu sich herum und zog mich fest in seine Arme.

"Aber ... aber ... wo kommst du denn her?", schluchzte ich.

"Ich musste einfach herkommen, ich habe dich vermisst und ich muss mit dir reden, Lena. Es geht um den Brief, ich ..." weiter kam er nicht.

Ich küsste ihn und schlang meine Arme um seinen Hals. Er erwiderte meinen Kuss und vertiefte ihn. Ich ging auf sein Zungenspiel ein und es fühlte sich gut und richtig an.

" Ich liebe dich", flüsterte ich als Alessandro meine Lippen freigab.

Alessandro sah mir in die Augen.

" Du musst das nicht sagen, weil du diesen Brief von Alicia schon bekommen hast, Schatz. Sie hat mir gestern Abend gebeichtet, was sie vor ein paar Tagen getan hat und ich dachte, weil die Post doch immer so lange unterwegs ist, könnte ich wenigstens hier sein, bevor der Brief ankommt, um mit dir zu reden."

Ich schüttelte meinen Kopf.

"Nein, der Brief hat mich nur dazu veranlasst, mir Gedanken über meine Gefühle zu machen. Ich liebe dich Alessandro und ich wäre gerade beinahe durchgedreht, weil du nicht auf meine Nachrichten geantwortet hast. Ich liebe dich viel mehr als einen Freund, ich liebe dich genausosehr wie deine Brüder."

" Tut mir leid, mein Schatz, ich glaube mein Handy liegt noch im Auto, obwohl ich ganz fest davon überzeugt bin, dass ich es auf den Tisch gelegt habe, bevor ich duschen ging. Dann war Enrico da und wir haben uns unterhalten. Er meinte, ich soll gegen sechs rüberkommen, dann könnte ich in Ruhe mit dir reden, weil er zu der Zeit mit Chris zu Mark gehen würde, sie sind gerade eben weg", entschuldigte er sich, dann atmete er tief und zittrig ein und schloss die Augen.

" Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe", flüsterte er kopfschüttelnd, " in all den Jahren verging nicht eine Sekunde in der ich mich nicht nach dir verzehrte, Lena. Ich habe alles erdenkliche versucht dich aus meinem Kopf und aus meinem Herzen zu vertreiben, aber es gelang mir nicht. Bist du sicher, dass du es dir nicht wieder anders überlegst, so wie bei Enrico damals?"

"Absolut sicher, mittlerweile ist es mir vollkommen egal, was fremde Menschen denken mögen, solange die Menschen die ich liebe zu mir stehen und das werden sie, dessen bin ich mir ebenfalls absolut sicher. Manchmal brauche ich vielleicht einen kleinen Ansporn um über meine Gefühle nachzudenken, aber es ist so, wie ich es sagte. Ich liebe dich", versicherte ich ihm.

" Ich glaube, ich bin gerade der glücklichste Mensch unter der Sonne", bemerkte er, bevor er mich wieder küsste. Sein anfangs zärtlicher Kuss wurde sehr schnell fordernd, dann zügellos. Seine Hände waren überall auf meinem Körper. Als unsere Lippen sich trennten waren wir beide außer Atem.

"Sorry, Lena, ich wollte dich nicht so bedrängen, es tut mir leid", er schob mich sanft zurück und das Tuch fiel zu Boden.

Alessandro hob es auf und reichte es mir.

" Ähm ... du solltest dir etwas anziehen, ich warte unten", meinte er.

"Sei nicht albern Alessandro. Vielleicht solltest du etwas ausziehen, dann sind wir auf dem gleichen Level und bleiben beide hier oben", schlug ich vor und schob meine Hände unter sein Top.

" Bist du sicher?", wollte er schon wieder wissen.

" Naja, ich glaube, wenn du noch zehnmal fragst, ob ich mir sicher bin, dann wird das heute niçhts mehr, Schatz", gab ich ihm zu verstehen.

Unsicher sah er mich an, doch dann zog er das Top über den Kopf und gleich darauf flog es in eine Ecke des Bades. Er drängte mich gegen den Waschtisch und küsste mich in Grund und Boden. Ungeduldig öffnete ich den Gürtel seiner Bermudashorts sowie Knopf und Reißverschluss, seine Lippen glitten saugend an meinem Hals herunter, während meine Finger sich in seinem vollen, dunklen Haar verkrallten. In kürzester Zeit brachte er mich vollkommen um den Verstand. Ich konnte mich nur noch vor Lust stöhnend und wimmernd an ihm festkrallen, zu mehr war ich nicht mehr fähig. Sein Mund kehrte bald zu meinen Lippen zurück, saugte und knabberte  an ihnen.

" Lange werde ich nicht durchhalten Liebling", keuchte Alessandro. Er hob mich leicht an, um sich gleich darauf mit einem kräftigen Stoß vollständig in meinen pochenden Schoß zu versenken. Nur wenige kurze, aber heftige Stöße reichten aus um mich laut aufstöhnend in den Himmel fliegen zu lassen. Kurz vorher vernahm ich noch ein Krachen und ein Klirren. Alessandro fluchte, doch folgte er mir beinahe zeitgleich, als meine innere Muskulatur sich wellenartig um sein Glied krampfte.

"Aua...", jammerte ich außer Atem und fasste mir an den Hinterkopf.

"Ich glaube es ist nichts weiter passiert, Schatz, jedenfalls sehe ich nirgendwo Blut. Warte einen Moment, ich muss kurz schauen, wo die Scherben liegen", japste Alessandro.

Vorsichtig drehte er sich um und setzte mich dann außerhalb des Gefahrenbereiches ab.

"Lass sehen ", verlangte er und begutachtete und betastete meinen Hinterkopf. "Es ist nur eine Beule, mehr nicht, das kommt davon, wenn man sich wie eine wild gewordene Furie benimmt. Du hast mich gebissen, du Biest und dann hast du dich zurückfallen lassen und bist mit dem Kopf gegen den Spiegelschrank geknallt. Die rechte Tür sprang auf und alles was sich dahinter befand schepperte heraus", erzählte er grinsend.

" Nicht meine Schuld! Du hättest mich ja besser festhalten können", gab ich zurück.

"Ähm ... wer rechnet schon mit sowas, sei froh, dass ich dich nicht vor Schreck habe fallenlassen! Ich glaube, ich werde dich beim nächsten mal festbinden, dann kann sowas nicht mehr passieren."  Lachend umarmte und küsste er mich.

Schnell zog ich mir einen Bademantel über und lief in die Küche um Kehrblech und Handfeger zu holen. Ein Handy lag auf dem Tisch, anhand der Klapphülle erkannte ich es als Alessandros. Ein Zettel steckte in der Hülle, aber ich zog ihn nicht heraus um ihn zu lesen.

" Hier ist dein Handy", ich beobachtete seine Reaktion.

"Woher hast du das?", wollte er wissen und ich sah, dass er wirklich überrascht war.

"Es lag auf dem Küchentisch."

Er zog den Zettel heraus und las die wenigen Zeilen, bevor er ihn grinsend und kopfschüttelnd an mich weiterreichte.

>Sorry Bruder, aber das musste sein. Du hättest dich nur um Kopf und Kragen geredet und nichts hätte sich geändert, wenn Lena dich erreicht hätte.  Nimm sie am besten mit zu dir, Papa ist ja nicht da. Ich glaube Christian will heute Nacht in Ruhe schlafen, dazu wird er wohl kaum kommen, wenn ihr zwei im Haus seid. Sei vorsichtig, sie ... ach vergiss es, du wirst es herausfinden, da musst du alleine durch, Kleiner! <

"Was meint er damit? Was wirst du herausfinden??", fragte ich.

" Woher soll ich das wissen? Kommst du mit? Wir könnten eine Kleinigkeit essen.", erkundigte Alessandro sich als er die letzten Scherben in den Mülleimer warf.

" Ich habe keinen Hunger, aber wenn du meinst dann ..."

Alessandro verschloss mir den Mund mit seinen Lippen, sein Kuss war fordernd und leidenschaftlich.

