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Blinde Weihnachten (fm:Romantisch, 7461 Wörter)

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Veröffentlicht: Dec 23 2020 Gesehen / Gelesen: 18853 / 16092 [85%] Bewertung Geschichte: 9.42 (254 Stimmen)
Ich war alleine, sie auch, wir trafen uns zufällig und es war der richtige Zeitpunkt.

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Kapitel 1

Weihnachten steht vor der Tür und für mich hat sich wenig geändert. Ich bin alleine, seit Jahren und konnte die Feiertage bisher gut verbringen. Abends in eine Kneipe, sich mit anderen Menschen von der Resterampe volllaufen lassen. Genau das Richtige für mich. Vergessen war die Devise, und die hielt ich über die Feiertage ein.

Dieses verdammte Jahr versaut mir die Show, alles ist durcheinander gekommen und um ehrlich zu sein, kotzt es mich an. Was soll ich nur machen. Alleine saufen ist nicht wirklich ein abendfüllender Plan. Es schmeckt in Gesellschaft einfach besser. Also wollte ich nach draußen gehen, irgendwo im Park oder am Bahnhof würde ich schon irgendwen finden, mit dem ich anstoßen konnte. Aber denkste, auch das ist verboten, kein Alkohol in der Öffentlichkeit und mit Orangensaft wollte ich nicht anstoßen. Vielleicht sollte ich es machen wie in den USA. Einfach eine braune Papiertüte drüberstülpen und tun, als wenn man es zum Atmen brauchte. Leider würde jeder wissen, was sich darin befand, also auch keine Lösung. Was sollte ich also machen, alleine, ohne Familie und Freunde, die ich normalerweise nicht brauchte. Ich kam ohne sie aus, war ein Mensch, der es gut mit sich selber aushielt. Im Sommer machte es mir noch weniger aus. Irgendwo war immer etwas los, Menschen versammelte sich an Seen oder in den Parks, und wenn ich mich für ein paar Stunden dazwischensetzte, waren meine Batterien in dieser Hinsicht aufgeladen. Danach war ich froh, wenn ich ging, meine Ruhe zurückhatte.

Doch an diesen wenigen Tagen im Winter, Weihnachten genannt, war es etwas anderes. Manchmal konnte ich in die Fenster von Wohnungen sehen, die prächtig geschmückt waren, stellte mir vor, wie sich die Tische vor Essen und Süßigkeiten bogen, Kinder mit großen Augen ihre Geschenke auspackten. Ein Trugbild für mich. Keine Frau hatte es länger mit mir ausgehalten, geschweige denn, eine Familie gründen wollen. Ehrlich gesagt konnte ich das verstehen, besonders umgänglich war ich nicht, oft mürrisch, zumindest sah es danach aus. In Wirklichkeit war es der äußere Schein. Mein Gesicht produzierte im Normalfall kein Lächeln.

Was also tun, die Tage der Liebe und Gemütlichkeit standen vor der Tür und wollten nicht eintreten, bei mir war es dafür zu öde und sie weigerten sich, meine Schwelle zu übertreten. Das machte mich trübsinnig und ich kam mir vor wie ein Hamster im Käfig. Zumindest stellte ich mir vor, das er sich so fühlten würde. Leider hatte ich kein Hamsterrad, sonst hätte ich es wahrscheinlich ausprobiert. Um es anders zu sagen, mir fiel die Decke auf den Kopf, musste raus.

Obwohl es gerade dunkel wurde, zog ich mich schnell an, warf mir einen Schal um, eine Mütze auf den Kopf, obwohl es nicht kalt war. Wenn ich mich irgendwo hinsetzen wollte, würde es nützlich sein. Kaum angezogen, ging ich nach draußen, einfach in eine Richtung ohne Ziel, sah mir dabei die festliche Beleuchtung an, die manche Häuser und Wohnungen zierten. Ich erfreute mich an den Lichtern, mochte, wenn sie bunt waren. Die LED-Technik brachte klare und helle Farben hervor, die ich genoss. Endsprechend begeistert lief ich weiter, achtete dabei weniger auf den Weg, sah mir mehr die Fassaden der Häuser an. Daher übersah ich ein wichtiges Detail.

Gerade als ich eine besonders interessante und ausladende Beleuchtung im Vorbeigehen betrachtete, stieß ich mit jemandem zusammen, der aufschrie. Anhand der Stimme war mir klar, dass es sich um eine Frau handelte, wusste jedoch nicht, warum sie mir nicht ausgewichen war. Dies wurde mir erst klar, als sie auf dem Pflaster aufschlug, ihr weißer, langer Stock mit einer Kugel am Ende auf dem Boden aufprallte und davonrollte.

"Oh, Entschuldigung, ich habe sie nicht gesehen!", sagte ich und wusste in dem Moment, dass es ein unpassender Satz gewesen war. Innerlich hätte ich mich ohrfeigen können.

"Ich auch nicht!", antwortete sie und zu meiner Überraschung klang es nicht verbittert. Angesichts ihres Schicksals hätte ich es ihr nicht verübeln können, blind zu sein, oder zumindest größtenteils, war sicher nicht einfach.

Sofort streckte ich ihr meine Hand entgegen wie ein Reflex, um ihr aufzuhelfen, als mir einfiel, dass sie diese nicht sehen konnte.

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