" Wir könnten natürlich auch versuchen herauszufinden, was Enrico mir mitteilen wollte und zwischendurch mal einen Happen essen, damit unsere Kräfte uns nicht im Stich lassen. Aber nur wenn du mich nicht wieder beißt, du Biest, sonst versohle ich dir den Hintern, das schwöre ich dir", wieder küsste er mich und schob mir den Bademantel über die Schultern. Seine Lippen streichelten meinen Hals und ich schob ihn schnell zurück.

" Nicht noch einmal hier, Alessandro, ich ziehe mir was an und dann können wir gehen." Wahllos griff ich mir ein Kleid schlüpfte hinein. Dazu ein Höschen und schon war ich fertig.

Auf dem Weg durch den Garten zog er mich wieder an sich, um mich zu küssen. Ich schob ihn zurück. "Wenn uns jemand sieht, Alessandro, hör auf damit!"

" Scheiß drauf", meinte er und zog mich erneut in seine Arme, doch ich entwand mich.

Er schnappte mich und trug mich zappelnd und schimpfend bis zur Tür. Ein paar Hotelgäste blickten uns neugierig hinterher.

"Du hast es nicht anders gewollt", meinte er grinsend und schob mich durch die Haustür. Wenigstens hatte er nicht den Weg durch die Hotelküche genommen.

Gleich, nachdem die Tür krachend ins Schloss fiel, drängte er mich gegen die Wand um mich hungrig zu küssen, er löste meine Haarklammer und warf sie achtlos beiseite. Bis wir oben in den Räumen ankamen, die er früher bewohnte und die immer noch so aussahen, als wäre er nie weggewesen, waren wir beide schon wieder nackt.

Auf dem Treppenabsatz war der wackelige Pflanzenturm umgefallen, der vor dem kleinen Fenster gestanden hatte, als Alessandro sich daran festhielt um seine Hose loszuwerden. Ich wollte alles aufsammeln und anschließend die Erdkrümel auffegen, aber er meinte, dass hätte Zeit bis zum Morgen.

Wild knutschend ließen wir uns auf das Bett fallen Es war eine ziemlich lange, heiße Nacht, nur einmal verließ Alessandro das Bett um in der Hotelküche etwas Essbares zu organisieren.

Am Morgen duschten wir gemeinsam und konnten schon wieder nicht voneinander lassen.

" Du machst mich fertig", stöhnte er anschließend theatralisch, " ich hole dein Kleid, warte."

Doch bevor er die Badezimmertür öffnen konnte, klopfte es und Enrico hielt mir meine Sachen entgegen. Auch Alessandros Kleidung hatte er mitgebracht.

" Macht schon, zieht euch an, Papa ist zurück, er wird jeden Moment hier aufkreuzen!"

Blitzschnell zogen wir uns die Sachen über.

Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, als er Alessandro eine Tube Salbe und Pflaster in die Hand drückte, er steckte beides in die Hosentasche.

Wir hörten Schritte auf der Treppe, mir wurde heiß und kalt.

Grinsend zuckte Enrico mit den Schultern.

Papa Fernando rief nach Alessandro.

"Geh raus und mach die Tür hinter dir zu. Nimm ihn mit ins Wohnzimmer und lenke ihn ab, dann kann Lena verschwinden ", flüsterte Enrico und drückte mir meine Schuhe in die Hand.

"Das ist aber eine Überraschung, mein Sohn, was treibt dich her und wann bist du angekommen. Was ist auf der Treppe passiert und sieh mal, ist das nicht Lenas Haarspange? Sie lag unten im Flur in der Ecke."

Enrico küsste mich.

" Komm lass uns ins Wohnzimmer gehen, Papa. Ach ja, die Spange gehört Lena, sie war gestern gegen Abend kurz hier, da muss sie sie wohl verloren haben. Der blöde Blumenständer ist umgekippt als ich das Fenster zugemacht habe, ich mache den Dreck gleich weg", hörten wir Alessandros Erklärungen. 

Barfuß schlich ich mich die Treppe hinunter, verließ das Haus, ging nach Hause und zog mich um.

Kurz darauf kam Alessandro nach, auch er hatte seine Kleidung gewechselt.

" Wozu hat Enrico mir eigentlich das Pflaster und die Salbe gegeben?", wollte er wissen.

" Ähm ... frag ihn doch, vielleicht erzählt er es dir ja."

"Ich frage aber dich, weiche mir nicht aus, Lena", verlangte er eine Antwort.

Also erzählte ich ihm kurz und knapp von der ersten Nacht mit seinem Bruder.

"Naja, wenigstens habt ihr nicht das halbe Haus in Trümmer gelegt", übertrieb er die kleinen Zwischenfälle. "Soweit ich sehen kann, bist du unversehrt, bis auf die Beule am Kopf."

Wir lachten.

"Das war die heißeste Nacht meines Lebens", flüsterte er und küsste mich.

"Frühstück?", fragte er anschließend. "Hast du was wichtiges vor?"

Ich bejahte die erste und verneinte die zweite Frage.

Wir fuhren in die nächstgelegene Stadt um zu frühstücken und verbrachten den Tag zusammen. Am Abend saßen wir mit Christian und Enrico auf der Terasse und lachten noch mehrmals über die Sache mit dem Spiegelschrank und dem umgefallenen Pflanzenständer. Die folgende Nacht verbrachte ich mit Alessandro in der Hochzeitssuite.

Am nächsten Tag, reiste er wieder ab. Er hatte mir seine Vermutung, dass mit Alicia irgendwas nicht stimmte, anvertraut. Sie wäre vor zwei Wochen bei der routinemäßigen ärztlichen Kontrolle gewesen und hätte ihm versichert, dass alles in Ordnung sei, doch er hegte den Verdacht, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagen wollte.

Mit schmerzendem Herzen verabschiedete ich mich von ihm, und versprach sobald wie möglich mit Christian oder Enrico nachzukommen, hätte ich nicht in den nächsten Tagen mehrere Termine gehabt, wäre ich gleich mitgefahren.

Als ich am nächsten Tag hörte, dass Alicia erneut operiert werden musste, sagte ich meine Termine ab und Enrico brachte mich nach Italien.

Ich hätte allein fahren können, aber das ließen Enrico und Christian nicht zu.

Alicia freute sich sehr mich zu sehen, wir unterhielten uns lange. Sie dankte mir mehrmals dafür, dass ich ihr die größte ihrer Sorgen genommen hatte. " Ich will nicht, dass Alessandro alleine ist, wenn ich nicht mehr da bin", weinte sie, " er hat so lange gelitten. Er hat es verdient glücklich zu sein, Lena. Bitte lass ihn nie wieder los. Ihr könnt ganz ungezwungen miteinander umgehen, es macht mir nichts aus, wirklich."

" Du wirst es schaffen, Alicia! Du darfst nicht aufgeben, hörst du? Es gibt so viele, die es geschafft haben. Kämpfe dagegen an Alicia, versprichst du mir das?"

Sie nickte.

Am nächsten Tag wurden ihr die befallenen Lymphknoten entfernt. Und darauf folgte die nächste Chemotherapie.

Alessandro war glücklich mich bei sich zu haben. Im Beisein von Alicia gingen wir freundschaftlich miteinander um. Ich brachte es nicht über mich ihn vor Alicias Augen zu küssen. Außerdem wollte ich auch nicht in einem ihrer Gästezimmer wohnen, also brachte Alessandro mich in einem  Hotelzimmer unter und verbrachte die meisten Nächte bei mir. Eigentlich hatte ich gewollt, dass er die Nächte wie gewohnt an Alicias Seite verbringt, aber sie meinte, ich solle mich nicht so anstellen, es sei vollkommen in Ordnung und bestand darauf, dass er bei mir blieb.

Die Tage vergingen wie im Fluge, ich war stets beschäftigt, sei es um mich um Alicia zu kümmern, im Hotel zu helfen oder sonst was zu tun. Ich genoss die Zeit mit Alessandro und konnte mir ein Leben ohne seine Zärtlichkeiten nicht mehr vorstellen.

Nach vier Wochen hatte Alicia sich weitestgehend erholt, natürlich war sie längst nicht fertig mit der Therapie, aber sie fühlte sich gut. Und so brachte Alessandro mich zurück.

In der folgenden Zeit besuchten sie uns häufig. Pedro kümmerte sich um das Hotel und Alessandro hatte seine Auftritte auf ein Minimum beschränkt.

Die Band trat ohne ihn auf, er hatte zwei gute Backgroundsänger, die sehr wohl imstande waren ihn zu ersetzen.

Alicia ging es immer besser, sie fühlte sich wohl und wir alle machten uns große Hoffnungen, dass sie ihre Krankheit überwinden würde.

Der Tag unserer Silberhochzeit nahte, wir wollten nicht feiern. Unsere Söhne studierten jeder für ein Jahr im Ausland und es wäre Unsinn gewesen, extra für eine Feier anzureisen. So beschlossen wir, ganz allein einen schönen Abend zu verbringen.

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Wir standen am Abend unserer Silberhochzeit immer noch vor Mama Marias Portrait. Christian meinte, wir hätten es manchmal nicht leicht gehabt. Vor allen Dingen würden sie mir viel zu viel zumuten.

"Nein, das macht ihr drei nicht. Ihr seid viel zu rücksichtsvoll, um mir zu viel zuzumuten. Ich liebe euch und könnte es nicht ertragen auch nur einen von euch zu verlieren. Ihr macht mein Glück vollkommen. Ihr überschüttet mich mit eurer Liebe und mit liebenswerten Komplimenten, lest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Ich glaube es gibt keine Frau unter der Sonne, die glücklicher sein könnte, als ich es bin. Hast du jemals bereut, das alles so gekommen ist, Schatz?"

Christian schüttelte seinen Kopf. "Nein, nicht eine Sekunde lang, mein Engel. Weißt du noch damals, als ich versuchte dich zu Enrico zu schicken, als Lisa dich gebeten hatte mit ihm zu schlafen? Da habe ich gesagt, dass ich einfach nur will, dass wir alle glücklich sein können, du, ich, Alessandro und Enrico. Und genau das sind wir. Unendlich glücklich darüber, dass du uns drei gleichermaßen liebst und uns deine Liebe spüren lässt. Du bist die wundervollste Frau die es gibt, mein Engel und ich bereue rein gar nichts. Vielleicht eine winzige Kleinigkeit, Liebling. Ich glaube, wir hätten wenigstens Alessandro einladen sollen, um heute Abend hier bei uns zu sein. Enrico, wird sich sowieso nicht abwimmeln lassen, du wirst sehen und Alessandro gehört genausogut dazu. Ich vermisse ihn", sprach er und küsste mich wieder.

Ein schrilles Kreischen in den Lautsprechern unterbrach unseren Song und ließ uns auseinanderfahren. "Uno, due , tre", nochmal ein Kreischen, dann ein kurzer Test des Schlagzeugs. Unser Song setzte wieder ein.

"Oh, es muss eine italienische Familie sein, die im Saal feiert, Schatz", meinte ich.

Christian zog mich erneut an sich um seinen Kuss zu vollenden.

Plötzlich erklang das Intro zu unserem Song von der Band gespielt in den Lautsprechern. Wieder fuhren wir auseinander, blickten erst uns fragend an und dann beide gleichzeitig zur Tür, die zum Saal führt.

Sie öffnete sich, Alessandro kam mit einem Mikrofon in der Hand herein und begann gleich zu singen.

Mir blieb beinahe das Herz stehen, ich schluchzte laut auf und nach dem Überraschungsmoment lief ich auf ihn zu, er zog mich in seine Arme um mir einen langen Begrüßungskuss zu geben.

Danach zog er Christian an sich und klopfte ihm den Rücken. Er gratulierte uns und meinte anschließend: "Ihr habt doch nicht wirklich gedacht, dass ihr ohne die Familie und ohne unsere Freunde, ganz still und heimlich diesen Tag feiern könnt, oder? Papa Fernando hat alle zusammengetrommelt, der Saal ist zum bersten voll und wir haben sogar Glück mit dem Wetter, also können wir auch die Terasse nutzen."

Enrico, Lisa und Alexandra gesellten sich ebenfalls zu uns. Lisa war sehr blass im Gesicht. "Du wirst es heute hinter dich bringen?", fragte ich sie mitfühlend. Sie nickte und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

"Komm schon, Lisa. Du wirst sehen, dass jeder von den Anwesenden Verständnis haben wird. Sie wären nicht unsere Freunde, wenn dem nicht so wäre. Du musst nichts sagen, ich übernehme das , okay?", damit zog Alessandro sie kurz an sich und streichelte beruhigend ihren Rücken.

"Ich habe schon mit Papa geredet und ihn darauf vorbereitet. Er meinte, dass er zwar alt, aber noch nicht vollkommen blöd wäre und schon längst gemerkt hätte, was sich unter uns allen abspielt. Die Kinder wissen Bescheid und akzeptieren alles so wie es ist, also kein Grund zur Sorge, Lisa."

So geschah es dann auch. Nachdem Alessandro erklärte, dass Lisa und Alexandra in acht Wochen, nach der einvernehmlichen Scheidung von Enrico und Lisa, heiraten würden und sie alle herzlich zur Feier eingeladen wären, brachen unsere Freunde in Jubelrufe aus.

Die Beziehung von Christian, Enrico und mir war allen bekannt. Alessandros Verhältnis zu mir erwähnte er ebenfalls nicht. Ich wollte es nicht, angesichts der Tatsache, dass noch nicht wirklich feststand ob Alicia ihre Krankheit wirklich überwunden hatte, erschien mir der Zeitpunkt es preiszugeben absolut unpassend. Nur der engste Familienkreis war eingeweiht. Außer Papa Fernando, der hatte, so wie wir dachten, von alldem keinen blassen Schimmer. Doch trotz unserer Vorsicht hatte er es selbst herausgefunden.

Papa Fernando übernahm das Mikrofon und nachdem er uns gratulierte, erklärte er, dass er sich auch gleichzeitig mit der Feier verabschieden wollte. Seine letzte Lebensphase wollte er in seiner Heimat am Gardasee verbringen. Er hätte sein Erbe geregelt, meinte er und legte die Verantwortung und Entscheidungsgewalt für seine gesamten Besitztümer, deren Umfang die beiden Hotels einen nicht allzugroßen Teil ausmachten, bis zu seinem Ableben in die Hände seiner beiden Söhne, die nach seinem Tod auch das Haupterbe antreten würden.

" Meine liebe Tochter und mein lieber Sohn", richtete er sich an Christian und mich, " ihr zwei bekommt heute schon das, was euch zusteht, seht es als Geschenk zu eurer Silberhochzeit, oder als Erbe, wie ihr wollt. Bevor ihr wieder sagt, dass ihr das nicht annehmen könnt, will ich euch versichern, dass ich damit auch Enricos und Alessandros Wunsch entspreche. Mama Maria hat damals schon gesagt, dass sie möchte, dass ihr es eines Tages bekommt. Christian hatte keine Ahnung, warum ich ihn vor zwei Jahren bat, ein Haus auf dem Weinberg, gleich gegenüber des Hotels in Italien zu planen und zwar so wie es euch gefallen würde. Das Haus und das umliegende Land, sprich das Weingut soll euer sein, allerdings, soll es weiterhin von meinem Neffen Pedro zu denselben Konditionen bewirtschaftet werden, ich denke, ihr habt sowieso kein Interesse daran zu Winzern zu werden. Pedro versteht sein Handwerk und ihr werdet sehen, dass es ein recht einträgliches Unternehmen ist. Ich habe die Verträge hier und ihr müsst nur noch unterzeichnen, damit alles seine Ordnung hat. So, meine Lieben, das war das was ich zu sagen hatte. Sollte jemand von euch allen den Wunsch verspüren, mich zu besuchen, so sei er herzlich eingeladen dies zu tun. Außerdem wünsche ich euch meine lieben Kinder, dass eure Verbindungen ewig halten mögen. Nun lasst uns feiern, denn man kann nie wissen, wie oft man noch die Gelegenheit dazu hat, in fröhlicher Runde zusammenzutreffen."

Die Band begann irgendwelche instrumentalen Songs zu spielen, während wir von allen Freunden umringt, ihre Glückwünsche entgegennahmen.

Ich war glücklich, meine Söhne dazuhaben, auch Alicia war dabei, ihr schien es sehr gut zu gehen. Wir tranken Champagner, für meine Gewohnheiten viel zu viel.

Alessandro sang "piccola e fragile" für uns und ich tanzte mit Christian. Darauf folgte " nothing else matters", und ich tanzte mit Enrico. Auch mit Alessandro tanzte ich, er hatte zwei sehr gute Backgroundsänger, die ganz gut ohne ihn klarkamen. Ich schwebte auf einer Glückswolke dahin.

Die Stimmung war prächtig und meine Beobachtung, dass Andy und Leon sich sehr gut mit Isabella und Marina verstanden, sogar unverhohlen mit ihnen flirteten, ließ die Hoffnung in mir aufkeimen, dass mehr daraus entstehen würde. Bessere Schwiegertöchter, als die beiden hätte ich mir nicht wünschen können.

Irgendwann tanzte ich mit Mark. Er war ein guter Tänzer. Aus einem Tanz wurden zwei und noch mehr. " Ich würde ja gerne mal Mäuschen spielen und hören, was die Sechs da aushecken", meinte er und deutete mit dem Finger diskret zu dem Tisch an dem Enrico, Christian, Alessandro, Alicia, Lisa und Alexandra die Köpfe zusammenstecken. Ich beobachtete sie neugierig. Sie nickten gleichzeitig, als wären sie sich über etwas einig geworden. Alessandro deutete anschließend mit dem Finger auf Papa Fernando, der gerade dabei war eine Runde durch den Saal zu machen um sich von jedem einzelnen zu verabschieden. Dann nickten sie erneut. Christian klopfte Alessandro die Schulter, Alicia küsste Alessandro, sagte etwas und dann nickte sie wieder. "Ach", sagte ich, " sicherlich geht es um Papa Fernando.

Dennoch sah ich erneut zu ihnen rüber. Alessandro war aufgestanden. Papa Fernando stand ihm gegenüber und schien seinem Sohn eine Standpauke zu halten. Die anderen am Tisch waren bemüht sich das Lachen zu verkneifen. Alicia stand auf und zog Papa Fernando in ihre Arme. Sie erzählte ihm kurz irgendetwas, daraufhin nickte er streichelte ihre Wange, klopfte dann seinem Sohn auf die Schulter und nickte wieder. Er steuerte direkt auf Mark und mich zu.

" Für mich wird es Zeit, mein Mädchen, wir sehen uns morgen", sagte er, "Mark, lass es dir gut gehen und besuche mich mal mit deiner Frau, ich würde mich sehr freuen." Damit verließ er den Saal, ein Blick zur Uhr verriet mir, dass es kurz vor elf war. Zu der Uhrzeit nahmen unsere Parties gewöhnlich erst an Fahrt auf und endeten niemals vor drei, vier Uhr in der Frühe.

Wie sagt man? - Wenn die Katze das Haus verlässt, tanzen die Mäuse auf den Tischen...

Kaum fünf Minuten nachdem Papa Fernando ging, schickte Enrico das Personal nach Hause. Bis auf Giovanni, Mario und deren Frauen, die zur Familie gehörten und schon den ganzen Abend bei uns saßen, traten die Bediensteten dankbar ihren wohlverdienten Feierabend an. Alessandro klatschte in die Hände und rief "Party", sogleich gab seine Band Vollgas, die Tanzfläche war sofort gerammelt voll. Giovanni und Mario verteilten jede Menge Flaschen auf den Tischen. Wein, Champagner, Whisky und Sambuca. Ihre Frauen trugen Tabletts mit Gläsern heran. "Wer Bier oder Alkoholfreies will, soll es sich selbst holen", übertönte Marios Stimme die Musik. Es gab kaum Biertrinker in unserem Freundeskreis.

Es wurde ausgelassen getanzt, ich hatte allerdings vorerst genug, sehr zu Marks Bedauern. Erschöpft ließ ich mich neben Christian auf den freien Stuhl sinken. Er reichte mir ein Glas Champagner. Eigentlich hatte ich schon genug davon getrunken, dennoch leerte ich auch dieses Glas. Christian tanzte mit mir, es war ein ruhiger Song. Wir verloren uns in einem langen, intensiven Kuss, mir wurde recht heiß. Ich war doch etwas angesäuselt, musste ich feststellen. Aber was machte das schon? Da war ich nicht die Einzige im Saal, der es so erging.

Unsere Söhne verabschiedeten sich und gleich darauf auch Isabella und Marina. Grinsend meinte ich zu Christian: "Ich mache jede Wette, dass unsere Jungs in dieser Nacht nicht allein in ihren Betten liegen werden."

"Sie sind alt genug", meinte er achselzuckend und küsste mich erneut.

"Mmmhhmm wollen wir auch verschwinden, Schatz?"

" Es ist nicht einmal Mitternacht, mein Engel, ich glaube ein wenig müssen wir schon noch hierbleiben."

Kurz darauf fand ich mich in Enricos Armen auf der Tanzfläche wieder, auch mit ihm knutschte ich hemmungslos.

Ich brauchte dringend Abkühlung und wollte nach dem letzten Tanz an die frische Luft gehen, doch bevor ich die Terasse erreichte zog Alessandro mich in seine Arme und küsste mich ebenfalls. Ich ging darauf ein. Selbst als unsere Freunde  pfiffen und klatschten, ließ ich nicht von ihm ab.

"Hey Alessandro, ich will auch mal", erkannte ich Marks laute Stimme. Alessandro gab meine Lippen frei. " Ich darf das, du nicht, Mark. Denke in Zukunft daran!"

Er küsste mich noch einmal, als er von mir abließ, standen Alicia, Enrico und Christian bei uns.

Alicia umarmte mich und flüsterte: "Ich möchte es so, bitte", in mein Ohr. Ich ahnte was folgen würde und wenn Alicia es sich wünschte, würde ich mich auch zu meinem Verhältnis mit Alessandro bekennen.

"Diese Liebe"  erklang in gemäßigter Lautstärke und es wurde ansonsten absolut still im Saal.

Enrico und Christian nahmen mich in ihre Mitte und Alessandro begann zu reden. "Diesen Song habe ich einmal gehört  und war nicht nur von der emotionalen Stimme des Sängers fasziniert, sondern auch von der Tatsache, dass der Text genau das beschrieb, was ich selbst fühlte und zwar schon seit sehr, sehr langer Zeit. Du warst die erste Liebe meines Lebens, Lena und bis zum heutigen Tag hat sich nicht viel an meinen Gefühlen für dich geändert, wenn ich ' nicht viel ' sage, so bedeutet das, dass meine Liebe zu dir damals schon unermessliche Ausmaße hatte und von Jahr zu Jahr noch gewachsen ist. Damals hat es wohl nicht sein sollen, dass wir als Paar zusammenblieben, vielleicht waren wir zu jung, ich weiß es nicht. Das spielt jetzt keine Rolle mehr, denn wir haben vor kurzer Zeit wieder zueinandergefunden. Mit dem Einverständnis meiner Brüder und meiner Frau."

Genau wie Enrico vor einigen Jahren, kniete er vor mir nieder, überreichte mir eine Rose und sprach beinahe die gleichen Worte, wie sein Bruder, nur am Ende sagte er:

" Falls du dazu bereit sein solltest,  dich auch als meine Frau zu bekennen, bitte ich dich zum Zeichen unserer Liebe diesen Ring zu tragen, ganz nah bei deinem Herzen, damit du meine Nähe auch dann in deinem Herzen spüren kannst, wenn ich nicht bei dir sein kann. Ich liebe dich für immer."

Er hielt mir auf seinen flach ausgestreckten Händen einen Ehering an einer Kette entgegen.

Unter Tränen nickte ich und er stand auf um mir die Kette anzulegen. Er küsste den Ring bevor er ihn in meinen Ausschnitt fallen ließ, dann küsste er mich. Anschließend hielt er mir das Kästchen mit dem zweiten Ring entgegen und als ich sah, dass er seinen Ehering der ihn mit Alicia verband nicht mehr am linken, sondern am rechten Ringfinger trug, schluchzte ich laut auf.

Alicia zog mich in ihre Arme und beteuerte mir, dass es so in Ordnung wäre. Also schob ich ihm den Ring auf den Finger. Genau wie ich, trug er fortan zwei Eheringe, einen an der rechten und einen an der linken Hand.

" Ich liebe dich", flüsterte ich bevor unsere Lippen aufeinandertrafen und wir uns in einem langen Kuss verloren. Die Pfiffe und das Gejohle unserer Freunde störte uns wenig.

Wir nahmen Glückwünsche entgegen und bald darauf ging die Party weiter.

Irgendwann, es war noch ungefähr die Hälfte unserer Gäste anwesend, verschwand ich mit Christian. Er nickte zu Alessandro und Enrico herüber und beide hoben kurz die Hand.

Als wir unser Haus betraten meinte er er hätte eine Überraschung für mich, dafür müsse er mir aber die Augen verbinden. "Du spinnst doch, was soll das Schatz?",

" Du wirst schon sehen", versprach er, "oder nicht sehen, aber..."

Ich küsste ihn.

"Hat die Überraschung nicht bis später Zeit, Schatz? Lass uns zu Bett gehen wir haben lange genug warten müssen. Ich gehe kurz noch duschen, ich stinke nach Zigarettenqualm, dass die auch immer so viel paffen müssen. Kommst du mit, mein Herz?"

Wir duschten zusammen, es dauerte doch etwas länger als geplant. Christian machte dem heißen Treiben abrupt ein Ende. " Schluss jetzt, ab ins Bett", befahl er mir grinsend. Blitzschnell trocknete ich mich ab und wollte schon los, doch er hielt mich zurück. "Erst Augen verbinden", forderte er wieder und ich gab mich geschlagen.

Er führte mich ins Schlafzimmer.

Da ich ein ausgesprochener, sogenannter Nasenmensch bin, vernahm ich gleich den unverkennbaren Duft von Enricos Duschgel. Das heißt, es hätte auch Alessandro sein können, denn er benutzte denselben Duft.

"Ach, lasst den Quatsch, wozu dieses Theater?"

Ich wollte meine Augenbinde abnehmen, doch einer von ihnen hielt meine Hände fest. Es sollte die heißeste Nacht meines Lebens werden, denn Christian, Enrico und Alessandro ließen nichts aus, um mich mehrmals bis kurz vor den Wahnsinn zu treiben.

Alicia und Alessandro blieben eine ganze Woche, dann mussten sie zurück und nahmen Papa Fernando mit.

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Das Leben ging wie gewohnt weiter. Doch nach einem halben Jahr erfuhren wir, dass bei Alicia erneut Metastasen entdeckt wurden. In Leber und Lunge.

Christian brachte mich nach Italien und ich blieb lange dort. Nach fünf Monaten starb Alicia. Mich traf ihr Tod genausosehr wie Alessandro.

Nach der Beerdigung nahmen Christian und Enrico Alessandro und mich mit zurück. Isabella übernahm in Unterstützung durch Pedro zum ersten mal das Hotel. Sie kümmerten sich auch um Papa Fernando.

Alessandro erholte sich ziemlich schnell.

Wir reisten in der folgenden Zeit viel hin und her.

Andy und Isabella heirateten.

Wir wurden Großeltern.

Christian eröffnete auch in Italien ein Büro.

Ein neues Hotel am Gardasee wurde geplant.

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Als die ganze Familie in Italien beisammen war um Papa Fernandos siebenundachzigsten Geburtstag zu feiern, wollte er sich nach dem Mittagessen für ein Weilchen zurückziehen und bat mich, ihn in seine Räumlichkeiten zu geleiten. Zwar freute er sich stets uns alle zu sehen, aber er benötigte auch seine Ruhepausen. Ich war immer noch etwas befangen ihm gegenüber. Er hatte unsere ungewöhnliche Beziehung akzeptiert, sich aber nie wirklich dazu geäußert. Er forderte mich auf, mich einen Moment lang zu ihm zu setzen.

"Es ist schön, wenn die ganze Familie beisammen ist , meine Prinzessin", begann er zu reden, "wer hätte gedacht, dass die beiden mal heiraten würden und ich noch in den Genuss des Urgroßvaterseins kommen würde", damit waren Andy und Isabella gemeint und deren Sohn.

"Aber so ist das Leben", fuhr er fort," man kann seiner Bestimmung nicht entrinnen. Niemand weiß, was ihn eines Tages erwarten wird, man muss der Stimme seines Herzens folgen, das ist meistens der richtige Weg. Bist du glücklich, meine Tochter, oder bereust du den Weg, den du aus Liebe zu meinen Söhnen gegangen bist?"

"Nein, ich bereue nichts, Papa Fernando und ich bin glücklich", gab ich leise zurück und hoffte, dass er das Thema nicht weiter vertiefen würde.

"Ich habe lange über euch nachgedacht, mein Mädchen und bin mir darüber klar geworden, dass ihr genau das Richtige macht. Ihr seid euch untereinander einig, niemand muss dem Anderen etwas verheimlichen, weil jeder von euch weiß was läuft. Eure Ehrlichkeit, euer Verständnis füreinander und eure Liebe zueinander haben diese Verbindung möglich gemacht, sicherlich war es für euch so vorgesehen.

Ich hatte Bedenken, dass es irgendwann mit einem gewaltigen Knall enden würde, der die Familie entzweit. Als ich sah wie gut ihr damit zurechtkommt und wie glücklich du meine Söhne machst, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es für euch vier nur den einen Weg gab, alle anderen Lösungen hätten zu einem Zerwürfnis geführt und das, was ich befürchtete, wäre eingetreten. Ich will dir danken, meine Tochter, dafür, dass du deine eigenen Grenzen überschritten hast um meine Söhne zu retten, denn ich weiß nicht, was aus ihnen geworden wäre, wenn du sie nicht in deinem Herzen aufgenommen hättest. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer einfach für dich ist, zwei und am Ende sogar drei Männern zu geben, was sie brauchen um glücklich zu sein. Ich will dir besonders dafür danken, dass du keinem von ihnen das Gefühl gibst, dir wäre einer von ihnen wichtiger als die anderen beiden, dass du sie so nimmst wie sie sind und sie spüren lässt, wie sehr du sie liebst. Du hast meine Hochachtung, meine Prinzessin. Ich glaube nicht, dass es viele vergleichbare Bindungen gibt, aber eines weiß ich: Du bist diejenige, die die Zügel in ihren Händen hält. Du besitzt soviel Kraft und Mut der Doppelmoral und der Verlogenheit der Menschheit die Stirn zu bieten, um für den Zusammenhalt unserer Familie zu sorgen. Auf das, was die Leute von euch halten kannst du getrost pfeifen, denn die Menschen werden immer etwas finden worüber sie sich das Maul zerreißen können, glaube mir. Du verdienst es, wie eine Königin behandelt zu werden und ich hoffe, dass meine Söhne sich darüber im Klaren sind."

"Das sind sie, Papa Fernando. Aber ich habe es nicht getan um die Famile zusammenzuhalten, das ist vielleicht ein wünschenswerter Nebeneffekt. Ich liebe sie, sie bedeuten mir alles auf der Welt. Sie sind deine Söhne und ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo auf dieser Welt jemanden gibt, der mit seiner Frau liebevoller umgeht, als du mit Mama Maria umgegangen bist", antwortete ich.

Papa Fernando lachte auf:" Wenn du wüsstest, mein Mädchen. Bei uns sind früher die Fetzen geflogen. Du musst nur mal nachrechnen. Du weißt wie alt ich bin und du weißt wie alt Enrico ist. Wir haben jung geheiratet und wider Erwartens blieb der Kindersegen aus. Wir haben uns gegenseitig dafür verantwortlich gemacht. Ich habe ihre Liebe zu mir als Selbstverständlichkeit betrachtet, sie vernachlässigt, belogen und betrogen, nachdem sie genug von den Streitereien hatte und mich des Ehebettes verwies. Dafür hasse ich mich noch heute, das war das Abscheulichste, was man überhaupt tun kann. Aber seltsamerweise wird sowas in unserer feinen Gesellschaft geduldet, ja manche Männer rühmen sich sogar damit, dass sie ihre Frauen betrügen, man soll es nicht glauben!  Als ich sie an einem Tag dabei überraschte, wie sie ihre Koffer packte um mich zu verlassen, bin ich endlich wieder zu mir gekommen. Ich habe sie auf Knien angefleht zu bleiben, habe mich tausendmal entschuldigt und beteuerte ihr noch öfter, dass ich sie liebe. Sie hat mir verziehen, das war für mich keineswegs eine Selbstverständlichkeit und ich schwor mir, sie fortan auf Händen zu tragen. Sicherlich war das, was ich ihr angetan habe, der Grund dafür, dass sie mir so früh genommen wurde. Seltsamerweise wurden uns nach unserer Versöhnung doch noch die beiden Jungen geschenkt. Jetzt sitze ich hier und warte darauf, dass der liebe alte Herr dort oben mir verzeiht und mich endlich wieder zu ihr lässt. Ich vermisse sie so fürchterlich. Aber Strafe muss sein, das sehe ich ein."

"Nein, Papa Fernando, du bist noch hier, weil wir alle dich lieben und dich hier bei uns brauchen. Du bist uns wichtig. Was wären wir ohne dich und deine klugen Ratschläge und vor allen Dingen ohne die Liebe, die du uns zuteil werden lässt? Wir sind unendlich dankbar für jeden einzelnenTag, den du uns erhalten bleibst. Ohne dich wären wir nicht zu dem geworden, was wir heute sind. Du magst kurz von deinem Weg abgekommen sein, doch was zählt ist, dass die Liebe, die du in dir trägst dich wieder in die richtige Bahn gelenkt hat. Du und Mama Maria, ihr habt uns gezeigt, wie man mit Menschen, die man liebt umgeht. Und dafür danke ich dir ebenso wie für dein Verständnis. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich der Annahme war, dass du überhaupt nicht mit dem allen einverstanden bist, weil du nie was dazu gesagt hast. Deine Meinung bedeutet uns allen sehr viel", teilte ich ihm mit.

"Ach Mädchen, du glaubst doch nicht wirklich, dass meine Meinung irgendetwas zwischen euch geändert hätte. Ich musste erst mal darüber nachdenken, wie gesagt,  ich kann sogar verstehen, dass die Drei dich wie verrückt lieben, du bist etwas ganz besonderes, meine Prinzessin. Du bist eine wunderschöne Frau, hast viel Herz und Verstand, wer könnte dich nicht lieben? Mama Maria hat dich geliebt, wie ihr eigen Fleisch und Blut und genauso ergeht es mir, mein Kind", erklärte er warmherzig.

"Danke, Papa Fernando, das bedeutet mir sehr viel", gab ich leise zurück.

"Lass in Zukunft mal das Fernando weg und nenne mich einfach nur Papa, so wie Enrico und Alessandro es tun. Christian soll es genauso machen, das wollte ich euch schon seit Langem sagen. Ich wäre sehr glücklich darüber und ich bin stolz darauf, dass ich auch euch beiden ein Vater sein durfte".

"Du warst und bist der beste Papa, den man sich wünschen kann. Ich liebe dich Papa", erfüllte ich ihm zum ersten Mal seinen Wunsch.

"Danke, mein Mädchen. Ich liebe dich auch. Bitte behalte das, was ich dir erzählte für dich, ich glaube nicht, dass Enrico und Alessandro Verständnis für meine Dummheit aufbringen würden", bat er mich mit Tränen in den Augen.

"Natürlich, Papa, du kannst mir vertrauen. Nun ruhe dich ein wenig aus, damit du uns nachher wieder Gesellschaft leisten kannst", sagte ich sanft, gab ihm einen Kuss auf die Wange und ließ ihn allein.

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In den letzten zwei Jahren haben wir viel Zeit in Italien verbracht. Ein weiteres, Hotel entstand, dessen Eröffnung in Kürze bevorsteht. Es ist eines der besonderen Art. Lisa und Alexandra waren es, die den Anreiz dazu lieferten. Sie beschwerten dich eines Tages, dass sie sich in der heutigen Zeit immer noch dem ablehnenden Verhalten ihrer Mitmenschen ausgesetzt fühlten. Dieses Hotel bietet nur homosexuellen Paaren Unterkunft. Man wird es in keinem Prospekt finden. Allein durch Mundpropaganda, die Lisa und Alexandra unter ihren Freunden, mit den gleichen Neigungen, vor einigen Wochen ins rollen brachten, sind die fünfundzwanzig Doppelzimmer schon jetzt, vor der Eröffnung, bis Ende des nächsten Jahres ausgebucht.

Christian ist auch in Italien als Architekt sehr gefragt, den Großteil der Aufträge übernimmt allerdings Andy, er hat auch dafür gesorgt, dass ein weiterer Mitarbeiter eingestellt wurde. Genauso wie in Deutschland, hier gibt es mittlerweile neben Leon drei weitere Mitarbeiter.

Christian lehnte niemals einen Auftrag ab und war am Ende ziemlich fertig. Er muss wieder zur Ruhe kommen, bevor er ernsthaft krank wird.

Leon und Marina haben vor wenigen Tagen geheiratet, nachdem sie zwischenzeitlich ihre eigenen Wege gingen, haben sie doch wieder zusammengefunden.

Christian und Enrico sind bereits gleich nach der Hochzeit nach Italien gefahren.

Alessandro blieb hier um sich um das Hotel zu kümmern und um mich, sobald Marina und Leon aus den Flitterwochen zurück sind, nach Italien mitzunehmen Eine ziemlich stressige Zeit liegt hinter mir beziehungsweise uns, die ständige Fahrerei war recht zermürbend, aber nun ist alles erledigt, sogar alle erforderlichen Formalitäten sind endlich abgeschlossen und wir haben freie Bahn. Man soll es nicht glauben, aber in der Beziehung verläuft das Leben in Italien viel ruhiger als hier. Daran werde ich mich noch gewöhnen müssen.

Nach und nach haben wir die Dinge, die uns wichtig sind schon mitgenommen, so bleiben nur noch drei große Koffer und ein paar Kisten übrig. Wir sind ja nicht zum letzten Mal hier und werden die Kisten nach und nach mitnehmen, es ist sowieso nichts wichtiges darin. Oder irgendjemand bringt was mit, wenn er zu Besuch kommt.

Das Haus über dem Weinberg in Italien, welches Enrico, Christian und ich bewohnen werden, ist vollständig eingerichtet, also bleiben die Möbel hier, Leon wird sich darum kümmern, bevor er mit Marina in unser Haus einzieht. Im Moment leben sie im alten Haus von Mama Maria und Papa Fernando, das soll allerdings dann abgerissen werden. Das Hotel wird erweitert. Marina übernimmt die Leitung. Der Wellnessbereich bleibt wie gehabt unter der Leitung von Lisa und Alexandra, die das Haus von Enrico bewohnen.

Ich habe all den Krimskrams aussortiert einiges verschenkt und einiges entsorgt, man sollte nicht glauben wie viel Zeug sich mit den Jahren ansammelt. Hier sieht es nicht gerade gemütlich aus, aber für die letzten paar Tage spielt das keine Rolle.

Alessandro bleibt in seinem Haus, er meint, bei ihm könnte ich dann meine Ruhe haben, wenn seine Brüder mir auf die Nerven gehen. Es ist nicht weit bis zu ihm. Man muss nur die Strasse überqueren und den Hügel hinauf - oder hinunter, je nachdem wo man gerade ist.

Ähm, ja ... Ich hoffe ihr könnt noch folgen ...

Ach ja, das neue Hotel werden Enrico und Alessandro leiten, während das alte von Isabella weitergeführt wird. Sie werden sich allerdings ziemlich im Hintergrund halten und vieles von zuhause aus Regeln können. Vorgesehen ist, dass sie abwechselnd für zwei, drei Tage in der Woche persönlich zugegen sein werden.

Das Architektenbüro in Deutschland wird von Leon weitergeführt, er ist zwar noch jung, aber ich glaube er hat das ganz gut im Griff. Außerdem sind wir ja nicht aus der Welt und dank Internet und Co , kann Christian ihn mit Rat und Tat unterstützen. Die drei Mitarbeiter sind ebenfalls sehr versiert und werden ihm unter die Arme greifen, da mache ich mir überhaupt keine Gedanken.

Was Christian angeht, haben Enrico und Alessandro mir versprochen, dass sie ihn nach Kräften von der Arbeit abhalten werden. Mal sehen, was sie sich so einfallen lassen.

Ja, ich weiß ... man soll sich nicht zu viele Sorgen machen und soll alles auf sich zukommen lassen, weil man sich gegen seine Bestimmung sowieso nicht zur Wehr setzen kann. Das sagt Papa jedenfalls immer. Er ist übrigens bereits neunzig Jahre alt und freut sich riesig uns dann wieder ständig in seiner Nähe zu haben.

Mein zukünftiger Tagesablauf ist jetzt schon verplant: Das Enkelkind bespaßen und verwöhnen und mit Papa plaudern, so oft und solange er möchte. Naja vielleicht helfe ich dann und wann auch mal in einem der Hotels aus, wenn Not am Mann ist, schauen wir mal.

Lisa hat in einem meiner Bücher, welches sie sich ausleihen wollte die Zettel mit dieser Geschichte gefunden und meinte ich müsse sie unbedingt veröffentlichen. Sie wäre ziemlich heiß, deshalb meinte sie diese Plattform wäre dafür geeignet, sie hätte schon so vieles hier gelesen, aber meine Geschichte wäre der Oberhammer. - Sie muss immer übertreiben, so ist sie nun mal.

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Alessandro kam mit meinem alten Fotoalbum ins Zimmer und setzte sich zu mir auf die Couch. Er hielt es kurz hoch und fragte:" Darf ich?"

"Natürlich, darfst du, da musst du doch nicht fragen, Schatz", antwortete ich.

" Man kann nie wissen, vielleicht gibt es ja doch noch irgendwelche Geheimnisse, die du vor uns verborgen hältst", meinte er.

" Blödmann", gab ich zurück und er fasste sich theatralisch mit beiden Händen ans Herz, als hätte ihn etwas getroffen.

In dem Album befanden sich Fotos aus unserer Jugendzeit, hauptsächlich von unserer alten Clique.

Ich kuschelte mich an ihn. Wir sahen uns gemeinsam die alten Bilder an und tauschten Erinnerungen aus.

Bei der nächsten Seite wurde mir doch ein wenig unwohl zumute. Ein Foto zeigte Alessandro inmitten der größten Rowdies unserer damaligen Gemeinschaft und ich hatte damals ein Herz unter sein Abbild gemalt. Vielleicht schaut er ja nicht so genau hin und übersieht das winzige Herz, versuchte ich mich zu beruhigen. Doch im selben Augenblick tippte er mit dem Finger auf das Foto.

"Ich war damals ein ziemliches Arschloch, oder?", fragte er.

" Ähm ... ja, du warst kurzzeitig mal ein bisschen seltsam", spielte ich seine Aussage herunter.

Er tippte noch einmal auf das Foto.

"Hast du das Herz da drauf gemalt?", wollte er wissen.

" Ähm ...", was sollte ich dazu sagen?

"Warum hast du das Herz exakt unter mein Abbild gemalt, Lena?", fragte er direkt.

" Weil ich gehofft habe, dass du zur Vernunft kommst und es zwischen uns wieder so sein könnte, wie es vorher gewesen ist, ich habe dich damals ziemlich vermisst", antwortete ich leise.

Alessandro schloss die Augen und atmet tief ein, dann schüttelte er seinen Kopf und rieb mit seinen Händen sein Gesicht.

"Was war ich doch ein dämlicher Idiot, das kann ich nicht fassen. Das ... oh Mann ... ", er schüttelte erneut den Kopf, "ich muss vollkommen bescheuert gewesen sein, du wolltest mich zurück und ich habe dich wie Dreck behandelt. Dabei habe ich dich wahnsinnig geliebt", meinte er ungläubig.

"Komm schon, Alessandro, das stimmt nicht und das weißt du genau. Du hast mich links liegen gelassen, weil ich deine Gefühle nicht erwidern konnte. Heute siehst du das mit anderen Augen. Du hast mich nicht wie Dreck behandelt. Ich habe deine Gefühle nicht erwidert und du warst deshalb verletzt. Heute weiß ich, dass ich genausogut auf dich hätte zugehen können, aber das habe ich auch nicht getan. Es hat einfach nicht sein sollen damals, Schatz!"

Er nickte.

"Du hast recht. Was wäre heute alles anders, wenn ich damals nicht so ein Rindvieh gewesen wäre. Nein, du hast vollkommen recht, Liebling. So wie es heute ist, so ist es perfekt. Wer weiß was aus Christian und Enrico geworden wäre, wenn es anders gelaufen wäre!"

Sein Handy klingelte.

" Ja, Bruder? Im Hotel läuft alles wie geschmiert. Morgen kommen Leon und Marina zurück. Wir werden am Samstag oder Sonntag ankommen. Ja, ich werde vorsichtig fahren. Nein, ich werde Lena auf keinen Fall ans Steuer lassen", rasselte er herunter.

"Du Arsch! Wo ist Lena? Ich kann sie nicht erreichen."

Enrico klang besorgt. Alessandro hatte den Lautsprecher seines Handys eingeschaltet, so konnte ich mithören. Er zwinkerte mir zu und bedeutete mir ruhig zu sein.

"Keine Ahnung, ich hab es auch schon ein paar mal versucht, bei mir geht sie auch nicht ran. Ich glaube sie ist sauer!", erzählte er.

"Wieso sauer? Habt ihr euch gestritten, oder was? Ich sage dir Alessandro, wenn du sie verärgert hast, trete ich dir in den Hintern, da kannst du sicher sein!", regte Enrico sich auf.

" Naja, sie meinte gestern Abend, dass sie doch lieber hier bleiben will und versuchte mich zu überreden mit ihr zusammen hierzubleiben, da bin ich vielleicht ein klein wenig ausgerastet. Sie hat mich einfach hier sitzen lassen und ist abgehauen," log Alessandro.

"Wie abgehauen? Und du hast sie gehen lassen? Sag mal, hast du sie noch alle? Wo ist sie hin? Ich glaube ich raste jeden Moment aus, du Idiot. Warte, wenn ich dich in die Finger kriege, dann wirst du dir wünschen nie geboren worden zu sein. Bist du nicht hinter ihr her? Hat sie gesagt wo sie hin will? Komm schon, du Penner, ich will Antworten", Enrico war dezent außer sich.

Ich wollte einschreiten, doch Alessandro hob den Daumen  >nur eins noch , bitte< formte er lautlos mit den Lippen.

"Alessandro? Sag schon",  forderte Enrico ungeduldig.

"Ähm ... ja ... ähm ...  natürlich bin ich hinter ihr her, schließlich konnte ich sie doch nicht allein die Koffer schleppen lassen, ich habe sogar die Rückbank von ihrem Wagen zur Ladefläche umgeklappt, du weißt doch, Frauen und Technik und so..."

" Du verarscht mich doch, du Vollidiot... ", schrie Enrico wütend.

Alessandro wollte noch eins draufsetzen, aber ich fand es reichte.

"Enrico? Tut mir leid, ich habe heute Nachmittag meine Unterlagen vom Hausarzt abgeholt, das Handy auf lautlos gestellt und vergessen es wieder rückgängig zu machen, Schatz. Ich vermisse dich!", ließ ich ihn wissen. Alessandro lachte und stand auf.

"Sag dem Mistkerl er kann sich auf etwas gefasst machen, sobald er hier aufkreuzt, dann wird ihm das Lachen vergehen. Ich vermisse dich auch, mein Schatz, geht es dir gut?"

" Natürlich geht es mir gut, du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ist die Inneneinrichtung vom Hotel komplett fertig? Hoffentlich machst du dir nicht zuviel Stress. Sind die Kartons mit den Dekosachen schon angekommen?", fragte ich nach.

" Da sagst du mir, ich soll mir keinen Stress machen und sorgst dich schon wieder um diesen Tüddelkram. Aber ja, ist heute früh angekommen, ich weiß zwar nicht wie viele Kartons das sind, auf jeden Fall jede Menge. Ich frage mich nur wo du mit soviel Kram hinwillst. Aber du machst das schon, Liebling und ich weiß, dass du den Räumen die notwendige Behaglichkeit verschaffen wirst. Du fehlst mir, Schatz! Bis zum Wochenende ist es noch so lange hin", jammerte er.

"Du fehlst mir auch, ich liebe dich! Es sind doch nur noch zwei oder drei Tage", tröstete ich ihn.

" Und zwei oder drei einsame Nächte, das ist viel schlimmer, Schatz! Pass gut auf dich auf! Ich melde mich morgen wieder, ich liebe dich, mein Schatz!", damit beendete er den Anruf.

Sekunden später erklang der Benachrichtigungston, eine Whatsapp - Message war eingegangen.

Alessandro kam gerade mit zwei Gläsern Wein und meinem Handy zurück.

"Sieh nach", forderte er mich auf.

Enrico schrieb: >Ich weiß wirklich nicht, warum ich dich liebe, Bruder, eigentlich hätte ich dich schon längst erschlagen sollen. Pass gut auf sie auf, sonst mache ich das tatsächlich noch<

Grinsend reichte ich das Handy weiter.

Alessandro schüttelte den Kopf und grinste ebenfalls. Er sendete ein Herz zurück und legte das Handy beiseite.

"So, Liebling, jetzt schaust noch schnell deine Nachrichten durch und rufst Christian an, dann haben wir Ruhe und niemand stört uns heute noch."

Genau das tat ich, Christian erzählte mir begeistert von unserem Enkel und schickte mir daraufhin noch einige Fotos, die ihn mit dem süßen Fratz zeigten.

Zufrieden seufzend lehnte ich mich an Alessandro.

"Was meinst du, sollen wir am Samstag, oder am Sonntag fahren?"

Alessandro küsste mich verlangend.

"Ähm ... meinst du nächste oder übernächste Woche, oder erst in einem Monat?"

Ich boxte ihm gegen die Brust.

"Was? Ist doch gerade so schön hier. Niemand nervt, nicht viel zu tun und jede Menge Sex. Wer würde das schon freiwillig aufgeben?", fragte er.

"Also am Sonntag", beschloss ich einfach.

"Ja, am Sonntag ... nach Weihnachten. Nun zieh endlich das blöde Ding aus, Schatz", er zerrte ungeduldig an meiner Bluse.

"Alessandro! Lass ......"

Mit einem alles verzehrenden Kuss verschloss er mir die Lippen. Die restlichen, der vielen kleinen Knöpfe meiner Bluse, die er noch nicht geöffnet hatte, kullerten über den Marmorboden......

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Ich heiße nicht Lena sondern Bea, eigentlich Beatrix, aber so hat mich nie jemand genannt.

Ich küsse unsere engsten Freunde, allerdings nur freundschaftlich, auf wilde Knutschereien lasse ich mich nicht ein. Ich sage ihnen auch dass ich sie liebe, natürlich auch nur auf freundschaftlicher Basis und das weiß und respektiert jeder von ihnen.

Hin und wieder lasse ich mich auf einen harmlosen Flirt mit Gästen ein, sollte ich mal für einen Mitarbeiter einspringen, je nach Laune, aber ich ziehe mich stets freundlich zurück, sollte mir die Lage zu brenzlig erscheinen.

Ich liebe drei Männer und habe es bisher nicht bereut meine Gefühle für sie zugelassen zu haben, denn sie behandeln mich wie eine Königin.

Sie mögen sich zwar manchmal lautstark über irgendwelche Nichtigkeiten streiten, aber das ist einfach nur ein dummes Spiel für sie. Ab und zu brauchen sie das und am Ende sind sie sich wieder einig, denn sie lieben sich wie Brüder. Zwei von ihnen sind es ja auch, der Dritte, mein Ehemann, wird von ihnen als Bruder gesehen, weil ihre Freundschaft unendlich tief ist und sie füreinander durchs Feuer gehen würden. 

Ich habe weder Lisa noch Alicia den Ehemann weggenommen. Lisa und Alexandra sind meine besten Freundinnen, auch wenn es damals Differenzen zwischen Lisa und mir gegeben hat, das ist längst vergessen. Alicia war mir eine ebenso gute Freundin, leider musste sie uns viel zu früh verlassen.

Trotz meines Alters liebe ich Sex, obwohl man mit fünfzig heutzutage noch nicht zum alten Eisen gehört.

Ich komme sogar mit allen drei Männern gleichzeitig im Bett klar, allerdings ist das, eher selten mal passiert. Das Leben spielt sich  nicht nur im Bett ab, auch im Alltag bilden wir eine Einheit. Zwar war Alessandro bisher größtenteils meilenweit von uns entfernt aber das wird sich ab sofort ändern.

Ich erwarte nicht, dass jeder Mensch unsere Beziehung gutheißt, mir reicht es vollkommen, dass die Menschen, in unserem persönlichen Umfeld unsere Verbindung akzeptieren und das tun sie.  Jeder von ihnen vertritt den Standpunkt, dass, jeder für sich selbst entscheiden muss wie er sein Leben gestaltet.

Wir sind glücklich mit unserer Beziehung ...

nothing else matters ...

Wenn ihr dies hier lest, ihr Lieben, habe ich Deutschland bereits verlassen. In Italien werden wir endlich wieder zu viert zusammen sein und uns hoffentlich dort wohlfühlen. Christian muss wieder zur Ruhe kommen und Enrico meinte es wäre an der Zeit in seine Heimat zurückzukehren, obwohl er dort nicht einmal geboren wurde. Der eigentliche Grund ist, dass die drei "Brüder"nicht ohne einander können, aber das geben Sie natürlich nicht zu. ;) Außerdem ist die ständige Hin- und Herfahrerei nervig.

Also , Leute, ich wünsche euch alles erdenklich Gute, bleibt stets gesund und munter und vergesst niemals, dass es - sollte es euch mal nicht gut gehen - nach jedem Regen auch wieder Sonnenschein geben wird. Das ist so, glaubt mir!

Ach ja, noch etwas an die netten Herren mit ihren eindeutigen Angeboten: Meine drei Liebsten haben sich köstlich über eure E-Mails amüsiert. Nein, danke, Leute, ich bin gut versorgt, ihr mögt mit Sicherheit liebe Kerle sein, aber ich weiß was ich an Christian, Enrico und Alessandro habe und die drei bedeuten mir alles auf der Welt. Tut mir leid ...

Ciao ciao

ganz liebe Grüße,

Eure Bea



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